Für grosse Recherchen und passionierte Datensammler

Das Journalist Studio von Google ist eine Samm­lung von Werk­zeu­gen, die nicht nur me­diale Nach­for­schungen unter­stützen, son­dern für alle In­for­ma­tions­samm­ler von Nutzen sein können.

Wusstet ihr, dass Google eine Anwendung namens Journalist Studio unterhält? Bis ich neulich per Zufall dort gelandet bin, wusste ich es nicht¹ – obwohl ich Journalist bin und mich beruflich mit Google beschäftige. Aber lassen wir an dieser Stelle offen, ob das als Armutszeugnis für mich oder für Google gewertet werden muss.

Stattdessen sehen wir uns doch lieber dieses Studio an: «Eine Sammlung von Werkzeugen, die es Journalisten ermöglichen, ihre Arbeit effizienter, kreativer und sicherer zu erledigen», gibt es dort, so heisst es. Zu diesen Werkzeugen zählt das erweiterte Sicherheitsprogramm, das die Konten von exponierten Leuten schützt.

Zum Journalist Studio von Google gehört ein gutes Dutzend Werkzeuge.

Wie steht es um den Schutz vor staatlicher Neugierde?

Es schützt investigativ arbeitende Reporter genauso wie Whistleblower. Eine gute Sache. Allerdings fragt man sich als kritischer Medienmensch natürlich sogleich, ob derlei Konten auch einen speziellen Schutz vor staatlichen Zugriffen geniessen. Denn erinnern wir uns an den Google-Transparenzbericht. Dort gibt es den Abschnitt «Auskunftsersuchen zu Nutzerdaten».

Er macht keinen Hehl daraus, dass «eine Vielzahl an Gesetzen es Behörden weltweit ermöglicht, die Offenlegung von Nutzerdaten für zivilrechtliche, administrative, strafrechtliche und nationale Sicherheitszwecke zu beantragen». Was zumindest für Journalisten, die staatliche Missstände aufdecken, zum Problem werden könnte.

Aber zurück zu der Auswahl an Werkzeugen. Der Public Data Explorer habe ich mir gebookmarkt: Das ist eine Variante der Suchmaschine, die öffentliche Daten durchforscht; wobei die Auswahl nebst Eurostat und Weltbank überschaubar ist.

Pinpoint für grössere und kleinere Informationssammlungen

Nebst einigen weiteren Tools wie dem Data GIF Maker und den Data Commons ist Pinpoint ein Werkzeug, das ich abschliessend empfehlen will.

Das ist nämlich eine wirklich praktische Sache, gleichgültig, ob ihr nun Journalistinnen seid oder einem vernünftigen Broterwerb nachgeht. Bei Pinpoint laden wir eine grosse Zahl an Dokumenten hoch – mit dem Ziel, diese hinterher mit allen Mitteln der modernen Informationstechnologie auszubeinen. Pinpoint nimmt diverse Dateitypen entgegen, u.a. Mails, gescannte Dokumente, Formulare, Bilder und Handgeschriebenes.

Eine schnelle Suche über die zum Dossier gehörenden Dokumente.

Es ist möglich, Sammlungen für andere Leute freizugeben oder öffentlich zu machen. Teams können sich gemeinsam durch die Daten wühlen. Ich nehme an, dass Google sich vorstellt, dass internationale Rechercheverbunde mithilfe von Pinpoint an Projekten wie den Panama Papers, den Implant Files oder den Swissleaks arbeiten.

Personen, Organisationen und Orte

Da ich aktuell gerade nicht in so einer Recherche involviert bin, kann ich nicht beurteilen, wie gut die Software sich dafür eignet. Ich habe aber probehalber mein Recherchematerial der letzten Monate hochgeladen. Ich habe seit Jahren die Angewohnheit, das in Form von PDF-Dateien zu archivieren.

Pinpoint zeigt nach der Analyse automatisch die Namen der Personen und Organisationen an, die in den Dokumenten gefunden wurden, ebenso Standorte. Es gibt die Möglichkeit, eine Volltextsuche über die Datensammlung auszuführen und die Resultate nach den Datumsangaben innerhalb der Dokumente zu filtern.

Klicken wir einen Treffer an, erscheint eine Leseansicht in einem schnellen Viewer, wobei die Suchbegriffe schon markiert sind. Wir können dem Dokument ein Label zuweisen, Markierungen vornehmen und auch Links zu diesen Markierungen setzen: Bei Diskussionen zu einer Textstelle müssten wir die nicht zitieren, sondern könnten direkt auf sie verweisen.

Schneller suchen als mit Windows

Das alles macht einen nützlichen Eindruck – gerade auch im Vergleich zu den Möglichkeiten, die ich auf meinem Computer habe, wenn ich die Windows-Suche benutze. Die Suche ist schneller und zeigt à la Google-Suche etwas vom Kontext an, in dem der Suchbegriff auftaucht. Und eben: Es gäbe die Möglichkeit, die Datensammlung zusammen mit anderen zu verwenden.

Fazit: Ich würde auch Pinpoint nicht vorbehaltlos empfehlen, weil sich auch da im Fall von sensiblen Dokumenten die Frage stellt, ob man die bei Google deponieren will. Doch bei unverdächtigen Inhalten ist diese Anwendung auch für Nichtjournalisten einen Blick wert!

Und es zeigt sich, dass Google ein zweites Programm im Angebot hat, das die Idee von Pinpoint noch weiterspinnt. Das heisst Notebook LM, und ich stelle es im Beitrag Ein leistungsfähiges Recherche-Hilfsmittel vor.

Fussnoten

1) Allerdings kannte ich den Vorgänger: die im Beitrag Google hat ein Herz für uns Journis erwähnten Media­tools, die heute unter der Bezeichnung Google News Initiative laufen.

Beitragsbild: Und wo sind hier die entscheidenden Stellen? (Nothing Ahead, Pexels-Lizenz)

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