Neulich habe ich die Audiofunktionen von Windows 11 beschrieben, die eingebaute Raumklang Option (Windows Sonic für Kopfhörer) vorgestellt und eine nähere Inspektion des Dolby Atmos-Treibers angekündigt.
Also, heute ist es soweit: Um Windows mit der Dolby-Raumklang-Option auszustatten, besorgen wir uns die Dolby Access-App aus dem Microsoft-Store. Sie ist kostenlos, will für die dauerhafte Nutzung von Dolby Atmos jedoch mit 18 Franken bezahlt werden. Wir haben die Möglichkeit, die Raumklangfunktion während einer Woche kostenlos auszuprobieren.
Bevor ich zu meinen Erkenntnissen gelange, noch ein administrativer Hinweis: Ich verwende für diesen Zweck die hier vorgestellten Airpods Pro, zweite Generation von Apple: Die sollten dank des personalisierten Audios für derlei Zwecke gerüstet sein. Mir ist allerdings nicht klar geworden, ob diese Personalisierung in den Ohrstöpseln selbst stattfindet und dementsprechend auch mit Windows funktioniert, oder die nur im Zusammenspiel mit einem Apple-Gerät zum Tragen kommt. Falls jemand dazu etwas Genaues weiss, freue ich mich über eine Erklärung via Kommentar.
Eindrücklich ja. Aber auch präzise?
In der besagten Dolby-Atmos-App gibt es einige Demo-Clips, die die Fähigkeiten dieses Codecs in all seiner räumlichen Pracht vorführen sollen. Und natürlich rummst und kracht es von allen Seiten, dass es eine wahre Freude ist. Keine Frage: Der Effekt ist auch mit Ohrstöpseln¹ eindrücklich.
Die eigentlich interessante Frage, ob dieser Raumklang einfach von irgendwoher zu kommen scheint – also nicht direkt von rechts oder links, wie das bei Stereo der Fall ist –, oder ob er uns tatsächlich eine präzise Lokalisierung einer Klangquelle erlaubt.
Ein Beispiel soll zeigen, was ich damit meine: In dem ist eine Stimme zu hören, die irgendwo aus der Tiefe des Raums kommt. Wenn wir nun die Aufgabe hätten, mit dem Finger dorthin zu zeigen, wo der Sprecher oder die Sprecherin steht – würden wir alle in die gleiche Richtung zeigen?
Genauso lässt sich das leider nicht überprüfen. Aber es gibt einen Clip, der uns einen solchen Test zumindest annäherungsweise erlaubt. Er heisst «Dolby Atmos 7.1.4-Kanalprüfung mit weissem Rauschen und Signal-Sweep». Er fängt mit einer Stimme an, die zuerst aus der Mitte, dann von rechts und links, dann von rechts aus dem Raum, dann von rechts hinten, von links hinten ertönt – und schliesslich von rechts bzw. links oben hinten und oben vor.
Vorne ist hinten – oder umgekehrt
In meiner individuellen Wahrnehmung funktionieren die meisten Positionen gut, sprich: Sie ertönen von dort, wo sie ertönen sollten. Zwei prominenten Ausnahmen sind die erhöhten Positionen: Den Klang, der von vorne links oben kommen sollte, höre ich von hinten. Interessanterweise gibt es keine Testsounds von unten. Das scheint daher zu rühren, dass das typische Setup keine tiefgelegten Lautsprecher hat. Es wäre trotzdem interessant zu wissen, ob es mit Kopfhörern theoretisch funktionieren würde.
Bleibt die Frage: Wie nutzen wir diesen schöne Rundum-Klang in Dritt-Apps? Bloss die Demo-Dateien abzuspielen, ist nicht abendfüllend.
Im Beitrag Die vielfältigen Sound-Einstellungen von Windows 11 habe ich erklärt, wo in Windows 11 die Einstellungen zum Sound zu finden sind. Wenn über die Dolby-Access-App der Treiber aktiviert wurde, wechseln wir gemäss diesen Hinweisen in den Einstellungen zu System > Sound. Hier klicken wir im Abschnitt Erweitert auf Alle Audiogeräte, dann auf den verbundenen Kopfhörer. Hier erscheinen die Eigenschaften, wo wir beim Eintrag Räumliches Audio die nebst den Optionen Aus und Windows Sonic für Kopfhörer jetzt auch Dolby Atmos for Headphones zur Verfügung haben.
Raumklang-Simulation
Fragt sich, was dieser Codec macht, wenn er normales Stereo vorgesetzt bekommt. Er macht natürlich das, was man erwartet: Er simuliert Raumklang – und er tut es deutlich eindrücklicher als die zuvor getestete Microsoft-Variante Windows Sonic für Kopfhörer. Darum: Wer den Effekt mag, der sollte die 18 Franken für den Codec aufwerfen – mein Eindruck ist, dass der spatial aufgefächerte Sound noch etwas facettenreicher wirkt, weil er mehr Platz zum Ausbreiten hat.
Aber klar: Eigentlich würden wir gerne Inhalte hören, die nicht bloss hochgerechnet, sondern in Raumklang produziert worden sind. Diesbezüglich sieht es, wie hier besprochen, leider noch immer mau aus. Das gilt besonders für Windows: Der Streamingdienst Tidal, der eigentlich solche Inhalte anzubieten hätte, erwähnt Windows mit keinem Wort. Desgleichen Apple: Im Supportdokument Informationen zu 3D-Audio mit Dolby Atmos in Apple Music sind sämtliche Plattformen von iPhone, iPad, Mac, Homepod, Apple-TV bis hin zu Android aufgezählt – bloss Windows nicht.
Netflix macht es uns auch nicht gerade einfach
Was Filme und Serien angeht, könnte man mit Netflix sein Glück probieren; der Streamingdienst sollte Raumklang unter Windows seit 2018 unterstützen. Allerdings auch nur im teuersten UHD-Abo, weswegen ich das nicht ausprobieren konnte. Aufgrund der Lizenzen dürfte Dolby Atmos bei den freien Apps ohnehin aussen vor bleiben, weswegen VLC ausser Rang und Traktanden fällt.
Fazit: Dolby Atmos ist unter Windows eine reine Liebhaberei, keine ernsthafte Option. Es braucht Geduld und Nerven, um überhaupt eine Konstellation zu finden, bei der nicht nur das Betriebssystem und der Soundtreiber, sondern auch die App und der Inhaltsanbieter mitspielen.
Fussnoten
1) Ich hätte ihn gern mit meinen guten Over-Ear-Kopfhörern getestet, doch die sind derzeit leider unauffindbar – ohne dass an dieser Stelle irgendein Familienmitglied beschuldigt werden soll. Wenn ich sie wiederfinde, werde einige Einschätzungen zu diesen nachreichen. ↩
Beitragsbild: So einfach kriegen wir keinen Kinosound aus unserem Windows-Laptop (Felipe Bustillo, Unsplash-Lizenz).