Ein Angebot mit einem Gschmäckli

Amala hat mir einen Vor­schlag ge­macht, wie ich mit meinem Blog end­lich mal richtig Kohle schef­feln könn­te. Jetzt erfahrt ihr, ob ich darauf ein­steige – und für wen Amala ar­beitet.

Liebe Amala¹

Du hast mir im Verlauf des Februars fünf Mails geschickt. Der Inhalt war jedes Mal ungefähr der gleiche, doch ab der dritten Nachricht wurden deine Klage lauter, ich würde nicht zurückschreiben. Dabei geht es dir doch nur darum sicherzustellen, dass ich «eine grossartige Gelegenheit nicht verpasse».

Diese grossartige Gelegenheit ist eine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen, für das du als «Outreach Specialist» arbeitest und mir eine Teilnahme am Affiliate-Programm anbietest. Weil du so nachdrücklich auf einer Antwort bestehst, werde ich dir hier gern öffentlich erklären, warum ich die Zusammenarbeit ausschlage. Meine grundlegenden Prinzipien zu Kooperationen lege ich in meinem Rechenschaftsbericht dar.

Ich weiss, dass es kein guter Stil ist, auf private Mails öffentlich zu antworten. Allerdings geht dieses Thema auch meine Leserinnen und Lesern ganz direkt an. Denn ich halte das, was du machst, für fragwürdig. Wir müssen nachher diskutieren, ob Bestechungsversuch das passende Wort dafür ist.

Eine Provision in ungeahnter Höhe

Du bietest mir in diesem Affiliate-Programm eine «Provision von mindestens fünfzig Prozent pro Verkauf» an. Mit Verlaub, das ist so wahnsinnig hoch, dass ich misstrauisch werde.

Euer Produkt gibt es in vier Preisplänen, die 46, 110, 200 und 300 Euro pro Jahr kosten. Es gibt auch lebenslange Pläne, für die 250, 500 und 750 Euro zu berappen sind.

Mit anderen Worten: Ich könnte nicht nur ein Taschengeld verdienen, sondern Einnahmen im drei- bis vierstelligen Bereich generieren. Es liegt auf der Hand, dass die Art und Weise meiner Berichterstattung einen direkten Einfluss auf die Höhe dieser Einnahmen hätte. Es würde sich positiv auf mein Bankkonto auswirken, wenn ich mehrmals auf das Produkt zu sprechen käme und es in einem möglichst attraktiven Licht erscheinen liesse.

Ein Interessenkonflikt erster Güte

Mein Publikum hingegen erwartet, dass ich das Produkt nach seinem Nutzen und seinen Qualitäten beurteile. Nur dieser Aspekt sollte darüber entscheiden, was ich schreibe, wie ich schreibe, ob ich schreibe und wie viel Raum ich dem Produkt im Blog gebe. Ein Interessenkonflikt, wie er im Buch steht.

An dieser Stelle würden meine Leserinnen und Leser natürlich gern wissen, um welches Produkt es sich handelt. Und da ich mich ihnen verpflichtet fühle, sollte ich die Katze aus dem Sack lassen – meinst du nicht auch, Amala? Darf ich bekannt geben, für welches Unternehmen du arbeitest?

Natürlich darf ich das! Zumal ihr euer Affiliate-Programm selbst öffentlich macht und versprecht, als Teilnehmer könne man bis zu 299 Euro pro Verkauf verdienen. Ferner habe ich eine Presseanfrage an eure Medienstelle geschickt² und euch um eine Stellungnahme gebeten. Leider hat die Pressestelle nicht geantwortet.

Da staunt der darbende Blogger!

Top seriös, oder?

Also, liebe Amala, du arbeitest für Internxt.com, ein Cloud-Startup, das Sicherheit und Schutz der Privatsphäre herausstreicht, aber auf der About-Seite irgendwie vergessen hat, eine Postadresse anzugeben und zu sagen, wer hinter dem Unternehmen steckt³.

Zurück zur Frage, ob man deine Anfrage einen Bestechungsversuch nennen sollte oder nicht. Bei meiner Recherche habe ich herausgefunden, dass bei digitalen Produkten wie E-Books, Software oder Online-Kursen eine Provision zwischen dreissig und siebzig Prozent des Verkaufspreises üblich seien.

Das halte ich insgesamt für eine Fehlentwicklung, aber sie spricht natürlich für euch: Ihr habt die Masche nicht erfunden. Und überhaupt, ihr seid nicht schuld, wenn ein Journalist, eine Bloggerin oder ein Influencer der Versuchung nicht widerstehen kann und sich dafür entscheidet, euch toll zu finden, aber die Geschäftsbeziehung zu euch zu verheimlichen und seinem Publikum nichts von der lukrativen Provision zu erzählen.

Warum nicht unverfänglich?

Es bleibt meiner Meinung nach nicht zu bestreiten, dass euer Affiliate-Programm «es Gschmäckli» hat (oder ein Gschmäckle, wie das laut Wikipedia heisst). Warum die Provision nicht auf eine nicht-anstössige Höhe begrenzen? Warum den Testern nicht einfach einen kostenlosen Zugang anbieten?

Die «Netzwoche» tut sich damit nicht unbedingt einen Gefallen.

Das wäre nämlich auch in deinem Sinn, liebe Amala. Du bist es dir vielleicht nicht bewusst, aber mit diesem Affiliate-Programm macht ihr es einem Blogger wie mir und auf ihren Ruf bedachten Medien quasi unmöglich, über euch zu berichten.

Denn wer Produkt testet und beschreibt, setze sich dem Verdacht aus, dass er das nur wegen der Provision tut – sogar, wenn das nicht der Fall ist. Medien gefährden ihren Ruf als unabhängige, vertrauenswürdige Quelle im Netz, weil dieses Affiliate-Programm existiert. Ein Beispiel ist der Test auf netzwelt.de, bei dem mutmasslich ein Affiliate-Link Verwendung findet und der dadurch ebenfalls ein «Gschmäckli» bekommt.

Darum: Glaubt an euer Produkt. Gebt uns Journalistinnen, Blogger und Influencerinnen einen Anreiz, sich mit euch zu beschäftigen – aber seid euch bewusst, dass dieser Anreiz am besten in einem hervorragenden Produkt und nicht in einer verdächtig hohen Provision besteht.

Herzlich, Matthias

Fussnoten

1) Name von der Redaktion geändert. (Wollte ich schon immer mal schreiben!)

2) Die Fragen:

  • Warum ist diese Provision so hoch?
  • Ist Ihnen bewusst, dass eine so hohe Provision als Bestechungs- bzw. Korruptionsversuch gewertet werden könnte, zumal sie geeignet ist, sowohl die Intensität als auch die Tonalität der Berichterstattung zu beeinflussen?
  • Ist Ihnen bekannt, dass journalistische Standesregeln es verbieten, sich direkt am Umsatz beteiligen zu lassen oder irgendeine andere Form der Entschädigung für eine Berichterstattung entgegenzunehmen? Falls ja, warum haben Sie sich entschieden, diese Regeln nicht zu würdigen? Falls nein, sehen Sie den grundsätzlichen Sinn dieser Regeln ein, eine objektive, distanzierte und für die Leserinnen und Leser vertrauenswürdige Berichterstattung zu gewährleisten?
  • Um die Berichterstattung durch Journalisten und Bloggerinnen auf eine Weise zu unterstützen, die mit den Standesregeln vereinbar wäre, könnten Sie beispielsweise Testaccounts zur Verfügung stellen. Besteht diese Möglichkeit?

3) Ein schlüssiges Impressum mit Kontaktmöglichkeiten in der realen Welt ist eine unverzichtbare Massnahme zur Vertrauensbildung. Ich habe, nebenbei bemerkt, auch keine Datenschutzerklärung auf der Website gefunden. Das Mail von Amala hat als Absender internxt.es.

4) Der Link, den die «Netzwelt» bei der Schaltfläche «Zum Angebot» platziert hat (internxt.sjv.io/1rgdQd), verwendet am Ende eine alphanumerische Kennung, wie sie typisch für Affiliate-Links sind: Die enthalten jeweils einen Code. Dieser Code dient dazu, den Vermittler zu identifizieren, und er ist notwendig, dass die Provision ausgerichtet werden kann.

Die «Netzwelt» weist auf die Möglichkeit der Affiliate-Programme hin: «Für Links auf dieser Seite erhält ‹Netzwelt› ggf. eine Provision vom Händler». Doch das «gegebenenfalls» in dieser Formulierung lässt die Leserinnen und Leser im Unklaren, ob das bei dem fraglichen Link Fall ist. Besser wäre es, im Testbericht unmissverständlich festzuhalten, wenn ein Affiliate-Link gesetzt wurde.

Beitragsbild: Das könnte ich sein, wenn ich meine moralischen Ansprüche herabgeschraubt hätte (Finance and investing, Pixabay-Lizenz).

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