Ich glaube, es war Zedis Schuld, dass ich anno 2010 mit Godfinger angefangen hatte. Das ist eines jener Spiele, die mir einfach nicht gut tun. Im Fall von «Godfinger» habe ich die Rolle des Allmächtigen, die einem in dem Titel zugewiesen wird, definitiv zu ernst genommen. Denn meine Schäfchen brauchten mich. Und ich wollte rund um die Uhr für sie da sein.
Der Clou bei «Godfinger» und ähnlichen Titeln ist, dass das Spielgeschehen nicht stehen bleibt, wenn man nicht spielt. Nein: Auf dem Planeten des Spielers tobt das blühende Leben rund um die Uhr: Es wächst Getreide, Gebäude werden gebaut, die Untertanen verrichten Gebete, verdienen Geld, leisten Feldarbeit. Et cetera. Das heisst, dass man immer mal wieder eingreifen sollte, um das Geschehen im Gang zu halten: Man muss die Ernte einbringen, seinen Spielfiguren neue Aufgaben zuweisen, neue Gebäude bauen lassen, neue Gefolgsleute «generieren», und so weiter.
Jede Aufgabe hat eine bestimmte Dauer, die in Echtzeit abläuft. Das heisst, wenn die «Produktion» eines neuen Gefolgsmanns im Spiel drei Stunden dauert, dann dauert das auch in Echt drei Stunden. Man will nach drei Stunden also ins Spiel, um diesem neuen Gefolgsmann eine Aufgabe zuzuweisen. Denn wenn er nur herumsteht, dann ist das ineffizient. Der Fortgang des Spiels verläuft nicht so schnell, wie er könnte – und weil man auch die Fortschritte seiner Freunde sieht, droht man ins Hintertreffen zu geraten.
Kollisionen mit dem Tagesablauf
Diese Echtzeitsimulationen wie «Farmville» und Co. kollidieren mit dem normalen Tagesablauf. Denn zu jeder Tages- oder Nachtzeit, egal, ob man nun schläft, arbeitet, mit Freunden feiert oder sich entspannen will, warten Aufgaben in der Spielewelt. Wenn man sich, beispielsweise während seiner Ferien, nicht um seinen Planeten kümmert, dann verdorrt die Ernte und die Untertanen fallen vom Glauben ab. Mit anderen Worten: Nach seinem Urlaub ist man angeschmiert.
Ich habe damals relativ schnell gemerkt, dass das so nicht weitergehen konnte und die Notbremse gezogen: «Godfinger» flog vom iPhone, gefolgt von den anderen Ngmoco-Spielen We Farm und We Rule, denen ich ebenfalls verfallen war.
Und nun das. Kollege Zeier, der die Liebenswürdigkeit in Person ist und überhaupt nicht wirkt wie ein Pusher, hat mir nahegelegt, The Simpsons: Tapped Out zu spielen (für Android und für iOS). Gut, dass ich nun dumm genug bin, diesem Vorschlag zu folgen, ist mein eigenes Problem – ich könnte es ja definitiv besser wissen.
Jede Aufgabe hat eine gewisse Zeitdauer
Das Spiel, das zu Deutsch «Die Simpsons™: Springfield» heisst und von EA stammt, verwendet die gleiche verhängnisvolle Spielmechanik: Man gibt Homer, Lisa, Apu und Ned Flanders Aufgaben, die diese in einer gewissen Zeit zu erledigen haben. Sobald sie durch sind, sollte man wieder ins Spiel, um das Geschehen voranzutreiben. Man kann, wie bei «Godfinger», die Springfields seiner Freunde besuchen, um zu sehen, dass die schon viel mehr Häuser gebaut haben, eine grössere Sammlung an Simpsons-Figuren besitzen, ausserdem den Helikopter und einen Krusty-Park, sowie Tonnen von Donuts.
Das unsägliche Free to Play
«Tapped out» pflegt das hier schon häufiger kritisierte Free to Play-Modell. Die App selbst ist gratis, aber es gibt die In-App-Käufe, über die man das Spiel beschleunigt und sich gegenüber seinen Freunden einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil herausspielt.
Eine entscheidende Rolle kommen bei «Tapped out» den Donuts zu: Während man sich Geld und Erfahrungspunkte erspielen kann, sind die das eigentlich knappe Gut. Mit ihnen kann man Aktionen beschleunigen und Premium-Objekte wie den Polizeiwagen, den Schulbus, das Springfield-Observatorium oder das Springfield Coliseum erwerben. Bei «Tapped out» kann man so richtig Geld in die Hand nehmen: Für 2400 Donuts sind 100 Franken zu berappen. Und während man mit Donuts zwar Spielgeld kaufen kann, ist es umgekehrt nicht möglich, das erspielte Geld in Donuts umzutauschen.
Ich halte dieses Spielprinzip im Kern für unfair: Man setzt die Einstiegshürde mit dem Preis von Null bewusst sehr niedrig. Wie viel Geld der Spieler ausgeben will oder muss, wird erst im Verlauf des Spiels klar. Es hängt natürlich auch von den Ambitionen ab, die man als Spieler hat. Wenn es einem egal ist, langsam vorwärts zu kommen und von den zahlenden Freunden abgehängt zu werden, dann ist und bleibt man ein fröhlicher Freeloader.
Wenn man allerdings einen gewissen Ehrgeiz entwickelt oder dem sozialen Druck zum Opfer fällt, dann werden sich die Ausgaben für die In-App-Käufe schnell aufsummieren. Christina Warren hat in This Week in Tech 432 gebeichtet, sie hätte für Candy Crush Saga um die 450 Dollar rausgeworfen (Minute 50:25). Da erscheint im Vergleich ein klassisches PC- oder Konsolenspiel für 90 Franken gerade wieder günstig.
Verschleierte Kosten, sozialer Druck und die Simpsons als Lockmittel
Verschleierte Kosten, sozialer Druck. Und die freundlichen, sympathischen Simpsons als Lockmittel: Da geht die Entwicklung in die falsche Richtung, und ich finde es auch nicht sehr sympathisch, dass sich der sonst von mir sehr geschätzte Matt Groening dafür hergibt. Da hilft es auch nicht, dass das Spiel ansonsten äusserst liebe- und humorvoll gemacht ist und sogar Selbstironie praktiziert – indem Homer am Anfang ein «dämliches Elfenspiel» spielt, bei dem damit beschäftigt ist, seine Ernte einzubringen. Derweil das Springfielder Kernkraftwerk in die Luft fliegt.
Mit anderen Worten: Ich werde schauen, wo hin mich «Tapped out» führt. Der Vorsatz ist und bleibt aber klar: Ich kaufe gerne Spiele, die 2 oder 5 Franken kosten, aber dieser In-App-Kauf-Masche werde ich mich weiterhin entziehen. Und wenn die Sache Überhand nimmt, dann fliegt die App. Garantiert! (Ihr könnt ja versuchen, mich durch eine Freundschaftsanfrage an MrClicko noch etwas mehr unter Zugzwang zu setzen…)