Die Plattenindustrie ist doof

Die Musikindustrie hat sich Formate für die digitale Plattenhülle ausgedacht. Dabei fehlt es nicht an den technischen Möglichkeiten, sondern am Willen, die digitalen Audiodateien anständig aufzubereiten.

Bei Heise lese ich, dass wir demnächst mit zwei neuen Multimediaformaten beglückt werden. Das Format soll als digitale Albumhülle dienen und den Musikkunden als Anreiz dienen, wieder ganze Alben herunterzuladen und nicht nur das eine gute Stück. Diese wählerische Verhalten beim Musikkauf heisst übrigens «Cherry Picking», was mir ganz gut gefällt.

Das ist aber auch das einzige, was mir daran gefällt. Erst einmal ist mir schleierhaft, warum ein neues Format mich von der Rosinenpickerei abhalten sollte. Obwohl ich mich stolz einen Nerd nenne, habe ich tatsächlich noch kein einziges Musikstück gekauft, weil mir dessen Multimediaformat besonders gut gefallen hätte.

Warum nicht mehr Alben aus einem Guss produzieren?

Ausschlaggebend ist in solchen Fällen doch die Musik. Wenn die Plattenindustrie ein ernsthaftes Interesse an Verkäufen ganzer Alben haben sollte, dann soll sie Alben produzieren, die man gern am Stück hört. Ich bin ein erklärter Fan von Konzeptalben. The Wall, Nightfall in Middle-Earth, The Songs Of Distant Earth, solches Zeug kaufe ich gern und komplett.

Das Konzept der Plattenfirmen heisst nun aber CMX und soll irgendwie Albumcover und Begleittexte und solche Dinge enthalten. Dabei, bitteschön, gibts bei den Audioformaten (MP3 und AAC) längst die Möglichkeit, Bilder zu integrieren, ebenso Songtexte und Kommentare.

Es fehlt vor allem am Willen

Da fehlts nicht an den technischen Möglichkeiten, sondern am Willen der Anbieter. Die Metadaten der Stücke werden nicht sorgfältig gepflegt, im Gegenteil. Die Genrebezeichnung ist entweder Pop, Rock oder Alternative, als obs nicht noch ein paar andere Varianten gäbe. Eine verbindliche Schreibweise ist ebenfalls zu viel verlangt; sie ist aber nötig, wenn man seine Plattensammlung einigermassen ordentlich nach Stil sortieren will.

Einen Komponisten in das entsprechend benannte Feld zu schreiben, ist offensichtlich zu viel Aufwand. Auch steht wohl in keinem einzigen Song, den ich in iTunes gekauft habe, eine Angabe zur Sprache des Stücks. Die könnte durchaus praktisch sein, wenn man mal schnell herausfinden wollen würde, wie viele Rockstücke in deutsch man in seiner Sammlung hat. Die Lyrics ins entsprechende Feld zu schreiben, wäre ebenfalls ein sinnvoller Dienst am Kunden, wobei ich nicht mal so weit gehen will, synchronisierte Lyrics zu verlangen.

Warum nicht ein paar redaktionelle Informationen beigeben?

Ich bin auch nicht so dreist, dass ich vom Kommentarfeld irgendetwas erwarten würde. Obwohl man selbstverständlich hier informative Dinge reinschreiben könnte. Bei Titeln aus dem Backkatalog etwa: «Am 6. May 1983 als Single veröffentlicht, Nummer eins in Italien, Österreich, der Schweiz und Norwegen». Das würde übrigens für «Moonlight Shadow» von Mike Oldfield gelten.

Worüber ich mich aber nach jedem iTunes-Music-Store-Kauf in Grund und Boden ärgere, ist das «Jahr»-Feld. Kaufe ich beispielsweise At Folsom Prison von Johnny Cash, dann steht hier so etwas wie 2006 drin, weil das Album dann neu aufgelegt oder in iTunes reingestellt wurde, oder was auch immer. Aber, ehrlich, habt ihr noch alle Nadeln an der Tanne?

… pardon, die passende Beschimpfung ist in diesem Kontext natürlich: Habt Ihr noch eine Nadel an eurem Pickup? Es könnte mich nicht weniger interessieren, wann dieser Tonträger veröffentlicht wurde, zumal ich im iTunes gar keinen Tonträger kaufe, sondern Audiodateien. Also schreibt doch in Elvis’ Namen hin, wann das Album aufgenommen wurde! (1968.)

Das Booklet als PDF erfüllt den Zweck

Natürlich taugen die ID3-Tags nicht unbedingt für Informationen, die bei LPs auf der Hülle und bei CDs im Booklet stehen. Die kann man aber als PDF mitliefern, wie das beim iTunes Music Store bei manchen Alben schon längst gang und gäbe ist. Beim tollen Album La Radiolina von Manu Chao zum Beispiel gabs das Booklet digital als zwanzigseitiges PDF. Kann ich dann auch drucken, wenn ich will, ohne dass irgend ein neues Format nötig wäre.

Fazit: CMX ist so überflüssig wie ein «Hidden Track» bei einem Britney-Spears-Album. Und dennoch soll es sogar ein Konkurrenzformat von Apple namens «Cocktail» geben. Das nicht kompatibel zu CMX ist. Das ist so dämlich, dass ich hier und jetzt Lust zum Schwur verspüre, bis ans Lebensende kein einziges Musikstück mehr zu kaufen.

Noch ein Letztes: Wenn sich die Plattenfirmen schon nicht von den digitalen Alben abbringen lassen sollten, dann müssten sie wenigstens schauen, dass diese nicht so aussehen!

One thought on “Die Plattenindustrie ist doof

  1. da gebe ich dir voll recht, die hätten das geld um eine redaktion zu führen. diese könnte diese daten dann abfüllen aber so sehen die tags wie raubkopien aus.

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