Am Samstag war ich am Hörerfrühstück von Tim Pritlove in Zürich. Wie nach den Twintibar-Abenden dachte ich auch nach diesem fröhlichen Jamboree, dass man solche Treffen viel häufiger abhalten sollte. (Auch wenn es natürlich immer daran scheitert, dass alle notorisch viel zu wenig Zeit für alles haben.)
Ich habe einige Leute getroffen, die ich bereits von Twitter kannte, was ich auch dieses Mal sehr schätzte. Geht es nur mir so oder sind Twitterer im richtigen Leben nie genauso, wie man sie sich vorgestellt hat?
Was Tim angeht, war der zu hundert Prozent authentisch; nämlich genauso, wie in seinen Podcasts auch. Irritierend war allerdings diese Interaktivität. Als Podcast-Hörer ist man es sich einfach nicht gewohnt, dass die iPod-Stimme plötzlich auf Fragen eingeht und obendrein eine körperliche Präsenz besitzt. Podcaster existieren als doch nicht nur als Stimme in meinem Kopf, die zu reden beginnt, sobald man sich die Stöpsel in die Ohren gesteckt hat…
Es war spannend zu hören, wie und wann manche Leute ihre Podcasts konsumieren (Stichwort: Lokführer und Rheinschifffahrt). Und ich durfte in nostalgischen Digitalk-Erinnerungen schwelgen.
Die Schweiz ist eine Insel
Ernüchternd war der Blick auf die Schweizer Podcast-Szene. Wir hören hierzulande zwar viele Podcasts aus Deutschland, werden umgekehrt aber ausserhalb unseres Landes überhaupt nicht wahrgenommen. Das ist aufgrund der semipermeablen Sprachbarriere gar nicht anders zu erwarten. Aber trotzdem ist es frustrierend. Ein Lichtblick war Rico, der die podunion.com vorgestellt hat.
Das ist eine Initiative, die bei der Formation einer Schweizer Podcast-Szene helfen will – ohne Vereinsmeierei, wie Rico betonte. Das scheint mir ein vielversprechender Ansatz, zumal wir Schweizer Podcaster nicht nur ein Sprachproblem haben, sondern auch in den Podcastverzeichnissen untergehen. Immerhin, und das war ein weiterer Lichtblick, war Martin von vemedio.com vor Ort, der Instacast entwickelt. Das ist der in diesem Blog auch schon vorgestellte, hervorragenden Podcast-Client für iOS, und er schien meinem Vorschlag für eine Filtermöglichkeit nach Land nicht abgeneigt. Auch für Österreich wäre eine solche Funktion sinnvoll, meinte Tim.
Die optimale Länge: Ein Zankapfel
Einer der grossen Diskussionspunkte war die ewige Frage um die optimale Länge der Podcasts – und da kam die Idee auf, dass Instacast eine Sortierungsmöglichkeit nach Länge bieten müsste. Das Publikum war bei dieser Frage zweigeteilt. Die eine Hälfte sprach sich für Kürze aus. Ich zähle mich wie hier begründet auch zu dem Lager. Es gibt aber auch die Fraktion, der die Podcasts nicht lang genug sein können. Tim wies zu recht darauf hin, dass die Kapitelmarken diese Frage entschärfen. Man kann Passagen, die einen nicht übermässig interessieren, überspringen und so eigenhändig für eine Verkürzung zu langer Sendungen sorgen.
Die Podlove-Initiative will die technischen Grundlagen verbessern
Kapitelmarken sind unverzichtbar; darum haben Roger und ich schon 2006 den Digitalk als Extended Podcast produziert. Apples AAC-Format hat sich nun aber offensichtlich nicht durchgesetzt, und darum scheinen mir die Podlove Simple Chapters eine begrüssenswerte Verbesserung. Tim hat kurz die Fortschritte der Podlove-Initiative geschildert die gerade eine recht erfolgreich verlaufene Funding-Runde hinter sich hat und die technischen Grundlagen für die Podcast-Produktion und -distribution verbessern soll. Eine Idee, die ich gern sehen würde, wären Kommentare, die an bestimmten Passagen im Podcast festgemacht wären – wie die zeitabhängigen bei Soundcloud, die sich an Kapiteln oder an inhaltlichen Abschnitten im Podcast orientieren könnten.
Fazit: Ein interessanter Morgen – und das Frühstück im Cafe Gloria ist echt üppig!
Was gibt es denn überhaupt an hörenswerten Schweizer Podcasts?
Ich kenne und höre momentan zwei: SpektisCH (http://www.skeptiker.ch/category/podcast/) und DeimHart (http://deimhart.net/). Diese Podcasts zeichnen sich durch verständliche Sprache, gute Tonqualität, regelmässig erscheinende Folgen und gezielte Themensetzung aus. Andere Schweizer Podcasts habe ich bislang jeweils wieder abbestellt.
Und klar, wer ausserhalb der Deutschschweiz gehört werden möchte, muss die Sprache des Zielpublikums sprechen. Für einen Podcast, der ein Publikum im ganzen deutschen Sprachraum ansprechen möchte, bedeutet das Deutsch. Die beiden oben erwähnten Podcasts zeigen, dass dieses Deutsch durchaus auch schweizerische gefärbt sein darf. Chancenlos sein dürften hingegen noch mehr unstruktierierte Bla-Bla-Podcasts sowie Tech-Podcasts ohne speziellen Bezug zur Schweiz – von beidem gibt es aus Deutschland und auf Englisch schon mehr als genug.
Das Dilemma liegt darin, dass man einen Heimvorteil verspielt, wenn man in Hochdeutsch sendet. Man wirkt authentischer, wenn man schwatzt, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Wenn man ganz viel Zeit hat, könnte man eine Version mit dem lokalen Charme und eine internationale Fassung machen. Und dann noch eine in englisch und französisch…