Auferstanden aus den Klemmbaustein-Ruinen

Die Brickit-App analysiert den Bestand an Legos oder anderen Klemmbausteinen und macht Vorschläge, was man damit konstruieren könnte.

Die Brickit-App klingt nach einer destruktiven Angelegenheit. Denn etwas zu «bricken» bedeutet in Englisch entweder zu mauern oder aber ein Gerät in einen Ziegelstein zu verwandeln. Fehlgeschlagene Basteleien an den sensiblen Teilen eines Smartphones führen gelegentlich dazu, dass man das Opfer der eigenen Experimentierlust nur noch als Briefbeschwerer verwenden kann.

Doch bei der Brickit-App geht es um etwas anderes: nämlich um die «Bricks», also Spielsteine, die man umgangssprachlich auch Lego nennt – was zu Hause kein Problem ist, einem in einem öffentlichen Kontext aber juristische Scherereien einbringen könnte: Der dänische Konzern mahnt nämlich rechts und links Leute ab, zum Beispiel in einem Youtube-Video die Produkte der Konkurrenz als «Lego» bezeichnen.

Das ist natürlich Schwachsinn, weil es sich offensichtlich um einen  normalen Sprachgebrauch handelt. Bevor ich beim Tagesspiegel den Beitrag Lego bringt die treuesten Fans gegen sich auf gelesen hatte, wusste ich noch nicht einmal, dass es erstens eine nennenswerte Konkurrenz für Lego gibt und das zweitens ein generischer Begriff für diese Art des Spielzeugs existiert. Er lautet Klemmbaustein oder auch Noppenstein. Doch selbst wenn man den kennt, kann einem natürlich trotzdem einmal ein «Lego» herausrutschen. Da sollte man als sympathischer Konzern darüberstehen – abgesehen davon, dass sich, wenn schon, die Konkurrenz beklagen müsste.

Mehr Abwechslung im Kinderzimmer

Zu wenige Steine – bei 33 Stücken gibt es keine Vorschläge.

Also, zurück zu den Klemmbausteinen und der Brickit-App. Die existiert fürs iPhone und iPad, und sie will die Kreativität in neue Bahnen lenken. Leute wie ich neigen dazu, immer auf ähnlichen Pfaden zu wandeln. Ich bin der architektonische Typ, der mit Freude hohe und extravagante Gebäude konstruiert. Oder auch grosse Roboter und gelegentlich Räuberhöhlen, mit denen man Räuber Hotzenplotz verstecken kann.

Aber es gäbe natürlich noch viele andere Möglichkeiten.

Und zu denen will einem die Brickit-App verhelfen – und zwar auf sowohl clevere wie auch einfache Art und Weise: Man kippt die Legos – ei verflucht, ich wollte sagen: Man kippt die Klemmbausteine¹ auf den Boden, breitet sie so aus, dass sie sich nicht überlappen und macht mit der App ein Foto.

Hier wird gezeigt, wo die benötigten Steine in der Auslegeordnung stecken

Sie zählt die Steine, stellt Typ fest und macht anschliessend Vorschläge, wie was man damit anstellen könnte.

Zu den Objekten liefert sie entsprechende Bauanleitungen, sodass man sein Kind dazu bringen kann, sich an eine solche Anleitung zu halten. Das ist nicht sonderlich kreativ, aber auch eine wichtige Eigenschaft – vor allem, wenn man sich an die komplexeren Objekte etwa von Lego® Technic™  wagen möchte.

Welche Steine man schon verloren hat

Umgekehrt lässt sich auch überprüfen, welche Steine zu bekannten Sets gehören und abgleichen, wie viele davon man in seinem Besitz hat und was fehlt. Auch eine praktische Angelegenheit.

Mit 140 Steinen bekommt man zwei Vorschläge.

Ich habe das mit den Duplo®-Steinen meiner Tochter versucht und festgestellt, dass es grundsätzlich klappt, sogar auf dem bunt gemusterten Teppich unseres Kinderzimmers.

Die App zählt im Foto die Steine und stellt fest, um was für eine Variante es sich handelt. Das klappt zuverlässig, sodass ich vom Resultat beeindruckt bin.

Man darf sich aber keinen Illusionen hingeben: Fehler sind bei dieser Analyse unvermeidlich: Je nach Position eines Steins vertut sich auch ein menschlicher Betrachter, zum Beispiel, wenn ein abgeschrägtes Modell auf der schrägen Kante liegt. Ebenfalls ein Problem sind Steine, die nicht ganz auf dem Bild sind.

Zwei Vorschläge für Häuschen, wobei bei beiden nicht alle nötigen Steine vorhanden sind.

Die Vorschläge waren bei meinem Test nicht brillant. Wie man sieht, unterbreitet uns die App zwei eher banale Häuschen, die man in einer Minute zusammengesteckt hat – und die man sich ganz sicher auch ohne App selbst hätte ausdenken können.

Kommt hinzu, dass in unserem Fundus gar nicht alle Steine für diese Bauwerke vorhanden sind. Das finde ich einerseits sinnvoll, weil es die Möglichkeit zur Improvisation einräumt. Andererseits wäre eine strickte Option begrüssenswert, bei der alle notwendigen Steine vorhanden sein müssen.

Dieses nicht unmittelbar begeisternde Resultat liegt vermutlich darin begründet, dass relativ wenige Ideen für Duplo®-Steine hinterlegt sind und die App auf die kleineren Klemmbausteine für die grösseren Kinder abzielt. Vielleicht hatte ich auch zu wenige Steine ausgelegt. Brauchbare Vorschläge gab es bei meinem Test überhaupt erst ab einer Auswahl von hundert Steinen aufwärts.

Eine Crowdplattform für Legobaupläne!

Den Plan und die Bauanleitung stellt Brickit auch zur Verfügung.

Mir ist auch unklar geblieben, woher die Vorschläge stammen: Anhand der Anleitungen vermute ich, dass die offiziellen Bauanleitungen aus den Legosets hinterlegt sind und vermutlich nicht vollständig. Das schränkt die Möglichkeiten natürlich ein – spannend wäre eine Crowd-Komponente, bei der jeder, der mag, eigene Kreationen hinterlegt.

Und noch ein letzter Tipp, bei dem es den Anwälten von Lego vermutlich die Zehennägel nach oben rollt. Von einem befreundeten Fablab-Nerd habe ich Verbindungselemente erhalten, mit denen sich Klemmbausteine und die Elemente der Holzeisenbahn – ein in diesem Kontext unverbindlich geäusserter Markennamen wäre Brio – zusammenbringt.

Diese Stücke aus dem 3D-Drucker verbinden die Holzeisenbahn mit Klemmbausteinbauten.

Mit diesen Verbindungselementen führt man die Eisenbahn über eine Klemmbausteinlandschaft hinweg. Bleibt die Frage: Nennt sich das nun spielzeugmässiges Multikulti oder Fusionsspielen?

Fussnoten

1) Ob die App mit Klemmbausteinen von Drittherstellern funktioniert, habe ich nicht ausprobiert. Sie scheint auf Lego ausgelegt zu sein, aber es gibt an sich keinen Grund, weswegen sie nicht ähnliche Produkte erkennen sollte. Aber ich nehme an, dass sich die Macher der App bewusst sind, auf welch heiklem juristischem Gebiet sie sich bewegen.

Beitragsbild: Don’t call it Lego! (Xavi Cabrera, Unsplash-Lizenz)

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