Ein universeller Datei-Manager für alles aus dem Web

Fabric will die kreuz und quer im Web ver­teil­ten Infor­ma­tio­nen an einer Stel­le zu­sam­men­füh­ren, sodass sie sich durch­suchen und mit anderen nutzen las­sen. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein.

Neulich habe ich im Internet eine Entdeckung gemacht, von der ich nicht weiss, ob sie das Ei des Kolumbus ist oder der Hirnfurz eines abgedrehten Nerds. Die Entdeckung heisst Fabric und ist gemäss der Beschreibung des Erfinders ein «sich selbst organisierendes Betriebssystem fürs Internet» bzw. ein «digitales Gehirn für Teams und Einzelpersonen».

Also genau das, was ich gern hätte – zumal wenn das nicht bloss heisse Luft ist. Klar, dass ich Fabric ausprobieren musste. Ich verrate an dieser Stelle, dass ich schnell festgestellt habe, dass mein Blogpost hier voreilig war. Aber der Reihe nach:

Ein Dateimanager für Zeugs aus dem Web

Auf den ersten Blick wirkt diese Web-App allerdings nicht revolutionär, sondern so banal wie eine Notiz-App. Es gibt rechts oben einen Plus-Knopf, über den wir Notizen anlegen, Links platzieren oder Dateien hochladen. Diese Elemente erscheinen dann als kleine Kästchen in einer Raster- oder Listenansicht – womit sich der Hinweis aufs Betriebssystem erklärt: Fabric erinnert an den Finder bzw. den Windows-Explorer. Wie in jedem ordentlichen Dateiverwaltungsprogramm dürfen wir auch Unterordner anlegen und unsere Elemente nach Lust und Laune herumschieben.

Zu den hochgeladenen Dateien sollen sich Daten aus allen Ecken des Netzes gesellen.

Es gibt natürlich auch Unterschiede zu einem klassischen Betriebssystem: Erstens können wir auch sogenannte Spaces anlegen. Das sind Bereiche, die für bestimmte Projekte gedacht sind. Spaces können über einen Link für andere freigegeben werden. Ich nehme an, dass die Freigabe nicht nur öffentlich, sondern auch bloss an andere Fabric-Nutzer möglich ist – aber da ich bisher mit niemandem Bekanntschaft geschlossen habe, konnte ich das nicht ausprobieren. Es gibt einen eingebauten Chat für den Austausch über die Projekte.

Der eigentliche Clou ist nun aber, dass sich Verbindungen zu anderen Datenquellen anlegen lassen. Oder anlegen lassen müssten – zumindest beschreibt das der Gründer Johnny in seinem Video so:

Im Video stehen für solche Verbindungen die Inhalte von Google Drive und Dropbox, von Notion, Github und Linear zur Verfügung, ferner die Lesezeichen von Google Chrome, und es soll eine Synchronisation mit den lokal vorhandenen Dateien geben.

Ein durchsuchbares Allzweck-Sammelbecken

Der Clou ist nun, dass sich alle diese verbundenen Quellen in Fabric durchsuchen lassen. Auch Tweets würden sich auf diese Weise speichern und wiederfinden lassen, zusammen mit allem anderen, das aus irgendwelchen Quellen in diese universelle Ablage wandert.

Dieses Konzept finde ich spannend: Es ist nämlich tatsächlich so, dass mir diese Verzettelung im Web ein Dorn im Auge ist. Mir fehlt die Möglichkeit, die isolierten Ablagen auf eine konsistente Weise zu bündeln und sie zentral nutzen zu können. Ansatzpunkte dafür gab es immer wieder; doch wie ich neulich analysiert habe, sind diese Versuche allesamt gescheitert.

Eine Milliarde Nutzer

Gelingt es dieses Mal? Die Ambitionen sind da. Auf der «About»-Seite ist das Ziel deklariert:

Fabric hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2032 den Intellekt von einer Milliarde Denkern, Schöpfern und Konstrukteuren zu verbinden und zu erweitern.

Bis dahin ist noch etwas Zeit – und das erklärt auch, dass in meiner Instanz von Fabric von den Verbindungen, die Johnny in seinem Video zeigt, noch nichts zu sehen ist. In der Roadmap ist ersichtlich, dass sie zu den nächsten Dingen gehören, die eingebaut werden sollen: Nebst einem KI-Assistenten, einer To-Do-Liste, Smart-Tags, der Website-Speicherung und einigen weiteren Funktionen. Dieser Etappenplan zeigt auch, dass die öffentliche Lancierung fürs erste Quartal 2024 geplant ist. Was schon steht, ist die Preisliste: Neun Dollar pro Monat oder 89 Dollar pro Jahr für ein TB Speicherplatz – oder einmalig 160 US-Dollar für immer.

Mit anderen Worten: Ich bin mit meinem Test reichlich früh dran. Ob Fabric diese ambitionierten Ziele erreichen kann, steht bis dato in den Sternen. Aber ich drücke die Daumen: Mir gefällt der holistische Ansatz. Und ich finde es toll, dass dieses Start-up hier aufzeigt, was uns Nutzerinnen und Nutzern entgeht, weil die Tech-Konzerne die Interoperabilität zwischen ihren Anwendungen scheuen wie der Teufel das Weihwasser.

Beitragsbild: Bis jetzt ist dieser Stoff noch ziemlich grob gewebt (Karolina Grabowska, Pexels-Lizenz).

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