Gott, was für ein Heiland!

Gott liebt Homosexuelle, teilt uns John Niven in seinem Buch «Gott bewahre» mit. Wir müssen das nun glauben, weil dieses Buch durchs Band Wahrheiten verkündet.

Er ist wieder da!

Nein, nicht er, sondern er. Ich habe John Nivens Buch Gott bewahre gelesen, und komme nach Die Bibel nach Biff von Christopher Moore zum zweiten Mal zum Schluss, dass Jesus ein hervorragender Komödiant ist und eine tolle Romanfigur abgibt.



Ohne zu viel über das Buch zu verspoilern hier nur der Hinweis, dass Gott nach einem kurzen Urlaub feststellt, dass die Sache mit der Menschheit auf dem Planet Erde ganz gehörig aus dem Ruder läuft. Es ist darum unvermeidlich, dass sein Sohn eine zweite Runde einlegt – um uns die Sache mit dem Gebot Gottes nochmals klarzumachen. Die zehn Gebote sind nämlich eine Erfindung des durchgeknallten Moses. Gott selbst hat nur eine Regel, und die ist simpel: Seid lieb.

Was läuft im Himmel? Rock’n-Roll und Drogen

Im Übrigen sind die im Himmel alles alte Rock’n-Roller, die dem Alkohol nicht abgeneigt und dem Marihuana sogar sehr zugetan sind. Und, um ein wichtiges Detail nicht zu vergessen: Gott qualmt nicht nur Havannas und spielt Golf. Gott liebt auch Schwuchteln. Ausserdem wird dort oben geflucht, dass sich die himmlischen Balken biegen.

Das klingt nun nach einer derben Posse mit einem Hang zum Blasphemischen. Ist es aber nicht. Im Gegenteil: Niven ist Balsam auf die religionswunde Seele. Sein Gott müssen selbst Agnostiker wie ich lieben. Er nimmt sich selbst nicht so ernst, lässt alle nach ihrer Façon glücklich werden und verlangt nur, dass die Leute anständig miteinander umgehen. Dass im Namen der Religion gemordet, ausgegrenzt, gehasst und gehetzt wird, lässt ihn sprachlos zurück. Und Gott ist übrigens auch nicht scharf darauf, angebetet zu werden. Weswegen er das mit den Gottesdiensten wenig einleuchtend findet – siehe dazu auch die unten stehende Leseprobe.

Nebst der ätzenden, aber IMHO hundertprozentig berechtigten Religionskritik ist das Buch auch eine Anklage gegen die amerikanische Gesellschaft, in der sich heute zwar jeder auf ihn beruft, in der ein schräger Vogel wie Jesus aber keinen Platz mehr hätte – obwohl er sich in einer Castingshow ganz gut schlägt. Natürlich endet die Sache, wie sie enden muss¹ … und nur die Literatur und der Rock ’n’ Roll retten uns Menschen den Arsch, um bei der Terminologie des Buchs zu bleiben. Niven ist ein grosser Musikfan und er war auch A&R-Manager bei grossen Plattenfirmen. Die mit Händen zu greifende Liebe zur Musik tut dem Werk gut – denn sie gibt ihm trotz der derben Sprache und des Klamauks einen stabilen Untergrund und eine Ernsthaftigkeit.

Zutiefst humanistisch

Fazit: Eine zutiefst humanistischen Geschichte, bei der ich viel gelacht und an mehreren Stellen tief berührt war. Und die einige meiner Lieblingssongs feiert, namentlich Townes van Zandts Tecumseh Valley.

Hier eine kleine Leseprobe aus dem Buch: Gott sitzt im Himmel mit den Aposteln an einem Konferenztisch und bespricht die Situation:

VIELE STUNDEN SPÄTER HOCHGEKREMPELTE ÄRMEL Volle Aschenbecher. Überall stehen Kaffeebecher und schmutzige Teller herum. Eine Flut von Papieren ergiesst sich über den Tisch und auf den Fussboden, die Luft ist zum Schneiden dick vom Marihuanaqualm der zahlreichen Joints, die zur Steigerung der Konzentration und als Starthilfe für radikale kreative Denkansätze die Runde gemacht haben. Gott seufzt und stösst eine Wolke würzigen, holzigen Rauchs aus, als Er schliesslich die offensichtliche Frage stellt.
«Was zur Hölle», fragt Gott, «läuft da mit den Christen?! Es wimmelt nur so von beschissenen Christen.»
«Es, äh, wurde irgendwann ziemlich verworren», antwortet Petrus.
«Verworren? Was, bitte schön, ist an SEID LIEB verworren?»
«Wenn ich dürfte, Herr, meldet sich Matthäus zu Wort und erhebt sich. Mit einer Handbewegung bedeutet Gott ihm zu sprechen. «Es ist zu einer Vielzahl von Absplitterungen gekommen», beginnt Matthäus: «Zum einen wären da natürlich die Katholiken…»,
«Alles klar, das waren also die einen.»
«‹Die einen› trifft es nicht exakt, Herr, nein. Es existieren diverse Untergruppen innerhalb der Katholiken. Da hätten wir die Maronitische Kirche, die Melkitische Griechisch-Katholische Kirche, die Ruthenische Griechisch- oder Byzantinisch-Katholische Kirche, die Chaldäisch-Katholische Kirche, die … »
«Und wie unterscheiden die sich bitte voneinander?», will Gott wissen.
«Nun, in der Mehrzahl glauben sie daran, dass der Papst Euer Repräsentant auf Erden ist … »
«Ja, leck mich doch am Arsch!»
«Aber», fährt Matthäus fort, «es gibt unterschiedliche theologische Gewichtungen, äh, Dinge betreffend, wie beispielsweise die lateinische Schilderung des Fegefeuers.»
«Wer», sagt Gott und giesst sich mehr Kaffee nach, «gibt auch nur einen feuchten Hundefurz auf die lateinische Schilderung des Fegefeuers?»
«Guter Punkt, Herr, dennoch scheinen einige genau das zu tun. Dann gibt es da weiterhin das Patriarchat des Exarchats der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa, die Orientalisch-Orthodoxen Kirchen – wie Ihr Euch vielleicht erinnert, haben sie das Konzil von Chalcedon im Jahre 451 nicht anerkannt –, die Koptisch-Orthodoxe Kirche von Alexandria, die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, die Malankara Syrisch-Orthodoxe Kirche, die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche, die Assyrische Kirche des Ostens, die Mariavitische Kirche, die Palmarianisch-Katholische Kirche, die Liberalkatholische Kirche, die Chinesische Katholisch-Patriotische Vereinigung, die Charismatische Episkopale Kirche, die Unabhängige Philippinische Aglipay-Kirche, die Altkatholische Kirchengemeinde der Niederlande, die …»
«Das sind immer noch alles Katholiken?»
«Ja, Herr.»

Fussnoten

1) Mit Waffengewalt. Dieser Waffenfanatismus hat mich, ganz nebenbei erwähnt, vom hier besprochenen Dean Koontz weggetrieben. Sein Buch Brandzeichen würde mit seinem Bezug zur Gentechnologie eigentlich in diese Rubrik passen. Ich habe es nicht besprochen, weil es mir bei der Erzählung zu nah an der früher besprochenen Story dran war und weil mir die Waffenverliebtheit zu sehr auf den Wecker ging. Und weil Bücher mit Hunden meistens nicht funktionieren.

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