Sir Patrick Stewart und Captain Jean-Luc Picard waren keine Besties

Stewarts Auto­bio­gra­fie «Making It So» im­pli­ziert mit ihrem Titel, dass es eine Menge über die USS Enter­prise NCC-1701-D, ihren Kapi­tän und «Star Trek: The Next Ge­ne­ra­tion» zu er­fah­ren gibt. Dem ist leider nicht so.

Beitragsbild: Patrick Stewart rührt an einem Auftritt an der Comic Con in San Diego die Werbetrrommel für «Star Trek: Picard» (Gage Skidmore/Flickr.com, CC BY-SA 2.0 Deed).

Patrick Stewart, Pardon: Sir Patrick Stewart hat ein Buch geschrieben. Making It So heisst es in Englisch, und Making it so heisst es auch in Deutsch, und es handelt sich um eine Autobiografie.

Man hätte es auch anders machen können.

Nun ergab sich für mich die Notwendigkeit, mir dieses Werk zu Gemüt zu führen. Denn bekanntlich hat Sir Patrick Stewart in der Fernsehreihe Star Trek: The Next Generation zwischen 1987 und 1994 den Captain gegeben; und ich habe es mir meinerseits zur Aufgabe gemacht, hier im Blog Besprechungen von Autobiografien abzuliefern, die von Leuten geschrieben wurden, die in Star Trek eine Rolle innehatten. Zuletzt habe ich Wil Wheatons episches Werk «Still Just a Geek» einer Würdigung unterzogen.

Jetzt bin ich an dieser Stelle unschlüssig, ob ich eine wohlwollende Besprechung von «Making It So» abliefern soll, oder einen Verriss. Ich fange mal mit den positiven Aspekten an: Das Buch hat mich nicht gelangweilt. Ich einiges aus Stewarts Leben erfahren und weiss jetzt, wie es ist, als Schauspieler für die Royal Shakespeare Company zu arbeiten – und überhaupt in die Situation zu kommen, dort engagiert zu werden. Ich bin im Bild, wie die Zeremonie abläuft, zum Ritter geschlagen zu werden.

Ich weiss jetzt mehr über die Shakespeare-Schauspielerei, als ich je wissen wollte

Vor allem habe ich einen Eindruck bekommen, wie unstet ein Schauspielerleben sein kann; wenn man zwischen Engagements, Städten und Kontinenten pendelt. Und die Autobiografie in der gesprochenen Variante ist auch ein Erlebnis, wie wir es von einem erfahrenen klassischen Schauspieler erwarten. Die englische Hörbuch-Variante wird vom Autor selbst vorgetragen. Man hört ihm seine 83 Jahre an; seine Stimme ist teils brüchig und die Artikulation nicht immer leicht zu verstehen. Aber wenn wir uns daran gewöhnt haben, tut das dem Vergnügen keinen Abbruch.

Das grösste Problem mit «Making It So» ist der Titel: Das ist der weltbekannte Ausspruch des Captains Jean-Luc Picard; eine signature phrase, wie sie im Buch steht. Und wenn sie auf dem Buch steht, erwarten wir natürlich, dass der Inhalt ihr gerecht wird. Das tut er aber nicht: Es dauert bis zum Kapitel 16, bis Stewart überhaupt bei diesem Kapitel seines Lebens ankommt.

Star-Trek-Fans kommen nicht auf ihre Rechnung

Und er geht zügig über diese Jahre hinweg. Über die Filme verliert er noch weniger Worte als über die Serie und Anekdoten-hungrige Leserinnen (wie ich) werden mit ein paar dürftigen Erlebnissen abgespeist, die den Leseaufwand nicht wert sind. Noch schlimmer ergeht es Fans von X-Men und Professor X bzw. Charles Francis Xavier: Über diese Arbeit gibt es fast nichts zu hören, wenn wir von einem etwas gefühlsseligen Moment absehen, bei dem Stewart und Hugh Jackman bei der Premiere des zehnten «X-Men»-Teils Logan in Berlin aus Rührung über ihre schauspielerische Leistung Händchen gehalten haben.

Natürlich: Jeder Mensch darf in einer Autobiografie schreiben, was er will. Es ist die Gelegenheit, um sich selbst zu huldigen, Beichte abzulegen, mit Feinden abzurechnen und den Freunden ewige Treue zu schwören. Aus Sicht von Leserinnen und Lesern sind Autobiografien halt oft nicht so interessant, weil wir nur eine Sichtweise präsentiert bekommen, die natürlich persönlich gefärbt ist.

Distanzierter als seine Kollegen

Soweit ich das beurteilen kann, ist Sir Patrick Stewart durchaus ehrlich. Er erzählt auch von persönlichen Tiefpunkten wie seinem teilweise gewalttätigen Vater oder seinem Seitensprung und der darauffolgenden Scheidung während der Dreharbeiten zu Star Trek TNG. Aber alle die anderen Star-Trek-Autobiografen – Leonard Nimoy, George Takei, Walter Koenig, William Shatner und Wil Wheaton – lassen uns näher an sich heran. Alle sind sich gewillt, den Fans einige Anekdoten zu liefern, auch wenn es oft die gleichen sind, die wir aus unterschiedlicher Perspektive serviert bekommen. William Shatner ist ein grossartiger Erzähler und Wil Wheaton ist bereit, uns seinen Schmerz spüren zu lassen.

Fazit: Natürlich ist es nicht Sir Patrick Stewarts Schuld, dass Jean-Luc Picard letztlich nur eine Rolle war, mit der er persönlich weniger anfangen konnte als mit King John, Oberon, Shylock, Marc Antony, Claudius, Prospero oder Macbeth. Aber es hat zur Folge, dass besser ein Shakespeare-Zitat auf dem Buchdeckel gestanden hätte – auch auf die Gefahr hin, dass es sich dann nicht ganz so gut verkauft.

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