Was dem Smartphone und Tablet für ernsthaftes Arbeiten fehlt

Das grösste Manko beim iPhone und iPad besteht darin, dass das virtu­elle Key­board keine Tasta­tur­kürzel bereithält. Was auch ein Problem für die VR-Brille wäre.

Die Debatte «PC versus Tablet» habe ich hier im Blog auch schon geführt – und sie neigt dazu, schnell ist Ideologische abzudriften. Darum geht es mir heute aber nicht. Sondern um die ernsthafte Beschäftigung mit der Frage, warum ich mit einem Desktop-Computer meine Arbeit so viel schneller und bequemer erledige als mit einem Smartphone oder Tablet.

Und vor allem: Gäbe es nicht die Möglichkeit, diese Mankos zu beseitigen? Ich würde meinem Windows-PC vermutlich weiterhin die Stange halten. Aber ich würde es auch toll finden, wenn ich nicht jedes Mal, wenn ich am Smartphone oder Tablet ernsthaft arbeiten will oder muss, das Gefühl hätte, dass ich mit dem Windows-Laptop schon längstens fertig wäre.

Der wichtigste Punkt, scheint mir, sind die universellen Tastaturkürzel. Sie vermisse ich am allermeisten. Sie sind eine unschlagbare Geheimwaffe bezüglich Effizienz. Das gilt schon in der Standardausstattung der Desktop-Betriebssysteme. Ich arbeite ständig mit der Zwischenablage und Ctrl x, Ctrl x und Ctrl v. Die Navigationstasten (Pfeiltasten, Home, End) sind extrem praktisch zum gezielten Navigieren und Markieren. Das macht die Arbeit mit Text extrem effizient. Und natürlich sind die Tastaturkürzel auch der Dreh- und Angelpunkt für Automatisierungen.

Aus diesen Gründen beschäftigt mich seit jeher die Frage, warum es die Hilfstasten für Tastenkombinationen (Modifier Keys) am Tablet und Smartphone nicht gibt.

Und klar, wenn ich mir die Sache überlege, höre ich sofort Steve Jobs vor meinem inneren Ohr, der in einer der Sitzungen, an der das erste iPhone erfunden worden ist, entsprechende Vorschläge in Bausch und Bogen verdammt. Die iPhone-Tastatur sollte übersichtlich, einfach und einladend sein – und vor allem auch kompakt. Da hatten Steuerungstaste, Alt und Wahltaste einfach keinen Platz. Und Pfeiltasten auch nicht.

Das sehe ich ein. Und auf dem kleinen Display mit dem einen Finger eine Hilfstaste halten, um eine zweite zu betätigen, ist einhändig schwierig bis unmöglich und zweihändig auch nicht elegant. Aber hat nie jemand ernsthaft probiert, dieses Manko zu beseitigen? Ansatzpunkte gäbe es:

Drücken und Halten

Schon in ersten Version des iPhone-Betriebssystems waren die virtuellen Tasten mehrfach belegt und es war möglich, durch langes Antippen weitere verwandte Zeichen zum Vorschein zu bringen. Auf diese Weise liessen sich auf jede Taste auch Steuerbefehle aufbringen.

Gesten

Eine alternative Bedienmöglichkeit sind am Desktop-Computer seit jeher die Gesten. Wir können die auf dem Touch-Bildschirm oder auf dem Tochpad ausführen, beispielsweise fürs Vorwärts- oder Rückwärtsblättern, fürs Fenstermanagement o.ä.

Diese Touch-Gesten liessen sich wunderbar adaptieren für die erweiterte Bedienung. Mit zwei Fingern nach oben Wischen entspricht dem Gedrückthalten der Ctrl-Taste – beispielsweise.

Einrastfunktion, Einfingerbedienung bzw. Sticky Keys

Es gibt auch bei Windows und Mac die Möglichkeit, die für eine Kombination notwendigen Tasten nicht simultan, sondern nacheinander zu betätigen. Das nennt sich bei Windows Einrastfunktion bzw. Sticky Keys und beim Mac Einfingerbedienung¹. Diese Einstellung ist für Nutzer gedacht, denen es nicht möglich ist, mehrere Tasten gleichzeitig zu betätigen.

Unten wäre genügend Platz für «Ctrl», «Alt» und Pfeiltasten.

Mit Option liessen sich am Smartphone oder Tablet auch einhändig Tastaturkürzel eintippen. Es bleibt das Platzproblem: Wo werden diese Tasten untergebracht? Andererseits: Wenn ich mir die heutige iPhone-Tastatur ansehe, ist unterhalb der untersten Reihe noch jede Menge Freiraum: In der linken Ecke gibt es den Knopf zum Wechseln der virtuellen Tastaturen, rechts das Mikrofon fürs Diktieren. Hier fänden problemlos auch Ctrl-, Alt-, und Pfeiltasten Platz.

Eine virtuelle Komplett-Tastatur

Fullkeys hält zwar eine «Fn»-Taste und Pfeile nach rechts und links bereit, aber kein «Ctrl» oder «Alt».

Seit 2014 und iOS 8 gibt es die Möglichkeit, am iPhone und iPad anstelle der von Apple gelieferten virtuellen Tastatur mit der Schnittstelle eines Drittherstellers zu tippen. Warum also nicht eine optionale Tastatur anbieten, die für Leute, die es denn schätzen würden, all die Knöpfe einer vollständigen PC-Tastatur bereithält?

Ich habe nach einer solchen Tastatur gesucht und bin bei Fullkeys (fürs iPhone/iPad) gelandet. Das Fazit ist ein Naja. Die Erwartungen in Bezug auf Tastaturkürzel erfüllt sie nicht. Aber es gibt andere Einsatzmöglichkeiten. Die bespreche ich separat im Beitrag Neun nützliche Tastaturen fürs iPhone und iPad.

Ein Tipp bleibt auch SwiftKey von Microsoft, auch wenn das bei Weitem keine Komplett-Tastatur ist. Sie hält immerhin einen Knopf fürs Einfügen und einen rudimentären Zwischenablage-Manager bereit.

Eine Bluetooth-Tastatur

Bekanntlich lassen sich Bluetooth-Tastaturen auch mit dem iPhone und iPad verbinden. Ich mache das ab und zu: Mein iPhone ist eines der drei Geräte, das ich mit meiner Logitech MX Keys Plus verbunden habe. Das ist eine tolle Sache – und wenn wir das tun, erfahren wir, dass iOS und iPad OS auch von Haus aus gerüstet sind, um mit Tastaturkürzeln umzugehen.

Es gibt eine Reihe von Kürzeln zum Aufrufen des Homescreens, zum Suchen, für Screenshots und zum Ein- und Ausblenden des Docks (siehe Tastaturkurzbefehle für das iPad kennenlernen).

Ein neues Eingabeinstrument

Wie wäre es, das Rad neu zu erfinden, statt ein altes Konzept den Touch-Geräten überzustülpen? Ich bin kein Experte für die Interaktion von Mensch und Maschine – aber der Bedarf für eine effiziente und differenzierte Kommunikation scheint mir riesig.

Denken wir ans Metaversum bzw. bei einer Mixed-Reality-Brille von Apple, die womöglich heute das Licht der Welt erblickt: Wenn wir in dem irgendwie zügig vorwärtskommen wollen, braucht es die Möglichkeit, schnelle Befehle abzusetzen. Ein solches System ist nur brauchbar, wenn es ein Eingabeinstrument gibt, das mehr kann als bloss einen Cursor zu positionieren. Wir müssen irgendwie Menüs öffnen, Informationen eingeben und effizientes Multitasking betreiben können.

Wie könnte das gehen? Wenn hier die Lösung besteht, dass eine virtuelle Tastatur im Raum erscheint, mit der wir uns dann noch unbeholfener herumtapsen als auf dem Touch-Keyboard unserer Smartphones und Handys, dann glaube ich nicht, dass eine VR-Welt jemals eine ernsthafte Alternative zu einem Windows 3.1-Rechner werden wird.

So oder so müsste das System irgendwie unsere Hände, Finger oder vielleicht auch die Füsse, Beine oder Mimik erfassen können. Ein solches System könnte auch die Benutzung des Smartphones verbessern: Wenn ich beispielsweise mit meinem rechten Fuss virtuell eine Ctrl-Taste betätigen könnte, dann fände ich das grossartig. So toll, dass ich das dann wahrscheinlich auch an meinem Windows-Rechner würde machen wollen.

Fussnoten

1) Bei Windows findet sich die Einrastfunktion in den Einstellungen unter Barrierefreiheit in der Rubrik Tastatur. Die Einfingerbedienung des Mac steckt in den Systemeinstellungen bei Bedienungshilfen unter Tastatur.

Beitragsbild: Unschlagbar für effiziente Arbeit (Florian Krumm, Unsplash-Lizenz).

One thought on “Was dem Smartphone und Tablet für ernsthaftes Arbeiten fehlt

  1. Voll einverstanden!

    (Es gibt eine Ausnahme, das sind die Smartphones von Planet Computers, ich habe den Cosmo, die den guten alten Psion 5mx kopieren, mit derselben praktischen physischen Tastatur von damals, da funktionieren die Shortcuts auch; ich brauche dieses Gerät genau für solche Arbeiten unterwegs, wo ich viel tippen muss).

    Aber eigentlich schon erstaunlich, wie laaaange sich Ctrl x, Ctrl x und Ctrl v haben halten können, die habe ich irgendwann in den 1980ern in zeilenorientierten Terminals kennen gelernt 😉

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