Das hier hat nichts mit Elefanten zu tun

Ein kritischer Kommentar zur Übernahme von Sunrise durch Liberty Global – und die Erklärung, weswegen dieses Ereignis weder etwas mit Dickhäutern zu tun hat, noch in einem Standesamt stattfindet.

Der Wochenrückblick ist nach einer kurzen, ferienbedingten Pause zurück. Und natürlich komme ich diese Woche nicht um die grosse Übernahme im Schweizer Telekommarkt herum: Der britisch-amerikanische Breitbandanbieter Liberty Global will die Nummer zwei im Schweizer Mobilfunkmarkt kaufen. Sunrise. 6,8 Milliarden sollen dafür aufgewendet werden.

Liberty Global ist ein ziemlicher Moloch: Laut Wikipedia machte er 2019 einen Umsatz von 11,5 Milliarden US-Dollar, hatte 20’600 Angestellte und war in sechs Ländern tätig: In Deutschland betreibt er Unitymedia, in Österreich besass er phasenweise UPC Austria und in der Schweiz ist er die Mutter des Kabelnetzbetreibers UPC.

Es geht bei dieser Übernahme um Grösse: Das neue Unternehmen soll besser in der Lage sein, der Nummer eins im Markt, der Swisscom, Paroli zu bieten. Das war schon letztes Jahr das Ziel, als eine Fusion der beiden Unternehmen geplant war. Diese Pläne sind im Oktober 2019 geplatzt, weil der Hauptinvestor bei Sunrise, die deutsche Freenet, dagegen war. Nun soll es unter veränderten Vorzeichen gelingen.

Unterschiedliche Bewertungen

Ich finde interessant, wie unterschiedlich diese Übernahme bewertet wird. SRF findet sie richtig und sinnvoll:

Die UPC Schweiz wäre allein kaum mehr richtig auf die Füsse gekommen und einen anderen Käufer hätte Liberty Global vermutlich nicht gefunden. Denn die UPC Schweiz war mit all ihren Problemen keine attraktive Braut.

Die NZZ hält es für einen logischen Befreiungsschlag und erklärt, beide Parteien würden mitbringen, was dem anderen fehlt:

Sunrise verfügt zwar über ein ausgezeichnetes Mobilfunknetz, muss sich aber in den Festnetzen von Swisscom und den Energieversorgern einmieten, um Internet-Abos anbieten zu können. UPC Schweiz erreicht mit dem Kabelnetz rund 70 Prozent der Haushalte, besitzt aber kein eigenes Mobilfunknetz.

Das ist die Perspektive von Wirtschaftsjournalisten. Und interessanterweise deutet die NZZ selbst an, dass die Sichtweise der Nutzer eine andere ist und die Übernahme durch Liberty Global der UPC – die damals, 2005, noch Cablecom hiess – für die Kunden nicht sonderlich positiv war:

Lange schien Liberty Global in der Schweizer Tochter eine Art Geldautomat zu sehen. Die Investitionen wurden bei UPC Schweiz vernachlässigt; oberste Priorität hatte ein möglichst hoher Cashflow.

Was nichts anderes bedeutet, dass auf allen Produkten eine möglichst hohe Gewinnmarge liegt. Und so kam man sich als Cablecom- bzw. UPC-Kunde auch lange Zeit vor – als einer, der für eine annähernd unbrauchbare TV-Box jeden Monat eine stolze Summe abdrückt.

Für Kunden nicht unbedingt ein Vorteil

Um zur ersten Aussage aus der NZZ zurückzukehren: Für uns Kunden ist es gleichgültig, ob unser Kabelnetzanbieter auch ein Handynetz hat oder umgekehrt. Es gibt keinen Grund, nicht ein Handy-Abo von Sunrise und einen Kabelanschluss bei der UPC zu haben.

Ja klar: Als Kunde profitiert man beim Kauf von Bündel-Angeboten zwar von Rabatten. Aber die Wahrscheinlichkeit ist recht gross, dass in diesen Rundum-Glücklich-Paketen Dinge stecken, die man nicht benötigt, für die man dann aber trotzdem bezahlt. Hilft es uns da, wenn diese Päckchen immer noch umfangreicher werden? Zur Erinnerung: Früher sprach man von Triple-Play, als Fernsehen, Festnetz und Internetzugang gebündelt wurden. Kommt noch Mobilfunk dazu, landet man beim Quadruple Play – und bei sehr dicken Bundles.

Andersherum belebt Konkurrenz bekanntlich das Geschäft. Wenn die Zahl der Konkurrenten sinkt, dann werden auch die Auswahlmöglichkeiten weniger. Es ist nicht anzunehmen, dass es die beiden Digitalfernseh-Angebote von Sunrise und UPC mittelfristig parallel erhalten bleiben – auch wenn nicht klar ist, welches sich durchsetzen wird.

«Die Konkurrenz spielt nur vordergründig»

Die Stiftung für Konsumentenschutz warnt jedenfalls vor einem teuren Duopol aus Swisscom und Sunrise:

Die Situation kennen die Konsumentinnen und Konsumenten bereits vom Detailhandel: Zwei grosse Unternehmen teilen sich den Markt ohne grossen Preiswettbewerb unter sich auf. Die Konkurrenz spielt mit einem solchen Duopol nur vordergründig, weil die anderen Marktteilnehmer der Dominanz der grossen Zwei zu wenig entgegensetzen können.

Dieser Hang zur Grösse ist ein urkapitalistischer Instinkt – denn wer dominiert, kann die Bedingungen diktieren und braucht nicht durch Qualität zu überzeugen. Darum wäre das eine gute Gelegenheit, über eine alte Idee nachzudenken, die ironischerweise von einem Ex-Chef von Sunrise aufgebracht wurde und durch eine Twitter-Diskussion neu belebt worden ist.

Christoph Brand hatte die Idee, die Swisscom zu verkleinern und das Netz in ein Unternehmen auszugliedern, das er Kabel und Schacht AG nannte.

Zugegeben; es ging ihm dabei nicht darum, den Konkurrenten aufzuspalten oder zu enteignen – Brand wollte vielmehr Transparenz bezüglich der Kosten auf der sogenannten letzten Meile zum Hausanschluss. Und auch Christoph Brand war Fusionen nicht abgeneigt: Er hat vor zehn Jahren Sunrise verlassen, nachdem die Fusion mit der Nummer drei im Mobilfunkmarkt (damals Orange, heute Salt) gescheitert war.

Der Bund könnte die Innovation fördern

Mir ist die Idee trotzdem sympathisch. Ein solches Unternehmen wäre sinnvollerweise im Besitz des Bundes und für alle Anbieter offen. Er würde es auch kleinen Unternehmen erlauben, mit ihren innovativen Ideen und Produkten zu punkten, statt nur mit der Vorherrschaft über die Infrastruktur.

PS: Können wir damit aufhören, solche Ereignisse als «Elefantenhochzeiten» zu betiteln? Das haben hier die Luzerner Zeitung, hier Watson und hier der Blick getan. Bei SRF stand der Begriff hier ursprünglich im Titel, wurde von einem klugen Kopf jedoch rechtzeitig wegredigiert.

Diese Elefantenhochzeiten bereitet zwar wahrscheinlich der Floskelwolke eine grosse Freude. Aber erstens handelt es sich um einen Euphemismus, der der Sache eine unangemessene Niedlichkeit verleiht. Und zweitens ist der Begriff auf eine Fusion gemünzt, bei einer Übernahme aber gänzlich unpassend – es sei denn, man will sich hier unterschwellig für Zwangsheiraten aussprechen.

Beitragsbild: Pixabay, Pexels-Lizenz

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