Frisches Hörfutter aus den Wiener Leichenhallen

Im Podcast «Klenk+Reiter» plaudert Öster­reichs bekann­tester Rechts­medi­ziner aus dem Näh­käst­chen. Das könnte im Ideal­fall euer Leben retten.

Es kommt nicht von ungefähr, dass die interessanteste Figur in vielen Krimiserien nicht der Kommissar oder die Ermittlerin ist. Sondern der Gerichtsmediziner, der die Leiche auf seinen Tisch bekommt, sie nicht nur von aussen, sondern auch von innen begutachtet und seinen ganzen Spürsinn und seine Erfahrung daran setzt herauszufinden, was der oder die Verstorbene in den letzten Minuten seines oder ihres Lebens erfahren hat.

Da die Metropole des Morbiden bekanntlich Wien ist, besteht kein Zweifel daran, dass irgendjemand diese beiden Faktoren unbedingt kombinieren sollte: Im Wiener «Tatort» gab es laut Wikipedia die Figur von Dr. Renata Lang (Gundula Rapsch), die mir aber nicht in Erinnerung geblieben ist. Aber wir wollen eh die Geschichten hören, die das richtige Leben schrieb.

Das Studienobjekt lebt derzeit noch

Der Inhalt ist ansprechender als die Verpackung.

Und genau das tut Christian Reiter im Podcast Klenk+Reiter des Österreichischen Wochenmagazins Falter (RSS, Apple, Spotify, Google). Er ist gemäss der Beschreibung des Herausgebers «Österreichs bekanntester Rechtsmediziner». Vor allem ist er auch ein hervorragender Erzähler, der auf unvergleichlich trockene Weise aus seiner langjährigen Erfahrung erzählt.

Der andere Namensgeber ist Florian Klenk, der Co-Chefredakteur beim «Falter» und Jurist. Er kennt den Gerichtsmediziner Reiter seit Jahrzehnten und war offenbar als Student auch bei ihm an der Uni. Er erzählt jedenfalls in der ersten Folge die eindrückliche Anekdote, wie er am nächsten Tag einer Obduktion hätte beiwohnen sollen und gefragt hat, wer denn das Studienobjekt sein würde. Worauf Reiter sagte, das wisse er auch nicht – weil dieser Mensch jetzt noch lebendig sei. Das Studienobjekt war dann ein Wirt, dessen Todesursache, falls ich es nicht überhört habe, im Podcast nicht explizit genannt worden ist. Aber Reiter beschreibt, wie ihm seine Nase verraten hat, dass Alkohol mit im Spiel gewesen sei.

Den Tipp zu «Klenk+Reiter» habe ich aus einem anderen Podcast. Dort erzählt Holgi, er fände ihn gut, obwohl er überhaupt nicht auf True Crime stehen würde. Klenk erklärt allerdings, es gehe ihnen beiden nicht um True Crime, sondern um die Wissenschaft hinter den Fällen und was es über Wien und das Leben allgemein zu lernen gebe. (Was mich jedoch nicht davon abgehalten hat, diesem Blogpost das Stichwort dennoch zuzuweisen.)

Da war dann doch der Klimawandel schuld

Und wir lernen tatsächlich einiges über das Leben und dessen mitunter abruptes Ende. In der ersten Folge ging es darum, was Insekten über die Umstände eines Todes verraten können – ein Thema, das übrigens auch im Thriller Die Chemie des Todes (The Chemistry of Death) aus der David Hunters-Reihe von Simon Beckett eine Rolle spielt. (Das war unterhaltsam, aber dann doch zu wenig prägnant, um es hier im Blog zu besprechen – und zwar genau deswegen, weil David Hunters zu wenig aus seiner gerichtsmedizinischen Expertise macht.)

In der dritten Folge geht es um eine katholische Absonderlichkeit, indem Gerichtsmediziner die Aufgabe hatte, einen Pater (Anton Maria Schwartz) so zu behandeln, dass sein Leichnam als Folge seiner Seligsprechung durch den Papst der Öffentlichkeit zur Schau dargeboten werden konnte. Die eigentliche Frage, warum das die Aufgabe eines Gerichtsmediziners ist, wurde im Podcast nicht ausreichend beantwortet – auch wenn ich den Eindruck hatte, dass eine für Christian Reiter spannende Herausforderung und auch eine Abwechslung zu seiner normalen Tätigkeit darstellte.

Etwas gelernt

Am spannendsten fand ich die Folge vier, wo es um einen Mann geht, der in der Leichenhalle aufgewacht ist, gefolgt von einer Erläuterung, wie es zum Vampir-Mythos und zu der Idee Untoter gekommen ist. Gefolgt wird sie von Folge zwei, in der um die Gefahren des Alltags geht – und darum, wie ein Glas altes Apfelmus unter unglücklichen Umständen eine tödliche Wirkung entfaltet. Die wird bei mir eine Verhaltensänderung bewirken, indem ich bisher auch zu den Leuten gehört habe, die, wenn sie auf einem Joghurt einen Schimmelpelz entdeckt haben, der Meinung zuneigten, den könne man schon noch essen, nachdem man die oberste Schicht grosszügig abgeschöpft hat – was ich nach diesem Podcast definitiv nicht mehr tun werde …

Beitragsbild: Und jetzt leckeres Mus daraus machen! (Matheus Cenali, Unsplash-Lizenz)

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