Ist es schneller, am Handy Text wischend statt tippend einzugeben?

Welches ist der effi­zi­en­teste Weg, um Text am Handy ein­zu­ge­ben? Ver­mut­lich das Swipen – aber nur, wenn wir die Tücken dieser Metho­de meistern.

Ist es passiert, dass ich zu alt und unflexibel geworden bin, um mich Neuerungen zu öffnen – gleichgültig, wie sinnvoll die auch sind? Diese Frage habe ich mir immer wieder gestellt, seit Apple 2019 (mit iOS 13) Quickpath eingeführt hat. Das ist die Möglichkeit, Text durch Wischen einzugeben: Statt nacheinander auf die einzelnen Tasten zu tippen, fahren wir die Buchstaben ab, ohne dazwischen den Finger zu heben.

Ich habe diverse Anläufe genommen, zu wischen, statt zu tippen. Und ich habe festgestellt, dass ich immer wieder auf die alte Methode zurückfalle. Eben, vermutlich, weil ich in tragischer Frühvergreisung meine Anpassungsfähigkeit verloren habe.

Es gibt zum Glück eine weitere Erklärung, die nicht so selbst-herabwürdigend ist: Nämlich die, dass das nichts mit dem Alter, sondern mit der Gewöhnung zu tun hat. Es gibt dafür den schönen Begriff des Muskelgedächtnis. Wenn eine Tätigkeit einmal dort verankert ist, müssen wir für eine Verhaltensänderung neu trainieren; ganz gleichgültig, wie geistig rege wir noch sind.

Und wenn dem so ist, stellt sich sofort die Frage: Lohnt sich das denn überhaupt? Ist die Texteingabe mittels Wischen schneller als per diskretem Tippen?

Schneller – aber nur ein bisschen

Ich habe versucht, das herauszufinden, aber zu meinem Erstaunen keine schlüssige Studie gefunden¹. Einen Anhaltspunkt liefert die Uni Basel, allerdings mit dem Vorbehalt, dass es dabei um die Texteingabe in Virtual-Reality-Anwendungen geht. Forscherinnen und Forscher des Departements Mathematik und Informatik haben die Wisch-Tastatur für die VR-Welt adaptiert und dabei Folgendes festgestellt:

In einer vorläufigen Nutzerstudie bewerteten die Teilnehmer das neue Eingabeformat hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit positiv, allerdings ist die Geschwindigkeit der Wisch-Tastatur mit 13 Wörtern pro Minute im Vergleich zu anderen Texteingabemethoden derzeit nur durchschnittlich.

Eine integrierte Rechtschreibkorrektur könnte das Resultat verbessern.

Damit sind wir bei meiner Erkenntnis: Ich habe nämlich – um meine eingangs genannte Hypothese zu widerlegen – die Swiping-Methode forciert und dabei festgestellt, dass das Problem nicht darin besteht, sich ans Wischen zu gewöhnen. Nein: Das Entscheidende für die Nutzung ist, eine gute Methode für jene Fälle zu finden, in denen die Wisch-Methode versagt.

Aus einer grossen Menge an Buchstaben die richtigen herausfischen

«Kämmerchen» wollte ich schreiben, «Kammerchor» ist daraus geworden.

Der Unterschied zum herkömmlichen Tippen besteht bei Quickpath darin, dass die Software  raten muss, welches Wort wir gemeint haben. Das liegt daran, dass wir einerseits die Buchstabenfeldchen nicht immer exakt treffen.

Andererseits werden beim Wischen zwangsläufig Buchstaben gestreift, die im einzugebenden Wort nicht enthalten sind. Durch das Wischen übermitteln wir daher eine Auswahl an Buchstaben, aus denen die Software die Wörter herausfiltern muss, die wir mit der grössten Wahrscheinlichkeit gemeint haben könnten.

Das ist nicht trivial: Denn im Deutschen mit seinen tendenziell langen Worten entstehen viele mögliche Kandidaten.

Und weil wir hierzulande gerne Worte aus mehreren Sprachen verwenden, müssen die z.B. die Wörterbücher für Deutsch und Englisch parallel abgefragt werden. Ich nehme an, dass das nur funktioniert, wenn in einer Datenbank die typischen Bewegungsmuster fürs gängige Vokabular enthalten ist, natürlich mit der Möglichkeit für Nutzer-spezifische Erweiterungen.

Einerseits ist es faszinierend, dass die überhaupt praktikabel ist. Andererseits stösst Quickpath immer wieder an Grenzen: Bei manchen Bewegungsmustern ist in den Vorschlägen das eigentlich gemeinte Wort nicht enthalten – selbst wenn wir es mehrfach versuchen. Wenn wir Text wischend eingeben wollen, müssen wir uns daran gewöhnen, bei einer Nicht-Erkennung das Wischen höchstens ein-, zweimal zu wiederholen und dann das Wort diskret einzugeben (also auf herkömmlichem Weg zu tippen).

Die Grenzen von Quickpath

Ausserdem ist es wichtig zu verinnerlichen, es bei Namen erst gar nicht mit Wischen zu probieren. Das Gleiche gilt auch für alles, was nicht in einem «normalen» Wörterbuch steht: seltene Begriffe und Wörter in Schweizerdeutsch oder anderen Dialekten.

Ein weiteres, handfestes Problem sehe ich bei zusammengesetzten Wörtern. Manche machen es sich einfach und schreiben die mit einem Deppenleerzeichen. Für mich kommt das nicht infrage – aber einfache Wörter zu wischen und Komposita zu swipen, ist eben auch mühsam.

Wobei wir bei einem weiteren Schwachpunkt wären: der Interpunktion. Punkte lassen sich immerhin durch doppeltes Tippen auf die Leerzeichen-Taste setzen, doch wer auf eine akkurate Kommasetzung Wert legt, stellt fest, dass er für die absetzen und auf die Zeichentastatur umschalten muss.

Der Trick für Zahlen und Satzzeichen

Ein kleiner Einschub: Es gibt wenigstens einen Trick, der uns erspart, nach dem Setzen des Kommas, einer Klammer, des Bindestrichs, Anführungszeichens oder einer einzelnen Zahl wieder auf die Text-Tastatur umschalten zu müssen. Wenn wir nämlich die 123-Taste antippen, den Finger unten halten, zu dem gewünschten Zeichen fahren und loslassen, dann wechselt sie automatisch zur Buchstaben-Tastatur zurück.

Immerhin: Je mehr Übung wir haben, desto weniger stören diese Schwachstellen beim Wischen. Es bleibt aber dabei, dass die Wischmethode daran krankt, dass wir sie nicht konstant anwenden können. Wir sind immer wieder gezwungen, einzelne Bestandteile unserer Texte zu tippen. Und das führt dazu, dass wir in alte Muster zurückfallen.

Und das Wischen hat ein Frustpotenzial. Das liegt in den Wörtern, die das iPhone nicht vorschlägt, obwohl sie – meines Erachtens – zum normalen Wortschatz gehören würden. Während meines selbstverordneten Quickpath-Trainings habe ich einige davon angetroffen:

  • Kämmerchen (stattdessen erscheinen Kammerzofen, Kammerchor, Kammerchören und Kammerchores)
  • läutet (laut, lautet, läuft, Lauf)
  • Rattenloch (Tagebuch)
  • lässt (last, Last, lasst, passt)
  • völlig (voll, Volvo, von, Vogl)

Wie wir sehen, sind das Wörter, bei denen es viele Alternativen gibt, die zu diesem Pfad ebenfalls infrage kommen und von der Software als wahrscheinlicher eingestuft werden.

Es gibt Verbesserungspotenzial

Fazit: Wischen braucht Training. Und es gäbe Verbesserungspotenzial:

  • Es wäre sinnvoll, wenn die Liste der Vorschläge länger wäre, als das, was in der Leiste oberhalb der Tastatur Platz findet. Wieso kann in dieser Liste nicht mit einer horizontalen Wischgeste weiterblättern?
  • Die Software sollte sich individuelle Vorlieben (besser) merken.
  • Warum keine KI-Unterstützung, wo KI so ein grosses Thema ist? Beispielsweise könnte die KI spontan durch das Deppenleerzeichen getrennte Komposita zusammenfügen oder sich um die Interpunktion kümmern.

Trotzdem gilt: Es lohnt sich, sich von den Mängeln nicht frustrieren zu lassen, und zu üben, damit wir zum erfolgreichen Wischer werden …

Fussnoten

1) Eine interessante Untersuchung wurde 2020 von Forschenden der Unis aus Aalto, Finnland, Cambridge UK und der ETH Zürich durchgeführt. Über 37’000 Leute haben mitgemacht und es hat sich ergeben, dass der «Typing Gap» abgenommen hat: Über die Zeit ist der Geschwindigkeitsunterschied, wenn Leute das virtuelle Touch-Keyboard und keine herkömmliche Computertastatur verwenden, geringer geworden: 25 Prozent beträgt er noch. Allerdings ist auch die Spitzengeschwindigkeit auf der Computertastatur gegenüber früheren Jahren gesunken. Und es haben sich Abweichungen zwischen Altersgruppen gezeigt. Die ganz Jungen (10 bis 19 Jahre) sind mit am Touchscreen sogar schneller als die etwas älteren (20 bis 29), obwohl sie weniger Übung mit dem Smartphone-Nutzung haben.

Die Studie vermittelt uns eine überraschende Erkenntnis: Die Eingabemethode bzw. die Hardware ist nur ein Faktor, der über die Effizienz entscheidet. Eine Spitzengeschwindigkeit erzielen wir mit dem Zehnfinger-System auf der Computertastatur. Aber auch nur mit einem gut trainierten Muskelgedächtnis – und mit einem effektiven Vorteil nur dann, wenn grössere Textmengen einzutippen sind. Mit den Chat-Apps, den sozialen Medien und den klassischen Handy-Einsatzbereichen tippen die meisten Leute einzelne Wörter und kurze Sätze, bei denen (für viele Leute) auch die Orthografie und die korrekte Interpunktion nachrangig ist.

Beitragsbild: Mit den Daumen tippen, dem Zeigefinger – oder doch lieber wischen? Die Methoden und die Vorlieben sind verschieden (Ruan Richard Rodrigues, Unsplash-Lizenz).

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