Kringeln, um zu suchen

iPhone-User haben Grund zur Eifer­sucht: «Circle to Search» ver­ein­facht die Web­suche am Android-Smart­pho­ne massiv. Aller­dings hat dieses neue Google-Feature auch etliche Schat­ten­sei­ten.

Android hat in letzter Zeit keine grossen Sprünge gemacht. Mit Ausnahme einer Neuerung, die mir ausnehmend gut gefällt: Sie heisst Circle to Search, wurde im Januar eingeführt und ist ein heisser Kandidat für meine Liste mit den Dingen, die Google Apple voraus hat.

Es gibt auch einige Dinge, die mir nicht gefallen. Eine davon besteht darin, dass Google die Funktion nicht für alle kompatible Telefone zur Verfügung stellt, sondern, Zitat Google, nur «ausgewählten Premium-Android-Smartphones» angedeihen lässt. Dazu zählen derzeit bloss die Galaxy S24-Serie von Samsung, das Pixel 8 und das Pixel 8 Pro. Letzteres habe ich als Testgerät zur Verfügung und konnte damit das neue Feature ausprobieren.

Weitere Kritik folgt am Ende. Hier soll es erst einmal um die Funktionsweise von Circle to Search gehen: Android-Nutzerinnen und -Nutzer sollen unkompliziert eine Websuche starten können, ohne erst zum Browser, einem Suchprompt oder einem Kontextmenü wechseln zu müssen.

Wie die Funktion verwendet wird, hängt vom Telefon ab:

  • Bei Modellen mit einem Home-Knopf drücken wir den lange.
  • Bei Modellen ohne einen solchen Knopf tippen wir mit dem Finger lange auf den sogenannten Navigationsziehpunkt. Das ist das weisse Bälkchen am unteren Bildschirmrand, das wir nach oben geschoben schieben, um zum App-Switcher zu wechseln. In Englisch heisst es übrigens navigation handle.

Nun erscheint am unteren Rand das Google-Suchfeld, über das wir einen Suchbegriff eingeben, die Spracherkennung starten oder mittels Google Lens eine visuelle Suche nach einem Objekt durchzuführen, das wir vor unserer Smartphone-Kamera haben.

Es funktioniert mit Buchstaben und Pixeln

Das bei Spotify angezeigte Cover wird von Google Lens für die Websuche benutzt.

Wir müssen aber nicht unbedingt tippen. Stattdessen können wir auch einfach per Finger einen Kreis auf dem Bildschirm ziehen. Wenn wir den Kringel um eine Textpassage machen, dann wird sie als Anfrage an Googles Suchmaschine geschickt. Wird ein Bild oder ein Bildausschnitt eingekringelt, dann kommt Google Lens zum Zug.

Das ist einfach, elegant und funktioniert in fast allen Lebenslagen – auch bei Apps, bei denen der Text, an dem wir interessiert sind, nicht markierbar ist. Im Vergleich dazu wirkt die Suchmethode beim iPhone archaisch: Dort müssen wir Text über die sogenannten Aktivpunkte markieren und dann über das Pop-up-Menü und den Befehl Im Web suchen an die Suchmaschine weiterleiten. Mit Pixel-Inhalten funktioniert es nicht direkt, sondern nur über den Umweg eines Screenshots.

Mehrere Dinge stören

Aber ich hatte Kritik angekündigt: So praktisch diese Funktion ist, dient sie auch dem Zweck, Googles Suchmaschine enger mit Android zu verzahnen. Für mich liegt die Vermutung nahe, dass Circle to Search auch eine Reaktion auf ChatGPT, Copilot, Perplexity und Claude ist: Die Versuchung ist da, sie als Alternative zur Suchmaschine zu verwenden. Doch da Googeln viel schneller vonstattengeht und Circle to Search einen zusätzlichen Geschwindigkeitsvorteil herausholt, bleibt die klassische Methode weiterhin konkurrenzfähig.

Schliesslich stellt sich die Frage, ob Circle to Search in der heutigen Form nicht dem Gesetz über digitale Märkte widerspricht. Die EU will mehr Fairness beim Wettbewerb und verlangt von den grossen Tech-Unternehmen, den Gatekeepern, dass sie sich für die Konkurrenz öffnen. Das bedeutet für mich klar, dass Nutzerinnen und Nutzer von Android-Geräten die Möglichkeit haben müssten, die Suchmaschine zu ändern. Mit der Kringel-Methode müsste sich auch mit alternativen Suchmaschinen wie Duck Duck Go, Bing, Ecosia, Swisscows oder Qwant recherchieren lassen.

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