In unserer schönen Radiosendung Wir terminieren den Terminator haben wir von guten Vorsätzen gesprochen. Einer davon war, den Softwaregebrauch zu hinterfragen. Braucht man teure Programme, wenn es kostenlose Alternativen gibt? Ich komme mit einer Besprechung von Krita auf diese Frage zurück.
Krita ist ein Bildbearbeitungsprogramm, das laut Alternativeto.net hinter Gimp (hier und hier vorgestellt) als die beste Photoshop-Alternative gilt. Das Programm ist Open-Source, und kostenlos. Es existiert für Windows, Mac und Linux und wurde auch mittels Kickstarter-Kampagnen unterstützt.
Zwei Eigenschaften grenzen Krita von Photoshop ab: Erstens kann man das Programm zwar auch fürs Compositing und die Foto-Bearbeitung und -Retusche verwenden. Doch die eigentliche Stärke liegt beim digitalen Malen. Man hat eine grosse Zahl von Pinseln und anderen Mal-Instrumenten zur Verfügung. Das zeigt sich bei einem Rechtsklick auf eine Malebene: Es erscheint dann ein grosser, kreisrundes Bedienelement, das Pinsel für nasse und trockene Farben, Marker, Zeichenstifte, Airbrush, Radiergummi und Hintergrund- und Vordergrundfarbe bereithält. Man kann auch Texturen und Tinte, Musterstempel und viele andere Dinge über dieses Instrument steuern. Die Idee ist einleuchtend: Wenn man am Tablet malt, braucht man nichts anderes, um Malwerkzeug und Farben zu wählen.
Am besten mit Grafiktablet zu verwenden
Man wird schon beim ersten Start der Software darauf aufmerksam gemacht, dass man Krita am besten mit einem digitalen Stift, respektive mit einem Grafiktablet benutzt. Das ist gleichzeitig eine Einschränkung für diese Besprechung hier: Ich habe kein Grafiktablet, und wenn ich eines hätte, wüsste ich nicht vernünftig damit umzugehen. Ich bespreche Programme eher aus der Perspektive des Handwerkers: Also von jemandem, der Bilder nachbearbeitet und nicht von Grund auf neu erschafft.
Zweitens gibt es auffallend viele Vektorfunktionen (die über eine eigene Kickstarter-Kampagne finanziert worden sind). Solche sind in Photoshop zwar auch vorhanden. Doch sie werden nicht so ins Schaufenster gestellt, und Adobe holt längst nicht alles aus ihnen heraus, was möglich wäre: Klar, Photoshop soll sich vom hauseigenen Vektor-Bearbeitungsprogramm abheben und Illustrator nicht konkurrenzieren.
Die Entwickler von Krita müssen sich solche Gedanken nicht machen, weswegen Krita unterschiedliche Arbeitstechniken zulässt. Das zeigt sich einerseits bei den Arbeitsbereichen, die man via Fenster-Menü umschaltet: Es gibt hier vorgefertigte Bereiche für digitale Maler, für Illustratoren und für Animationen.
Vektor- und Pixelebenen
Und man sieht es bei den Ebenen: In der Ebenenpalette lassen sich diverse Ebenentypen einfügen: Nebst der normalen Malebene mit Pixeln gibt es Vektorebenen, Filterebenen, Füllebenen und Dateiebenen. Die Füllebene fügt eine Farbe oder ein Muster ein. Die Dateiebene platziert ein anderes Bild, das man als Vorlage fürs Abpausen bzw. Nachmalen nutzen kann.
Doch hauptsächlich dürfte man mit Mal-, Vektor- und Filterebenen arbeiten. Viele Werkzeuge verhalten sich unterschiedlich, je nachdem, auf welcher Ebene sie benutzt werden: Werden Rechteck, Vieleck, Bézier-Kurven und Freipfad auf eine Malebene angewendet, dann verschmelzen die Objekte sofort mit den Pixeln. So weit, so unspektakulär.
Wenn man sie auf einer Vektorebenen einsetzt, sieht es anders aus: Dann entstehen Objekte, die sich jederzeit weiterbearbeiten lassen: Mit dem Select Shapes-Tool verschiebt, skaliert und dreht man sie. Man kann sie damit auch einfach auswählen, wenn man sie mit Mustern, Farbflächen oder Verläufen füllen oder die Kontur verändern möchte. Mit dem Edit Shapes Tool passt man die Bézierknoten an und verändert bei Rechtecken die Rundung der Ecken und ähnliche Dinge. Durch die logischen Operationen kann man Objekte auch verschmelzen, voneinander abziehen oder teilen. Das erinnert natürlich an die Pathfinder-Funktion von Illustrator.
Nicht-destruktive Bearbeitungsmethoden
Manche Ebenentypen verraten, dass Krita Ambitionen bei der Bildbearbeitung hat. Die Filterebenen sind natürlich für die nicht-destruktive Nachbearbeitung gedacht: Man legt eine Ebene übers Bild, um Farben, Belichtung, Kontrast und ähnliche Dinge zu verändern. Und über die Ebene ist die Anpassung jederzeit modifizierbar.
Das Angebot an Filterebenen ist durchaus beeindruckend. Es gibt die neun Kategorien Anpassen, Künstlerisch, Weichzeichnen, Farben, Kantenerkennung, Relief, Verbessern, Karte und Weitere. In der Kategorie Anpassen findet man Nachbelichten, Farbabgleich, Cross-channel color adjustments, Sättigung vermindern, Abwedeln, HSV-HSL-Anpassung, Invertieren, Stufen, Farbanpassung, Schwellwert.
Diese Bezeichnungen sind nun nicht in jedem Fall selbsterklärend. Die Gradationskurve findet man etwa unter dem etwas unglücklichen Namen Farbanpassung. Und viele Dinge, die man aus Photoshop oder Lightroom kennt, gibt es nicht: Dynamik, Fotofilter, Verlaufsumsetzung (Photoshop) oder aber Klarheit, Teiltonung oder Lichter/Tiefen (Lightroom). Man muss hier im Vergleich zu diesen Programmen Abstriche machen.
Zusätzliche Möglichkeiten findet man bei den Ebenenstilen, die man via Kontextmenü beim Klick auf eine Ebene zuweist. Schattenwurf, Inner Shadow, Outer Glow, Inner Glow, Kontur, Textur, Farb-, Muster– und Verlaufsüberlagerung und Strich. Diese Ebenenstile sind praktisch, bei Photoshop aber leichter zu finden und zu benutzen.
Vektoren per Pixelmaske freistellen
Natürlich ist es auch möglich, die Ebenen zu maskieren. Wie man das tut, hängt wiederum von der Art der Ebene ab. Bei einer Mal- oder Vektorebene fügt man eine Transparenzmaske hinzu. Detail am Rand: Man kann tatsächlich eine Vektorebene mit einer Pixelmaske maskieren, was schon sehr praktisch ist. Zum Hinzufügen einer Transparenzmaske klickt man mit der rechten Maustaste auf die Ebene und wählt Hinzufügen aus dem Kontextmenü.
In diesem Menü finden sich neben der Transparenzmaske auch vier weitere Befehle, nämlich Filtermaske, Einfärben der Maske, Transformationsmaske und Lokale Auswahl – da muss man definitiv entweder das Handbuch konsultieren oder die einzelnen Möglichkeiten durchprobieren.
Bei einer Filterebene ist die Ebene die Maske. Das heisst: Man malt mit Weiss die transparenten Stellen und mit Schwarz die opaken. Das ist einerseits natürlich logisch, denn wozu sollte die Ebene sonst gut sein? Andererseits muss man erst einmal darauf kommen. Bei Photoshop sind die Masken immer an der gleichen Stelle zu finden, was die Sache leichter verständlich macht. Und man kann in Photoshop auch nur die Maske betrachten, was für die Bearbeitung enorm hilfreich ist. In Krita scheint das nicht möglich zu sein. Naja, vielleicht habe ich auch einfach nicht herausgefunden, wie es gehen würde – aber ich habe relativ lange gesucht.
Die reich ausgestattete Ebenenpalette
Für die Retusche und Kompositionen sind die Ebenen wichtig. Und da ist es ein Vorteil, dass die Ebenenpalette funktionell reich ausgestattet ist: Man kann seine Bildebenen in der Deckkraft verändern, mit sehr vielen Mischmodi versehen, beschriften, mit Farblabels ausstatten, duplizieren, sperren, ausblenden, gruppieren und mit einem Profil bestücken.
Doch das macht einen Nachteil nicht wett: Es gibt nur wenige Auswahlwerkzeuge: Rechteck, Ellipse, Vieleck, Umriss, Similar Color, Bézier und Zusammenhängender Bereich. Letzterer entspricht in etwa dem Zauberstab-Werkzeug. Doch Photoshop hat ungleich mehr zu bieten, namentlich das magnetische Lasso und das Schnellauswahl-Werkzeug. Die braucht man für die Bearbeitung von Fotos oft und intensiv und darum ist Krita diesbezüglich zu schwach bestückt.
Photoshop stellt auch den Befehl Auswählen und maskieren bereit, mit dem man schwierigere Motive freistellen kann. (Nutzer älterer Photoshop-Versionen kennen dieses Modul unter dem etwas seltsamen Namen Kante verbessern.)
Eine echte Empfehlung für Digitalmaler und -Illustratoren
Fazit: Fürs Malen und Illustrieren eine echte Empfehlung! Das Programm sieht ansprechend aus für ein Produkt aus dem Linux- bzw. KDE-Umfeld. Das meine ich jetzt nicht zynisch, sondern beziehe es darauf, dass die Entwickler freier Software ihre Ressourcen meist lieber in die Funktionen als in die Benutzerschnittstellen stecken.
Es läuft einigermassen flüssig und stabil – allerdings nicht so stabil, wie man es sich wünschen würde: Bei meinem Test ist es ein, zweimal hängen geblieben. Krita macht einen durchdachten Eindruck, auch wenn sich die Software in manchen Belangen deutlich von Photoshop unterscheidet.
Ich denke, Digitalmaler und Illustratoren werden das schätzen, klassische Bildbearbeiter eher nicht. Für die Retusche und Fotobearbeitung gibt es Einschränkungen und bei den Auswahl- und Maskierungswerkzeugen echte Mankos. Darum ist es keine echte Photoshop-Alternative – da bleibt man wohl doch bei Photoshop Elements oder Gimp hängen.
Die Stärken verorte ich beim Umgang mit den Vektoren und positiv zu vermerken sind die vielen Importformate (Gimp-Pinsel und -Bilder, SVG und Photoshop) und die Möglichkeit, das Programm zu scripten.
Beitragsbild: Kiki the Cyber Squirrel mascot of Krita (Tyson Tan/Wikimedia/Deviantart, CC BY-SA 3.0)