Anfangs Jahr waren die «magischen Avatare» der heisse Scheiss: Mit Lensa wurde anhand einiger Selfies ein KI-Modell erzeugt, das dann in lustige und manchmal auch anzüglichen Posen in Fantasie-Bildern Verwendung fand. Das hat für Aufruhr gesorgt, einige Nachahmer wie Remini auf den Plan gerufen – und ist dann schnell langweilig geworden. Denn: Wie viele magische Avatare braucht man schon, wenn der Tag lang ist?
Nun ist eine neue App namens Artisse auf den Plan getreten. Die treibt die Idee noch weiter: Wie bei Lensa und Co. erzeugen wir ein Modell von uns selbst. Doch das wird nicht vollautomatisch in Avatare umgewandelt. Stattdessen erzeugen wir Bilder nach eigenen Ideen, indem wie Textbeschreibungen oder Referenz-Fotos übergeben.
Credits statt ein Abo
Es gibt die App fürs iPhone und für Android. Und natürlich ist sie nicht kostenlos – was auch okay ist, da die Berechnung der Fotos und des Modells viel Serverleistung in Anspruch nimmt. Das Geschäftsmodell finde ich einigermassen fair: Es braucht pro Bild eine gewisse Anzahl Credits. 55 davon erhält man für den Start. Von denen wird ein Grossteil fürs Erzeugen des Modells verwendet. Ein paar wenige bleiben für Experimente übrig. Weitere Credits kauft man: Zehn Stück kosten zwei Franken, 27 sechs Franken, 55 zwölf Franken, und so weiter.
Um sein KI-Modell zu erstellen, müssen um die 15 Selfies hochgeladen werden. Es gilt die alte Regel, dass auf diesen möglichst nur das eigene Gesicht, nicht aber noch Tiere oder Kinder zu sehen sein sollten.
Danach dauert es ziemlich lange, bis das Modell gerechnet ist. In der App wird dreissig bis vierzig Minuten angegeben, bei mir hat es eher zwei Stunden gedauert. Während dieser Zeit holen wir uns im Inspiration Hub Ideen, was für Bilder wir erzeugen könnten.
Ich als Batman, ich als Caesar …
Sobald das Modell fertig ist, dürfen wir mit ihm spielen. Einige der Beispiele, die ich habe erzeugen lassen, sind hier zu sehen¹.
Wie wir sehen, werden die Vorgaben manchmal besser, manchmal schlechter umgesetzt. Auffällig ist, dass unser Avatar immer der einzige Protagonist im Bild bleibt. Sämtliche Aufforderungen, Nebenfiguren im Bild zu platzieren, gehen ins Leere – gleichgültig, ob das nun der Wunsch nach Löwen und Sklaven bei Caesar, nach Alien-Crewmitgliedern beim Raumschiffskapitän oder nach leichtbekleideten Damen bei James Bond ist. Ausnahme: Das Publikum im Circus Maximus wird geliefert – aber auch nur in klein und im Hintergrund.
Wieso? Vielleicht ist die KI nicht in der Lage, komplexe Interaktionen zwischen mehreren Figuren zu erfinden. Oder es ist eine Sicherheitsmassnahme zur Verhinderung von Gewalt und Pornografie.
An Asterix beisst sich die KI die Zähne aus
Wir können nicht nur Textbeschreibungen verwenden, sondern auch Referenzbilder hochladen und die als Grundlage nehmen. Mein Versuch hat nicht geklappt: Ein Bild mit Asterix und Obelix wurde kommentarlos ignoriert – vermutlich sind Urheberrechts-Filter am Werk. Aber ich werde noch etwas weiter experimentieren.
Trotzdem: Alles in allem sind die Resultate lustig und brauchbar, wobei es auch Ausrutscher gibt. Der Raumschiffskapitän halte ich für misslungen: Was wir hier zu sehen bekommen, ist nicht die Brücke eines Sternenschiffs, sondern eines ramponierten Ozeandampfers.
Übrigens: Die App stammt vom Hersteller Mumu Labs und ist in Hongkong daheim – nur zur Einordnung, was den Datenschutz angeht. Was mich angeht, ist es leider so, dass ich als Tech-Journi und Blogger keine Wahl habe …
Das eigene Alter Ego auf einen Abenteuer-Trip schicken
Fazit: Lustige Idee und natürlich naheliegend. Die Resultate sind längst nicht so überzeugend, wie wenn ein menschlicher Künstler sie erschaffen hätte. Aber das ist auch gut so: Es bleibt dabei, dass KIs dem menschlichen Schöpfergeist nicht das Wasser zu reichen vermögen.
Trotzdem: Wer sein digitales Alter Ego auf einen visuellen Abenteuer-Trip schicken will, der ist mit dieser App nicht schlecht bedient.
Fussnoten
1) Das sind die verwendeten Prompts:
Batman: Ein Bild im Comic-Stil von mir als Batman, der auf dem Dach eines hohen Gebäudes in einer nächtlichen Stadt steht, mit einem dunklen Himmel und einem Sonnenuntergang im Hintergrund und einem Flugzeug mit einer böse aussehenden Frau, die über ihm fliegt. (A comic style of me as batman, standing in the top of a tall building in a city at night with a dark sky with a sunset in the background and a plane with an evil looking woman flying overhead.)
James Bond: Ich als James Bond in einem hyperrealistischen Bild, in einem Kasino vor einem Roulettetisch, umgeben von schönen, leicht bekleideten Frauen und einem böse aussehenden Croupier. (Me as James Bond in a hyperrealistic image, in a casino in front of a roulette table, surrounded by beautiful lightly dressed women and an evil looking croupier.)
Römischer Kaiser: Ich als römischer Kaiser, in einem realistischen Bild in der Mitte der Arena des Circus maximus, umgeben von Sklaven und Löwen, in einer Heldenpose, mit applaudierendem Publikum. (Me as a Roman emperor, in a realistic image in the middle of the arena of the Circus maximus, surrounded by slaves and lions, in a hero pose with applauding audience.)
Kapitän: Dafür hat es zwei Anläufe gebraucht. Beim ersten Anlauf ist eine Frau mit meinem Gesicht entstanden, die ich euch hier vorenthalte. Die Anleitung macht klar, dass ich mich ins «Star Trek»-Universum hineinbeamen wollte: An Bord des Raumschiffs Enterprise im Stuhl des Kapitäns. Links ein weibliches Büro mit spitzen Ohren, rechts ein Humanoid in Sternenflottenuniform, der auf Anweisungen wartet. (Realistic image: On board of the starship Enterprise in the captain’s chair. On the left a female office with pointed ears, on the right a humanoid in starfleed uniform waiting for instructions.)
Der zweite Versuch hat zu dem Bild geführt, das hier zu sehen ist: Ein Raumschiffkommandant vor einem Großbildschirm mit einem Sternenfeld und einer fernen Sonne in einem hyperrealistischen Bild in futuristischem Stil. (A starship commander before a big screen with a starfield and a distant sun in a hyperrealistic image in a futuristic style.) ↩