Von Acer habe ich das Chromebook C720 für einen Kurztest erhalten. Das läuft, wie der Name andeutet, mit Googles minimalistischem Chrome OS. Das besteht im Wesentlichen aus dem Chrome-Browser, der auf einem Linux-Kern sitzt.
Das klingt gar minimalistisch, und es bleibt eine ungeklärte Frage, warum Google sich nebst Android noch ein zweites Betriebssystem leistet – und zwar eines, das noch nicht einmal «richtige» Apps unterstützt.
Es gibt in Chrome OS zwar so etwas wie Apps. Aber das sind verkapselte Web-Applikationen, sodass bei Chrome OS kein Weg am Browser vorbeiführt. Fürs Chromebook spricht der günstige Preis von knapp 300 Franken und die lange Batterielaufzeit, die das Gerät selbst mit 10 Stunden angibt. Das dürfte der Realität recht nahe kommen. Ich habe es jedenfalls nicht geschafft, die Batterie während meines Tests leerzubekommen.
Trotz dieser Vorteile war ich skeptisch. Wieso sollte man einen so eingeschränkten Computer haben wollen?
Innert einer Minute arbeitsbereit
Beim Test habe ich jedoch eine recht gute Antwort auf diese Frage erhalten: Weil Chrome OS praktisch wartungsfrei ist. Ich schalte den Computer zum ersten Mal ein. Dank SSD erscheint das Login-Fenster fast augenblicklich. Ich gebe an, dass ich einen Benutzer hinzufügen will, logge mich mit meinem Google-Benutzerkonto ein und verbinde zum WLAN. Und das wars. Keine Softwareinstallation, kein Konfigurationsterz, nichts. Das einzige, was ich tun musste, war ein Bild für mein Benutzerkonto zu wählen.
Wenn man sich vor Augen führt, was für einen Aufwand es macht, einen Windows- oder Mac-Rechner in Betrieb zu nehmen, dann ist diese Einfachheit sehr erfrischend. (Und auch wenn bei Smartphones und Tablets der Admin-Aufwand gesunken ist, so muss man doch Apps herunterladen und ein bisschen Konfigurationsaufwand betreiben.)
Ein Chromebook ist tatsächlich so etwas wie eine Appliance, also ein Haushaltsgegenstand, den man ohne Fachwissen oder grosse Umstände in Betrieb nimmt. Chrome OS ist tatsächlich fast so einfach zu brauchen, wie der Toaster oder die Mikrowelle. Über die Kapazität der Festplatte, die Geschwindigkeit des Prozessors oder den Defragmentierungsgrad der Festplatte braucht man sich jedenfalls keine Gedanken zu machen (was bei einer SSD eh unsinnig wäre).
Nichts für Power-User
Klar: Für mich als erklärten Power-User ist das Chromebook zu eingeschränkt. Ich nutze mehr als den Browser, GMail und Google Docs. Entsprechend eignet sich das Gerät auch nur für Leute, die ganz in der Google-Welt zu Hause sind und deren Bedürfnisse per Webapps und mittels Google Drive abgedeckt werden. Das sind sicherlich mehr Leute, als man landläufig denkt: Solche, die heute noch in der Windows-Office-Welt stecken, obwohl sie nur einen winzigen Bruchteil der Funktionen von Outlook und Word verwenden.
Für meine Eltern beispielsweise wäre ein Chromebook (theoretisch) eine gute Wahl. Sie sind sich an die Tastatur und die Maussteuerung gewöhnt. Mit einem Tablet kann man sie nicht locken, denn ihre Mails wird meine Mutter nicht auf einer virtuellen Tastatur schreiben und mit wenn man ihr ein Tastatur-Cover reichen würde, dann würde sie nur den Kopf schütteln (vermute ich mal).
Und eben: In der Praxis verwenden meine Eltern halt auch Skype und ein Bildverwaltungsprogramm. Meine Mutter hat ausserdem ihre Sprachlern-CDs im Einsatz, die nur zu Windows oder Mac kompatibel sind.
Fazit: Das Chromebook ist nicht ganz so eine unsinnige Sache, wie ich vor meinem Test gedacht hatte. Reif ist ihre Zeit aber dennoch nicht. Es gibt noch längst nicht für alle gängigen Computerbelange ausreichend gute Webdienste. Die Versorgung mit Internet ist noch nicht da, wo sie sein müsste, wenn man sich auf ein reines Web-Terminal verlassen sollte.
Und gerade die Anwender, die eigentlich ideale Chromebook-Nutzer wären, die sind noch zu sehr in der klassischen PC-Welt verhaftet, als dass sie mit einem so minimalistischen System glücklich werden würden. Da sind selbst bei den wenig anspruchsvollen Usern zu viele Gewohnheiten und Sachzwänge mit im Spiel.
Darum ist es klug und richtig, dass Google die Chromebooks im schulischen Bereich platzieren will. Die jungen Nutzer haben keine eingefahrenen Nutzungsmuster und sollten flexibel genug sein – ausserdem ist es aus Sicht der Anbieter immer gut, die Nutzer frühzeitig auf eine Plattform einzuschwören.
Noch nicht massentauglich
Das Chromebook C720 ist für meinen Geschmack etwas schwer. Es ist günstig, und so wirkt es auch. Verwöhnte Leute wie ich, die an Aluminium-Macs gewöhnt sind, werden über Plastikgehäuse nicht mehr so richtig glücklich. Das grösste Problem ist allerdings die fehlende Mobilfunk-Konnektivität. Das Acer-Chromebook hat keine 3G-/4G-Hardware, sodass man auf WLAN angewiesen ist.
Google Drive lässt sich zwar auch offline nutzen; die Synchronisation findet automatisch im Hintergrund statt und hat bei meinem (kurzen) Test problemlos funktioniert. Dennoch will man das Gerät nicht für längere Zeit offline nutzen – denn wenn diese Funktion wichtig ist, dann ist man mit Windows oder Mac auf alle Fälle besser bedient. Die Abhängigkeit von WLAN schränkt den Nutzerkreis wiederum ein. Die Schar potenzieller Chrome-OS-Nutzer ist daher im Moment noch nicht bedeutsam.
Ich teile Deine Einschätzung von der Nützlichkeit von Chrome OS, aber: Warum wird bei solchen Geräten immer wieder auf das Fehlen eines 3G/4G-Moduls hingewiesen? Schliesslich hat nahezu jedes Smartphone heute eine Hotspot-Funktion, die WLAN überall zur Verfügung stellt, wo es ein Handynetz gibt. Die Mühsal und die Kosten einer weiteren SIM-Karte erspare ich mir gerne. Ja, der Akku-Verbrauch des Mobiltelefons ist höher. Aber sonst sehe ich keine gravierenden Nachteile. Oder übersehe ich etwas?
Für den gelegentlichen Einsatz ist der persönliche Hotspot eine gute Lösung. Aus «Convenience»-Gründen (wie man so schön sagt), wäre für intensive Nutzer eingebaute Konnektivität sinnvoll.
Ein Vorteil: Wenn 3G/4G im Gerät integriert ist, dann «weiss» das Betriebssystem, dass es mit dem Mobilnetz verbunden ist und führt hoffentlich keine datenintensiven Aufgaben wie Updates laden o.ä. durch. Beim persönlichen Hotspot ist das nicht klar, was es schwieriger macht, das Datenvolumen im Griff zu behalten.