Die neue Outloook-App ist ein ziemlicher Autounfall

Crash auf der Datenautobahn: Die neue Outlook-App zeigt, dass Microsoft die Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzern inzwischen reichlich egal sind.

Microsoft hat die Drohung wahr gemacht und den beiden Windows-Apps Mail und Kalender den Stecker gezogen. Stattdessen beglückt uns der Konzern mit einer App namens «Das neue Outlook». Das ist ein Programm, das Kalender und Mailprogramm vereint, eine (einigermassen) überschaubare Oberfläche und einen neuen Namen hat, der gleichzeitig alt und vorbelastet ist.

Aber fangen wir einmal mit den erfreulichen Dingen an:

  • Das neue Outlook (oder «Outlook», wie es offiziell heisst) hat einen sortierten Posteingang, der unter Relevant die wichtigen Mails aufführt. Die weniger wichtigen Mails landen unter Sonstige. Am Anfang funktioniert die Unterscheidung schlecht. Aber wenn wir manuell eingreifen, lernt die App dazu – und nach einigen Wochen ist die Sortierung brauchbar.
  • Über das Symbol Erneut erinnern (mit der Uhr) schaffen wir nicht dringliche Mails erst einmal aus der Inbox. Sie tauchen zum angegebenen Zeitpunkt automatisch wieder auf.
  • Der Funktionsumfang ist grösser als bei den beiden vorherigen Apps, die nur die absolut nötigsten Features aufweisen konnten. Einschränkung: Es sollte eine Funktion zum verzögerten Senden geben, die ich in der aktuellen Version auf meinem Computer aber nicht gefunden habe.
Eine Idiotie am Rande: Die Hilfe zeigt Informationen zu einer völlig anderen Version von Outlook an, die überhaupt nicht relevant sind.

Damit sind die erfreulichen Aspekte auch schon abgehakt. Dieses neue Outlook ist absolut unbrauchbar, zumindest, was meine Ansprüche angeht:

Microsoft gängelt die Windows-Nutzerinnen und -Nutzer

Es ist wiederum ein Werbe-Vehikel für Microsoft 365 und Onedrive; diese Apps erscheinen in einer Leiste am linken Rand, die sich nicht ausblenden lässt. Kann es dieser Konzern nicht akzeptieren, dass es Leute gibt, die einen Windows-PC ohne weitere Microsoft-Produkte nutzen wollen?

Gegen eine tiefe und auf Wunsch deaktivierbare Integration wäre nichts zu sagen, aber noch eine Möglichkeit, Word zu starten, brauche ich wirklich nicht.

Keine Möglichkeit für die Nutzung offline und lokal

Das neue Outlook ist eine verkappte Webapp. Offline funktioniert es nicht. Ob sich das innert nützlicher Frist ändern wird, ist mir nicht klar. Im September 2023 habe ich den Hinweis gefunden, «Unterstützung für elementare Mail-Sortierung (triage) und -Erstellung» werde bald verfügbar sein. Das ist zu wenig und zu spät. Denn um jetzt umzusteigen, bräuchte es diese Features und einige mehr schon jetzt.

Abgesehen davon geht es mir gar nicht darum, in einem Funkloch eine Nachricht schreiben zu können. Offline heisst vor allem auch, dass die Mails lokal auf dem Computer vorgehalten und organisiert werden können. Ich zähle dazu eine Ablage auf meinem Computer, in die ich Mails verschieben kann, die ich nicht in der Wolke haben will. Ich empfehle das nachdrücklich, und nutze deswegen Thunderbird, wo diese Möglichkeit zentral ist.

Eine solche lokale Speicherung hat mehrere Ziele:

  • Wir können Nachrichten von Servern entfernen, wenn sie dort nicht mehr benötigt werden. Das erhöht den Schutz unserer Privatsphäre, weil bei Datenlecks oder Zugriffen durch Behörden weniger Informationen abfliessen.
  • Wir haben ein lokales Archiv zur Selbstdokumentation, das Jahre oder Jahrzehnte zurückreicht.
  • Wir führen selbst eine Sicherung unserer Mails durch und reduzieren dadurch die Abhängigkeit von der Cloud und von den Drittanbietern.

Kein Pop3

Die neue Mail-App unterstützt Microsoft 365, Gmail, Yahoo, iCloud und Imap. Das deckt viel ab, aber eben: Es fehlt das klassische Pop3-Protokoll. Ob das noch relevant ist, lässt sich schwer sagen.

Auf Reddit finden sich diverse Leute, die es bewusst einsetzen. Die erwähnte lokale Speicherung wird u.a. als Grund angegeben: Der Server ist bei Pop3 nur eine Zwischenstation, und das erhöht die Sicherheit und die Privatsphäre.

Ausserdem dürfe es sicher noch massig kleine Mailprovider geben, die nie aufgerüstet haben. Und was bei aller Altertümlichkeit für Pop3 spricht: Es ist sparsam, was den Datenverbrauch angeht, und es ist unkompliziert.

Last but not least: Datenschutzbedenken

Edward Komenda von Proton – dem Schweizer Mailanbieter und Microsoft-Konkurrenten – schreibt in einem Blogpost:

Jeder spricht über die Datenschutzkampagnen von Google und Apple, die Ihre Online-Daten auswerten, um Werbeeinnahmen zu erzielen. Aber jetzt sieht es so aus, als wäre Outlook nicht mehr nur ein E-Mail-Dienst, sondern ein Datenerfassungsmechanismus für Microsofts 772 externe Partner und ein Werbesystem für Microsoft selbst.

Diese Zahl von 722 Partnern stammt aus dem Dialog, der bei der Installation oder Aktivierung angezeigt wird. Zumindest gemäss dem Proton-Blogpost; ich habe diesen Dialog selbst nie gesehen.

Hunderte von Werbepartnern wollen Daten sammeln.

Ich vermute, dass das daran liegt, dass ich ein aktives Microsoft-365-Abo habe: In diesem Fall gibt es keine Werbung in der App; und ich vermutlich auch deutlich geringere Weitergabe von Tracking-Daten an Dritte. In den Einstellungen unter Allgemein > Einstellungen für Werbung findet sich aber die Liste mit den Werbepartnern, die bei mir allesamt deaktiviert sind.

Von was für «Erfahrungen» schafelt Microsoft da bloss?

Allerdings ist in den Datenschutz-Einstellungen von einer «optimalen verbundenen Erfahrungen» die Rede. Was mit diesem maximal wolkigen Begriff gemeint sein soll, erklärt Microsoft nicht näher, was ich zum Anlass genommen habe, die Funktion abzuschalten.

Komenda kommt in seinem Blogpost zu folgendem Schluss:

Diese neueste Version von Outlook bestätigt, dass die Gewinnmargen von Big Tech immer mehr von der Sammlung Ihrer persönlichen Daten abhängen. Outlook fordert Sie auch auf, zu wählen, wie die Werbung auf Ihrem Bildschirm aussehen soll, was deutlich macht, dass Werbung ein wichtiger Teil des Geschäfts ist.

Das ist leider nicht alles: Es gibt noch weitere Kritik. Heise hat Ende November 2023 nachgewiesen, dass die Zugangsdaten, die man fürs Imap-Konto einträgt, an Microsoft übermittelt werden. Daraufhin haben der Bundesdeutsche Datenschützer Ulrich Kelber und der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Lutz Hasse Sorge bzw. Warnungen ausgesprochen.

Fazit: Diese App ist für sich ein Skandal. Microsoft stellt die Eigeninteressen gnadenlos vor die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer. Eine simple Mail-Anwendung, die keine Werbung anzeigt, keine Daten sammelt und die Anwenderschaft nicht zu Produkten des eigenen Hauses hinlotsen will, ist eine Selbstverständlichkeit in jedem vernünftigen Betriebssystem.

Im grossen Ganzen schadet Microsoft mit dem neuen Windows und sich selbst: der Konzern untergräbt das Vertrauen, das manche Nutzerinnen und Nutzer vielleicht noch haben.

Beitragsbild: Das neue Outlook – Symbolbild (Coombesy, Pixabay-Lizenz).

3 Kommentare zu «Die neue Outloook-App ist ein ziemlicher Autounfall»

  1. Das Teil war in der Zehntelsekunde (mit Mühen und Aufwand) wieder abgeschaltet, als es die Verbindungsdaten der E-Mails in die Cloud laden wollte. Nein Danke!

    Diese ganzen „verbundenen Erfahrungen“ waren bei Microsoft der Beginn des Untergangs. Offenbar programmieren da mittlerweile woke Kindergärtnerinnen.

    Schade ist es um die COM Add-In Funktionialität, die mit dem alten Outlook – dem man selbst keine Träne hinterherweint – nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Microsoft hat die Chance vertan, aus einem schlechten Programm ein gutes zu machen. Sie scheitern erschreckenderweise selbst dann, wenn sie alles einreissen und komplett von 0 neu starten. Offenbar ist es schwierig, in einer beamtenähnlichen Konzernkultur der Dauermeetings und Kompromisse ein komplexes Desktop-Programm zu entwickeln.

    1. Das „alte“ Outlook hatte seine Macken, war aber eine relativ schlanke und stabile Anwendung. Das „neue“ Outlook scheint von den gleichen Hipstern wie Teams entwickelt worden zu sein: JavaScript und eine Browser-Engine in eine EXE gepackt. Fetter, unsicherer Schrott.

      Für professionelle Anwender wird es das alte Outlook noch eine Weile geben, die brauchen nämlich so Kleinigkeiten wie COM-Add-Ins.

      Für Heimanwender gibt es absolut keinen Grund, Outlook zu nutzen. Wer mit der Mails-App nicht zufrieden ist (was ich nachvollziehen kann), hat mit Thunderbird eine kostenlose und zuverlässige Alternative.

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