Robocop zweipunktnull

Scott Meyer verbindet sympathische Hauptfiguren, spezieller Humor und schräge Handlungseinfälle. In seinem neuen Werk «The Authorities» begibt er sich ins Polizeimilieu, wo mittels schräger Gadges unlösbare Fälle aufgeklärt werden.

Scott Meyer, scheint ein Workaholic zu sein. Nach dem erst Ende August besprochenen Weltraumschwank «Master of Formalities» hat er mit The Authorities schon wieder ein neues Buch in petto.

Dieser Mann hat mit dem Bad-Boy-Image deutlich weniger Mühe als Sinclair Rutherford in Scott Meyers neuem Buch. (Bild: ardmediathek.de)

Ich habe es unbesehen gekauft und mit viel Vergnügen gelesen. Meyer gehört inzwischen zu den Autoren, deren Werke ich unbesehen klicke. Denn auch wenn nicht alle Bücher den gleichen Nerd-Esprit versprühen, sind sie alle äusserst unterhaltsam. Das Meyersche Erfolgsrezept ist simpel. Er sorgt für ein frühes Bonding zwischen den Hauptfiguren und dem Leser: Wenn einem die Figuren sympathisch sind, dann würde man auch über erzählerische Schwächen hinwegschauen – so, wie man gern mit guten Freunden zusammen ist, selbst wenn die wieder nur die gleichen ollen Kamellen erzählen.

Klar: Bonding als literarisches Erfolgsrezept ist eine oberflächliche Erklärung, die sogleich die Frage aufwirft, wie manche Autoren Figuren kreieren, die einem so ans Herz wachsen, dass man nach dem Zuklappen des Buchs eigentliche Verlustgefühle empfindet. Vielleicht wüsste Stephen King auf diese Frage eine Antwort, denn er ist ein Meister in der Erschaffung von Figuren, die man nicht mehr loslassen mag. Aber wenn er dafür nicht bloss ein Talent, sondern ein erklärbares Rezept hat, wird er das sicherlich erst auf dem Sterbebett preisgeben – also frühestens in 50 Jahren. (Wie ich inständig hoffe.)

In der Lebenswelt der Nerds verwurzelt

Der zweite grosse Pluspunkt von Meyers Bücher ist ein Humor, den man mögen muss – aber den sicherlich auch viele Leute mögen. Er ist trocken und zielt auf die menschlichen Schwächen. Aber eher mit liebevollem Spott denn mit ätzendem Zynismus, meistens jedenfalls. Seine Geschichten sind immer in der Lebenswelt von uns Nerds verwurzelt, auch wenn seit seiner «Magic 2.0»-Serie (1, 2, 3) dieser Aspekt etwas gedämpft wurde. Im neuen Buch geht es um den unerwarteten Youtube-Ruhm der Hauptfigur, Sinclair Rutherford. Er ist ein Nachwuchspolizist, der von seinen älteren Kollegen nicht wirklich ernst genommen wird.

Er stellt jedoch seine Scharfsinnigkeit unter Beweis, als er die Tatwaffe bei einem brutalen Mord erkennt: Es handelt sich um ein Sexspielzeug in Form einer Faust aus Chrom, die direkt zum Täter führt. Dieser Täter flüchtet und wird von Rutherford nach längerer Verfolgung gestellt. Ende gut, alles gut? Nicht ganz: Denn Rutherford wird während seiner Verfolgungsjagd gefilmt und landet umgehend erst auf Youtube und dann in den Abendnachrichten – schliesslich passiert es nicht alle Tage, dass öffentliche Auseinandersetzungen handfest und mithilfe von Sexspielzeug ausgetragen werden.

Wenn das A-Team auf Q trifft…

Nichtsdestotrotz wird Rutherford von einem geheimnisvollen Milliardär abgeworben. Er erhält einen Job in einem privatisierten Ermittlerteam namens «The Authorities», das in Seattle Fälle aufklärt, an denen sich die Polizei die Zähne ausbeisst. So eine Art A-Team, das mit allen technischen Möglichkeiten an die Fälle herangeht. Es gibt einen jungen Nerd, der wie Q Gadgets für die Truppe bastelt. Es gibt eine Ex-Polizistin, die in einem Unfall ihr halbes Gesicht verloren hat und mittels Helm und Prothesen zu einer Art Robocop 2.0 aufgerüstet wurde.

Es gibt einen Wissenschaftler, dessen Geheimwaffe Bienen sind, die ihren überlegenen Geruchssinn in den Dienst der Verbrechensaufklärung stellen. Und es gibt einen Holländer, der sich selbst für einen Agenten vom Format des Herrn Bond hält – und der eine ungeklärte Vergangenheit aufweist.

Sinclair Rutherford seinerseits muss feststellen, dass er nicht wegen seiner überragenden Fähigkeiten als Ermittler zum Handkuss gekommen ist, sondern weil er das öffentliche Image der Truppe befördern und prägen soll: Als Haudegen und Raubein, der sich um Konventionen schert und vom Typ her mit dem Herrn Tschiller aus dem Tatort Gemeinsamkeiten hat. Jedoch fühlt sich Sinclair Rutherford in dieser Rolle deutlich weniger wohl als Til Schweiger, was denn auch zu einer Reihe von Komplikationen führt…

Fazit: Ein locker-leichtes Buch, das Spass macht und in dem eine Helden-Saga angelegt ist, die die Polizeiarbeit ins kapitalistische, privatisierte 21. Jahrhundert katapultiert. Denn man darf gespannt sein, was der undurchsichtige Milliardär mit «The Authorities» wirklich vorhat…

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