Suchmaschinen: Sie sind vergleichbar mit der Klospülung oder der Demokratie. Wenn sie reibungslos funktionieren, nimmt man sie kaum wahr. Aber wehe, wenn sie plötzlich den Dienst versagen.
Als Vorsichtsmassnahme gibt es in manchen Häusern und Wohnungen deswegen zwar keinen zweiten Spülkasten, aber immerhin mehrere WCs. Wenn das erste verstopft ist, tobt man sich auf dem zweiten aus, während man auf den Spengler (🇩🇪🇦🇹: Klempner) wartet.
Mit der Demokratie ist es leider nicht so einfach. Für den Verlustfall ein Extra-Exemplar in Reserve zu behalten, ist ausgeschlossen. Das hat mit ihrer Einmaligkeit zu tun, die sie, zumindest auf ein bestimmtes Territorium und die gegebene Epoche, aufweist.
Artenvielfalt bei den Suchmaschinen
Zum Glück ist das bei Suchmaschinen ganz anders. Es gibt mehrere davon, die friedlich nebeneinander existieren und auch problemlos parallel benutzt werden können. Trotzdem verhalten sich viele Internetnutzer so, als ob es nur diese eine Möglichkeit gäbe, Inhalte im Web zu finden. Nämlich mittels des Vorgangs, der sich umgangssprachlich googeln nennt.
Das sollte nicht so sein. Deswegen setze ich mich für die Suchmaschinen-Artenvielfalt ein, indem ich immer mal wieder Ausweichmöglichkeiten vorstelle.
Eine Übersicht der bekanntesten Recherche-Instrumente für Google-Verweigerer findet sich im Beitrag Konkurrenz belebt das Suchmaschinen-Geschäft. Dort treten nebst Google auch Bing, Duck Duck Go, Qwant und Swisscows gegeneinander an.
In einem weiteren Beitrag habe ich Ecosia und Onesearch unter die Lupe genommen. Und in diesem Test hier ging es um Privado, die Nummer acht in meiner Liste ist das die letztplatzierte Suchmaschine. Und das gilt auch für eine Übersicht, die nach Brauchbarkeit und Leistung sortiert ist.
Hoppla!
Wer nun denkt, dass damit der Markt gesättigt sein könnte, täuscht sich. Ich bin neulich der Suchmaschine Tiger.ch begegnet. Und die hat etwas geschafft, was mir bei einer Suchmaschine noch nie passiert ist. Beim ersten Öffnen ist mir nämlich ein erstauntes «Hoppla» entwichen.
Tiger präsentiert sich einer Suchmaske, die von einem Alpenpanorama eingefasst ist und hinter der ein Maskottchen die Zähne fletscht.
Mehr Startpage im Stil der späten 1990er als moderne Suchmaschine
Unterhalb des Eingabefeldes gibt es Spalten fürs Wetter, einen Newsticker und Börsenkurse. Plus einige Felder, die für Suchmaschinen zumindest ungewöhnlich sind:
- Einen Spruch der Woche («Auge um Auge – und die ganze Welt wird blind sein» von Mahatma Gandhi).
- Eine Bauernregel («Hat der Bauer Bock auf Schinken, fängt der Eber an zu hinken»).
- Ein Feld zum heutigen Tag («Heute ist… noch kein besonderer Tag»).
- Und ein Quiz, bei dem ein Katzenbild und die Frage «Wie heisst diese Rasse?» zu sehen ist. Klickt man das eher hässliche Katzenvieh an, landet man auf der Resultateliste zum Stichwort Balinese, was eine Katzenrasse zu sein scheint.
Ich komme an dieser Stelle nicht umhin zuzugeben, dass ich dank Tiger etwas gelernt habe – auch wenn ich die Kenntnis einer neuen Katzenrasse nicht unbedingt in den Bereich des nützlichen Wissens einsortieren würde.
Aber egal. Bei der Beurteilung einer Suchmaschine sind die Resultate ausschlaggebend. Und die beurteile ich, wie im Beitrag Miese Versager sind sie alle! ausgeführt, anhand von höchst subjektiven Kriterien. Vor allem dem, was eine Suchmaschine mir beim Egogoogeln zurückliefert.
Und auch wenn das egozentrisch und selbstverliebt wirken mag, so kann ich anhand einer solchen Liste schnell und klar beurteilen, ob im Vergleich zu den Resultaten von Google etwas Wichtiges fehlt oder falsche Prioritäten gesetzt sind.
Was nun Tiger.ch angeht, ist die Suchmaschine nicht dazu angetan, meinem Ego zu schmeicheln. Zuoberst kommt ein vier Jahre alter Post, der sich auf einen Namensvetter von mir bezieht, der damals eine neue Stelle angetreten hat. Darunter ein Blogpost, wo jemand vor vier Jahren einen meiner Tamedia-Artikel verlinkt hat. Anschliessend immerhin mein Linkedin-Konto und etwas weiter unten mein Facebook-Account.
Die Salze sind übervertreten
Meine Homepage matthiasschuessler.ch kommt auf Platz sieben und dieses Blog hier auf Platz neun. Dazwischen einige Leute mit anderen Vor- oder Nachnamen und etwas Homöopathie und die Schüssler-Salze.
Das ist aus zwei Gründen annähernd unbrauchbar:
- Erstens fehlen die grossen Medien-Websites, auf denen mein Name immer mal wieder auftaucht und die allein wegen der Reichweite berücksichtigt werden müssten.
- Zweitens ist die Gewichtung objektiv falsch. Eine Website, die den Suchbegriff in der URL trägt (matthiasschuessler.ch) müsste vor einem fünfjährigen Blogpost auftauchen, der inhaltlich nicht mehr als einen kurzen Absatz liefert.
Etwas besser sieht es aus, wenn ich nur nach meinem Nachnamen suche. Zu «Schüssler» spukt die Website zwar die üblichen fragwürdigen Angebote aus, die die leider völlig nutzlosen Salze anpreisen. In der rechten Spalte gibt es aber einen Hinweis auf den Wikipedia-Eintrag zum Familiennamen. Und das ist besser als alles, was die hier kritisierten Suchmaschinen hinbekommen haben.
Tiger verspricht, vor allem zu Schweizer Websites relevante Treffer zu liefern. Also, einige Stichproben dazu:
Rütli
Tiger verweist auf die Gemeinde Rütli im Kanton Uri, sowie die Gemeinde Rütli in Baselland, eine Rütli-Garage, das Rütli als Ausflugsort (via Uri-Tourismus) und das Restaurant Rütlihaus.
Google verweist auf den Wikipedia-Artikel und die Informationen zur Rütliwiese von myswitzerland.com. Uri-Tourismus und das Restaurant Rütlihaus kommen auch hier vor.
Fazit: Ein leichter Vorteil für Google, aber keine Blamage für Tiger.
SRF
Tiger liefert den Link zu srf.ch an zweiter Stelle und in der Box rechts einen Hinweis auf SRF zwei, also die zweite Fernseh-Senderkette. Plus ganz zuoberst eine Erklärung der Dateiendung .srf, die angeblich bei Dateien des Typs UruWorks ViPlay Report zum Einsatz kommt.
Google liefert als obersten Treffer srf.ch, mit Direktlinks zum TV-Programm, den News, Play SRF und Sport, plus Informationen zum Unternehmen, SRF1 und SRF Dok.
Fazit: Google ist nützlicher – Tiger nicht völlig verkehrt, aber wiederum mit grossen Ausrutschern bei der Gewichtung.
Welches ist der beste Schweizer Käse?
Tiger: Der beste Schweizer Käse kommt aus Bassins, ein Beitrag von Gault Millau.
Google: Der beste Käse der Schweiz ist ein Gruyère d’alpage von «Food Aktuell».
Fazit: Zwei Artikel – aber beides Mal der gleiche Käse von Maurice und Germain Treboux. Die Auszeichnung gab es 2018 an einer Veranstaltung namens Swiss Cheese Awards. Da bleibt nur, ein Unentschieden auszusprechen. Und die Frage aufzuwerfen, ob beide Suchmaschinen richtig liegen oder ob beide keine Ahnung von Käse haben.
Ein abschliessendes Verdikt ergibt, das der Schweizer Herausforderer zwar interessante Ansätze bietet, aber alles in allem Google nicht das Wasser reichen kann – auch nicht bei einheimischen Themen. Und zumindest bei diesem Kernbereich, den Schweizer Inhalten, müsste Tiger die Konkurrenz abtischen, um relevant zu sein.
Denn wenn man als Neuling die Leute von einem bewährten Angebot weglocken will, reicht es nicht, ein wenig besser zu sein. Man muss klare und offensichtliche Vorteile bieten, damit die Leute sich einen Umstieg überlegen.
Der Swissness-Aspekt würde für manche Leute vielleicht ziehen. Aber dann ein Tiger als Maskottchen? Das passt überhaupt nicht – aber was blieb anderes übrig, nachdem die Kühe schon von Swisscows.com vereinnahmt worden sind.
Beitragsbild: Skeeze, Pixabay-Lizenz
Da “tiger.ch” im Impressum schreibt, dass sie meine Daten mit Facebook und Google verknüpfen, werde ich weiterhin “swisscows.ch” verwenden. . ..
Interessanter Hinweis! Auf der Homepage schreibt Tiger.ch: «Die Privatsphäre ist uns heilig! Wir geben keine Daten weiter und speichern Ihr Suchverhalten nicht.»
Ich nehme an, dass der Hinweis auf Google wegen Adsense erfolgt. Aber es stimmt schon: Wenn es um den Datenschutz geht, sind andere glaubwürdiger.