Das Bildbearbeitungsprogramm Gimp gilt in der Open-Source-Welt als Vorzeigeprojekt. Seit mehr als 14 Jahren wird es vorangetrieben (die erste Version ist sogar schon 1995) erschienen. Es bietet heute einen Umfang an Funktionen, den man sonst nur bei teurer Profi-Software findet. Und es gibt eine eingeschworene Nutzer-Community, die Anleitungen, bereitstellt, Wettbewerbe organisiert oder Podcasts produziert. (Auf gimpusers.de oder meetthegimp.org).
Gimp teilt jedoch auch die Nachteile einer klassischen Open-Source-Anwendung. Mit der Benutzerfreundlichkeit ist es nicht weit her. Die Benutzeroberfläche empfinden Windows- und Mac-Benutzer gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig – und darum existieren inzwischen auch so genannte «Forks», die das Erscheinungsbild an bekannte Programme angleichen. GimpShop imitiert die Oberfläche seines grossen Rivalen Adobe Photoshop und ist für viele Windows- und Mac-User deutlich einfacher zu benutzen, als das aus der Linux-Welt stammende Original.
Die beste Alternative zu Photoshop
Trotz dieser Mängel ist Gimp eine hervorragende Wahl für Leute, die sich Photoshop nicht leisten können oder wollen, und die bei Photoshop Elements Funktionen vermissen. Gimp bietet alle Features für die klassische Bildbearbeitung: Die Nachbearbeitung von Digitalfotos, Retuschearbeiten, Bild-Kompositionen, Freihandzeichnen und -Malen oder Webdesign – das alles ist Einsatzgebiete für die Software.
Nach dem Start (der direkt nach der Installation lange dauern kann), erscheint das Programmfenster, das links den so genannten Werkzeugkasten und rechts die Paletten für die Ebenen, Kanäle und Pfade anzeigt, ausserdem das Journal mit allen ausgeführten Befehlen und die Paletten für Pinsel, Muster und Farbverläufe.
Gut bestückte Werkzeugkiste
Im Werkzeugkasten gibt es 34 Werkzeuge. Es gibt natürlich Malwerkzeuge wie den Pinsel, die Sprühdose oder den Bleistift. Daneben sind Retuschewerkzeuge zum Weichzeichnen, Klonen von Bildbereichen Verwischen, Aufhellen oder Nachbelichten vorhanden. Wichtig sind die Selektionswerkzeuge für runde, rechteckige oder freie Bildselektionen. Das Massband nimmt innerhalb der Grafik Messungen vor. Es gibt ein Werkzeug zum Zuschneiden von Bildebenen, eines zum Skalieren, Verschieben zum Verformen einer Auswahl, ein Textwerkzeug, eine Lupe, und einige Werkzeuge mehr – beispielsweise das raffinierte Werkzeug namens Käfig-Transformation, mit dem sich ein ausgewählter Bildausschnitt unregelmässig verzerren lässt. Mit seiner Hilfe kann man beispielsweise eine grosse Nase in einem Portraitfoto subtil verkleinern.
Unter dem Werkzeugkasten sind die kontextabhängigen Einstellungen zu finden, die variieren, je nachdem, welches Werkzeug man ausgewählt hat.
Das wichtigste Bildbearbeitungsinstrument: Die Ebenen
Ein wichtiges Instrument für die Bildbearbeitung – egal, ob man nun Photoshop oder Gimp verwendet –, sind die Bildebenen. Sie sind für die Retusche- und Kompositionen oft unverzichtbar. Die Funktionen zur Ebenenbearbeitung in Gimp sind eindrücklich: Ebenen können nicht nur nach Gruppen organisiert werden, es ist auch möglich, die Deckkraft (Transparenz) von Ebenen zu steuern.
Über eine Ebenenmaske steuert man, welche Bereiche der Ebene sichtbar sind, und welche nicht: Die weissen Bereiche in der Maske bedeuten, dass die Ebene dort deckend ist. Schwarze Bereiche machen die Ebene transparent und über Graustufen lässt sich die Deckkraft graduell verändern. Über die Modus kann man die entsprechende Ebene ausserdem mit verschiedenen Methoden mit den darunterliegenden Ebenen verrechnen. Beim Modus Normal findet keine spezielle Verrechnung statt. 21 Modi sind vorhanden: Mit Nachbelichten hellt die obere Ebene die unteren auf. Bei Farbton werden nur die Farbwerte, nicht aber die Helligkeitswerte vermischt.
Bei Multiplikation hellen sich übereinander liegende helle Bereiche weiter auf und dunkle Bereiche führen zu einer weiteren Verdunkelung. Das erscheint wenig nützlich – aber erfahrene Bildbearbeiter verwenden diese Methode, um ein Bild kontrastreicher zu machen. Was gegenüber von Photoshop fehlt, sind die Korrektur- und Effektebenen. Sie ermöglichen es, die Farbe, Belichtung oder Sättigung auf reversible Weise anzupassen – man nennt das auch «nichtdestruktive» Bildbearbeitung. Und über die Effektebenen stattet man Objekte mit Schlagschatten, einer Kontur, glühenden Kanten oder einem Muster aus.
Wichtige Funktionen stecken in den Menüs Bild, Farben und Filter. Bei Bild passt man die Farbtiefe und die Auflösung an und kann die Bildfläche vergrössern oder verkleinern (über den Befehl Bild > Leinwandgrösse). Das Menü Farben hält die beiden wichtigen Befehle Werte und Kurven bereit. Sie entsprechen der Tonwertkorrektur und der Gradationskurve bei Photoshop, über die man Helligkeit, Kontrast und Farbgebung im Bild optimiert und verändert.
Das Menü Filter stellt eine Reihe von vorgefertigten Bearbeitungsmethoden zur Verfügung: Algorithmen zum Schärfen und Weichzeichnen, Mal-, Verfremdungs- und Vergröberungseffekte und vieles mehr. Im Filter-Menü steht auch die Möglichkeit zur Verfügung, Bildbearbeitungsaufgaben über Scripts zu automatisieren.
Der Einzelfenstermodus bringt Ordnung auf den Bildschirm
Die jüngste Version 2.8 stammt vom Mai dieses Jahres. Sie stellt neu eine Screenshot-Funktion zur Verfügung, mit der sich auch Fenster abbilden lassen, die grösser sind als der Bildschirm. Neu ist ausserdem der Single-Window-Modus, der die normalerweise frei schwebenden Werkzeugpaletten im Dokumentfenster andockt. Dieser Modus wird über Fenster > Einzelfenstermodus aktiviert.
Die «Homebase» des Projekts ist unter www.gimp.org zu finden. Dort wird auch auf die Versionen für Windows und Mac OS X verwiesen. Diese lädt man andernorts u.U. deutlich schneller und komfortabler herunter, beispielsweise bei heise.de oder partha.com.