Spotify hat fünfzig Millionen Abonnenten und 100 Millionen Hörer weltweit. Und um die dreissig Millionen Songs, plus zwei Milliarden Playlists. Mit anderen Worten: Drei Nutzer müssen sich einen Song teilen – da ist das ganze Repertoire innert Kürze durchgehört. Sollte man meinen.
Dem ist aber nicht so. Denn natürlich wird die Musik nicht gleichmässig genutzt. Es gibt wenige Tracks, die viel gestreamt werden und andere, die unbenutzt herumliegen. Gizmodo hat herausgefunden, dass vier Millionen Songs noch überhaupt niemals je gespielt worden sind. Das war allerdings 2014, und in der Zwischenzeit dürfte sich die Zahl markant verringert haben.
Dank forgotify.com. Dieser Dienst spielt Songs, die noch keiner je gehört hat – zumindest auf Spotify. Möglich, dass die Titel auf Tonträger erschienen sind und dort ein massives Publikum haben. Und es einfach so ist, dass diese Songs nicht besonders «streamable» sind. Das ist nicht ganz unwahrscheinlich. Denn viele Leute nutzen Spotify wie ich und hören sich gerne den Mix der Woche an.
Die Wiedergabelisten sind das A und O für den Vorschlags-Algorithmus
Die Songs dort werden von magischen Algorithmen ausgesucht. Doch die funktionieren statistisch: Spotify wertet die Hörer-Playlists aus, von denen es, wie erwähnt, schätzungsweise zwei Milliarden gibt:
Die Verbindung zwischen den Daten von zwei Milliarden Wiedergabelisten und Ihrem persönlichen Geschmacksprofil wird von den Algorithmen von Spotify hergestellt. Dies ist die geheime Zutat, und sie wird schnell kompliziert.
Die Spotify-Ingenieure haben Anfang des Jahres in einer Präsentation viele der technischen Details erläutert. Zu ihren Ansätzen gehören die kollaborative Filterung, die vor allem in Amazons «Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch…»-Funktion zu finden ist, und die Verarbeitung natürlicher Sprache, mit der Echo Nest Musikblogs und die Titel von Wiedergabelisten versteht. Das Unternehmen verwendet die Open-Source-Software Kafka, um die Daten in Echtzeit zu verwalten.
Das heisst, dass ein Song, der nie gehört wurde und dementsprechend auch in keiner Wiedergabeliste steckt, auch nie vorgeschlagen wird. Songs in vielen Playlists dagegen kommen häufiger in Umlauf: Erfolg führt zu noch mehr Erfolg. Denn der Teufel scheisst auf den grössten Haufen.
Manches wird nicht zu Unrecht nicht gestreamt
Möglich, aber nicht sonderlich wahrscheinlich. Wenn man sich die Songs bei Forgotify.com anhört, ist man doch bemüssigt, immer mal wieder zügig weiterzuwechseln. Und das dürfte dazu führen, dass der fragliche Song weiterhin als ungehört gilt. Man muss einen Song nicht zu Ende hören, damit der Künstler sein Geld bekommt. Wie lange die nötige Hördauer ist, habe ich nicht eindeutig eruiert, aber hier ist die Rede von dreissig Sekunden. (Was irgendwie auch keinen Sinn ergibt, weil bei manchen Songs da noch nicht einmal das Intro durch ist. IMHO müsste man einen Anteil der Gesamtlänge nehmen, z.B. 50 Prozent.)
Ich finde es jedenfalls schade, dass Spotify die «Streamcounts» nicht ausweist und generell keine Daten aus der Community für mich als Nutzer zugänglich macht.
Es wäre doch grossartig, könnte man zum Beispiel nach Songs suchen, die von mehr als hundert Leuten favorisiert oder in einer Playlist gespeichert worden sind, deren Streamcounts aber kleiner als 1000 (oder meinetwegen 10’000) ist: Das wären dann die echten Trouvaillen, die von der Mehrheit ignoriert, von einer kleinen Minderheit aber heiss geliebt werden. Ich bin mir sicher, dass da wunderbare Songs mit dabei wären: Schräg, sperrig, aber zum heiss und innig Liebhaben.