Googles chromatische Aberration

Es gibt einen neuen Browser: Chrome vom grössten Such­maschinen­konzern der Welt. Er bringt frische Ideen. Für mich ist er jedoch, allein wegen fehlender Erwei­terungen, noch nicht alltags­tauglich.

Also, Google hat nun auch einen Browser. Chrome heisst er, wendig ist er, und er kann sich sehen lassen. Und bloggen kann man damit auch.

Und natürlich stellt mich Chrome vor die Frage: Umsteigen oder nicht? Die Antwort ist ein klares Jein. Ich bin bekennender Firefox-Fan und werde meinem Lieblingsbrowser nicht so ohne weiteres untreu werden. Zumal ich im Mozilla-Store für teure £ 32.50 (plus Versand und Zoll) das Firefox Highland Bay Fleece erstanden habe und mich schon auf die kälteren Tage freue, weil ich dann wieder damit herumstolzieren können werde.

Mir fehlen in Chrome die vielen Erweiterungen, mit denen ich Firefox aufgerüstet habe – Flashblock, das deutsche Wörterbuch, das Google-Notizbuch, IE Tab, DownloadHelper, McAfee SiteAdvisor, NoScript, PDF-Download, um nur einige zu nennen. Google Chrome bietet keinerlei Extensions und kann Firefox bei der Erweiterbarkeit nicht das Wasser reichen.

Chrome geht sorgsam mit den Ressourcen um

Einige Dinge gefallen mir aber schon relativ gut an Chrome. Da ist insbesondere der Ressourcenverbrauch. Diesbezüglich scheint Chrome bescheiden zu sein; zumindest habe ich auf meinem Tagi-Rechner diesen Eindruck. Dieses schon etwas ältere Modell ist bezüglich Arbeitsspeicher schwach auf der Brust und hat mit Firefox gelegentlich seine Mühe. Chrome wirkt deutlich flinker.

Einen Narren gefressen habe ich auch am Taskmanager, aufzurufen über den Befehl Aktuelle Seite bearbeiten > Entwickler > Taskmanager. Man kann damit einzelne Tabs «abschiessen» oder aber auch dem Flash-Player oder PDF-Plug-In ein schnelles Ende bereiten. Das hat bei den ersten Tests bestens funktioniert. Das ist eine grosse Stärke, zumal es im Surf-Alltag häufig vorkommt, dass eine verklemmte Java-Anwendung oder ein anderes Plug-In den Browser blockiert oder abstürzen lässt.

Die übersichtliche Programmoberfläche spricht für Chrome

Die Eingabeleiste, die die Suche, den Verlauf, das Adressfeld und Adressvorschläge kombiniert, finde ich weniger sensationell. Sie erinnert stark an die «Awesome-Bar» von Firefox. Wobei ich mich auch schon gefragt habe, ob man Such- und Adressfeld nicht kombinieren könnte. Das sehr übersichtliche Programmfenster ist jedenfalls auch eine Stärke von Chrome.

Ein dicker Negativpunkt verbucht Chrome, weil der Browser mit RSS-Feeds nichts anfangen kann – das ist unverzeihlich.

Trotzdem: Für eine Beta-Version (0.2 ist die aktuelle Versionsangabe) ist der Browser erstaunlich ausgereift. Die Entwickler haben es verstanden, die Stärken aus den anderen Browsern einfliessen zu lassen. So findet man unter Google Chrome anpassen die Funktion Private Daten löschen. Über den Befehl Aktuelle Seite bearbeiten > Neues Inkognito-Fenster kann man in einem Reiter surfen, ohne dass die hier aufgerufenen Seiten im Verlauf oder in einem anderen Protokoll landen würden. Das kennt man ähnlich von Apple Safari; hier wählt man Safari > Privates Surfen.

Einzelne Reiter in den anonymen Modus versetzen

Allerdings kann man bei Apple nur den ganzen Browser in den anonymen Modus versetzen; das nur mit einem Reiter tun zu können, wird sich im Alltag als praktisch erweisen.

Ferner ausbaufähig sind die Konfigurationsmöglichkeiten. Und mir fehlt die wirklich nützlichen Seiteninformationen von Firefox, die im Extra-Menü zu finden sind. Es gibt bei einem Rechtsklick auf eine Seite zwar einen Befehl Seiteninfo anzeigen im Kontextmenü von Chrome, das ist aber ausgegraut.

Das Interesse ist geweckt

Alles in allem glaube ich nicht, dass die Leute in Heerscharen umsteigen werden. Aber das Interesse ist geweckt. Chrome wird für Impulse sorgen. Ich hoffe, dass die Hersteller der anderen Browser keine Skrupel haben werden, die vielversprechenden Ideen aus Chrome ihrerseits schamlos abzukupfern. Den Taskmanager und die Ausführung der Webseiten in einzelnen «Sandboxes» will ich in Firefox und Safari sehen!

Und hier noch ein Screenshot von der gestrigen Tagesschau, der die Crème de la crème der Schweizer Computerjournalistenszene zeigt:

Sehe ich (links) tatsächlich aus wie Micheline Calmy-Rey?

Mein hochgeschätzter Kollege Peter Niklaus Trösch hat gemeint, ich (links) würde wie Micheline Calmy-Rey aus der Wäsche schauen, und ich fürchte, das ist kein Kompliment. Aber nachdem ich letzten Samstag am «Tag der Informatik» dem Apéro für VIPs beiwohnte, dort den Kommentar zu hören bekam, ich würde wie ein «typischer Tagijournalist» aussehen und das wohl auch nicht als Kompliment gemeint war, bin ich schmerzlos, was unqualifiziertes Geschwätz angeht. 😉

Kommentar verfassen