Unbeugsam gegen die Urheberrechts-Anwälte

Es gibt sie noch, die Sites – die nicht nur so aussehen wie in den Neunzigerjahren, sondern auch noch jenen unschuldigen Optimismus ausstrahlen. Eine davon ist Comedix, der ich heute in Kränzchen winde.

Neulich habe ich versucht, meinen Horizont zu erweitern. Zu diesem Zweck habe ich mich mit koreanischen Webcomics, den sogenannten Webtoons beschäftigt und mich gefragt: Ist das die digitale Zukunft des Comics?

Die Antwort war ein krachendes Nein. Und ich sah mich zur Erkenntnis genötigt, dass ich in Sachen Comics ein unbelehrbarer alter Sack bin – absolut unfähig zur Horizonterweiterung. Was diese Mediengattung angeht, bin ich in meiner Jugend stecken geblieben.

Ein bisschen traurig ist das, ich kann es selbst nicht leugnen. Doch es besteht noch Hoffnung. Ich habe nämlich vor, in meinen nächsten (oder übernächsten) Ferien Comixology Unlimited zu testen. Das ist eine Flatrate für über 25’000 digitale Titel. Dafür bezahlt man 6 US-Dollar pro Monat, was mir mehr als fair erscheint. Auf diesem Weg sollte es mir möglich sein, neue Titel und Autoren zu entdecken – ansonsten ist tatsächlich jegliche Hoffnung für mich verloren. Oder ich schiebe es darauf, dass das Angebot bei dieser Amazon-Tochter zu US-lastig war.

Also, auf meine Rezension dürft ihr euch freuen. Bis es so weit ist, trage ich meinem konservativen Naturell Rechnung und bespreche eine Website, die ich seit Jahren mag und gerne besuche. Und die mich an die gute alte Zeit erinnert, als wir und das Internet noch jung waren.

Diese Website hat es nicht für nötig befunden hat, sich in den letzten 22 Jahren gross zu verändern. Sie sieht genauso aus, wie das Websites Ende der 1990er-Jahre getan haben. Sie hat ein herzallerliebstes, tabellenbasiertes Layout und ist damit annähernd untauglich fürs Smartphone. Die Grafiken haben selten mehr als 200 Pixel Kantenlänge – so, wie das damals war, als wir noch jedes einzelne Bild auf internettaugliche Dimensionen zugeschnitten haben, bevor wir es mit GoLive platziert und hochgeladen haben.

… apropos GoLive: Das wäre ein hervorragender Kandidat für einen nostalgischen «Weisch na»-Beitrag.

Die gute alte Handarbeit im Web

Und ja, es scheint tatsächlich so, als ob die Website noch auf die ganz klassische Weise gepflegt werden würde: Mit einem HTML-Editor und der guten alten Handarbeit – jedenfalls hat whatcms.org kein CMS erkannt, und da im Quellcode kein Generator-Tag aufzufinden ist und bis auf ein winziges Javascript keine aktiven Inhalte eingebunden sind, gehe ich davon aus, dass wir es hier tatsächlich mit einem echten, historischen Web-Artefakt zu tun haben.


Ein Spiel aus der Computer-Antike: «Asterix & Obelix» von 1995 von Infogrames, für PC DOS, NES und den Gameboy.

Doch das passt ausgezeichnet: Altertümliche Internettechnologie für einen mehr als zweitausend Jahre alten Helden. Meine Würdigung gilt der Website comedix.de, die sich wiederum den beiden unsterblichen Galliern Asterix und Obelix widmet, sowie dem Universum, das sie bewohnen.

Es gibt alles, was man auf einer solchen Fan-Website erwarten würde:

In der Bibliothek erhält man eine Übersicht aller Bände in sämtlichen Sprachen und Editionen, die Filme und Hörspiele, Spiele und die Sekundärliteratur – und sogar eine Seite mit Weblinks. Beim Lexikon findet man Informationen über die Entstehung, Charaktere, Leitmotive, Besonderheiten bei den Sprechblasen und den Zeichnungen und Orte.

Alle Geschichten in einem Jahr?

In der Assterix-Theorie beschäftigen sich die Autoren mit dem Umstand, dass jeder einzelne der inzwischen 38 Bände mit dem Hinweis anfängt, die Geschichte spiele fünfzig vor Christus – aber auf gar keinen Fall alle Geschichten in einem Jahr haben stattfinden können. Bei Inkonsistenzen findet man Hinweise auf einige weitere Ungereimtheiten – wobei man diese Rubrik mutmasstlich noch stark ausbauen könnte. Mich irritiert beispielsweise, dass Troubadix anfänglich einfach schlimm gesungen hat, in späteren Büchern aber Regen und Sturm herbeisingen konnte. (Oder ist mit seiner Interpretation von «I’m singing in the rain» in Asterix im Morgenland ein Bann gebrochen?

Mir war völlig entgangen, dass es auch Asterix in einer computeranimierten Variante gibt. Auf den ersten Blick scheint die, genau wie die Realverfilmung, dem Original nicht gerecht zu werden.

Fazit: Eine tolle Informationsquelle für Leute wie mich, die Asterix nun neu entdecken, weil ihre Kinder von den Geschichten genauso begeistert sind wie wir damals. Es gibt auch einige spannende Meta-Geschichten zu lesen – zum Beispiel die etwas absonderliche Begebenheit, dass Fix-und-Foxi-Erfinder Rolf Kauka Asterix und Obelix erstmals in Deutsch herausgebracht hat, aber in wahnsinnig verunstalteter Form.

Die beiden Helden hiessen bei ihm Siggi und Babarras. Sie waren keine Gallier, sondern Westgermanen. Ausserdem hat Kauka auf ungebührliche Weise verpolitisiert, indem er in «Siggi und die Ostgoten» offene Propaganda gegen die DDR betrieben hat. Es gibt auch Stereotype, die noch aus der Zeit der Nationalsozialisten stammten, und ungefilterten Antisemitismus. Eine interessante Lektüre dazu findet sich auch hier.

Nicht gleich den Anwalt losschicken

Bleibt eine Frage: Wer steckt hinter comedix.de? Die Autorenseite ist gut versteckt, aber man findet sie hier: Der Autor ist Marco Mütz, der nicht viel über sich preisgibt – ausser, dass der Betrieb eines solchen Fanprojekts kein Zuckerschlecken ist. Mütz schreibt nämlich zuoberst auf der Seite:

Bevor Sie mir (warum auch immer) Post von Ihrem Anwalt zukommen lassen, möchte ich Sie bitten, dass Sie mich direkt kontaktieren. Comedix.de ist ein privates Projekt und verfolgt keine kommerziellen Interessen, ich betreibe es als Hobby und verdiene damit kein Geld.

Und ja – das dürfte ein Problem sein, dass alle Betreiber solcher Fanprojekte kennen. Es ist fast unmöglich, nicht mit dem Urheberrecht in Konflikt zu kommen, wenn man seine Artikel mit Comic-Auszügen illustrieren und Aussagen belegen möchte.

Ein Fall von 2012 ist im Beitrag Abmahnung gefährdet Asterix-Fanseite dokumentiert, der nach Mutmassung des Anwalts Mütz um die 3000 Euro gekostet hat:

Nach dem Besuch der Seite und einem Telefonat mit Herrn Mütz stellte sich jedoch heraus, dass es in diesem Fall tatsächlich einmal jemanden getroffen hat, der bei dem Betrieb der kostenlosen und nicht mit Werbung versehenen Asterix-Fan-Seite ansonsten sehr verantwortungsvoll mit Urheberrechten umgeht.

Normalerweise sei das anders, impliziert der Text – was wohl bedeutet, dass viele der Betreiber von Fan-Sites tatsächlich urheberrechtlich geschütztes Material klauen wie die Raben.

Trotzdem: Es muss in gewissen Schranken möglich sein, à la US-amerikanischem Fair Use Material zu verwenden, wenn man sich kritisch und ernsthaft damit auseinandersetzt.

Das Juristen-Damoklesschwert

Doch es bleibt dabei, dass man als Betreiber einer solchen Site stets mit Anwaltspost rechnen muss: Auch wenn diese Abbildungen als Zitate zu verstehen sind, so gehen die Ansichten weit auseinander, was noch ein zulässiges Zitat ist und wo der geistige Diebstahl beginnt. Das belegen die Ausführungen im Beitrag Zitatrecht und andere Irrtümer im Urheberrecht von Rechtsanwalt Martin Steiger:

Urheberrechtlich geschützte Inhalte beziehungsweise Werke dürfen in der Schweiz frei zitiert werden um eigene Aussagen zu erläutern, zu veranschaulichen oder mit Hinweisen zu versehen. Zitate sind nach herrschender Lehre für alle Kategorien von Werken möglich, das heisst nach herrschender Lehre können auch Bildzitate verwendet werden und das Zitatrecht beschränkt sich nicht ausschliesslich auf Texte.

Und:

Der Zitatumfang bemisst sich nach dem Zitatzweck und muss den eigenen Inhalten immer untergeordnet bleiben.

Dass Mütz seit mehr als zwanzig Jahren unbeugsam gegen die Urheberrechtstrolle ankämpft– auch dafür gebührt ihm Respekt.

Beitragsbild: Capri23auto, Pexels-Lizenz

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