Diese plumpen Vereinnahmungsversuche, für irgend jemanden Schleichwerbung zu betreiben – sie kommen immer wieder vor. Neulich hatte ich mal wieder eines dieser Mails in meiner Inbox, das mir via Kontakt-Link zugeschickt worden war:
Mein Name ist M.W. und ich bin für die Founderslink GmbH in Berlin tätig. Wir sind ein Inkubator für junge Unternehmen und haben u.a. Steganos, die erfolgreichste Security Software Firma Deutschlands mitgegründet. Derzeit fokussieren wir uns auf unser Jung-Projekt, ein Online-Test-Portal mit kostenlosen Produkttests. In diesem Zusammenhang suchen wir hochwertige Partner für eine Kooperation.
Mit großem Interesse laß ich Ihre Artikel rund ums Web. Mir fiel auf, dass Sie großen Wert auf guten Content legen. Dies geht konform mit unserem Portal, dort steht ebenfalls der Mehrwehrt für den Leser stets im Vordergrund. Aus diesem Grund bin ich überzeugt, dass eine Kooperation von beidseitigem Interesse sein könnte.
Ist eine Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen, würde ich gerne unser Expertenteam des Themenbereichs Internetsicherheit beauftragen, einen einzigartigen Artikel, der auf Ihre Seite angepasst wäre, zu verfassen. Die Gestaltung und der Inhalt werden natürlich von Ihnen bestimmt. Andernfalls könnte ich mir einen Artikel zum Thema «Wie kann ich Internet-Troll rechtlich belangen» vorstellen. Ein sicherlich interessantes Thema, was ich bei Ihnen so noch nicht gefunden habe.
Sollten Sie Interesse an einer Zusammenarbeit haben, so können Sie mich bzgl. der Kooperationsmöglichkeiten für Ihre Webseite gerne kontaktieren.
Was wäre denn die Gegenleistung?
Ein nett formuliertes Mail, das mit Lob für meine Website nicht geizte und mir obendrein versprach, die manchmal mühselige Aufgabe, dieses Blog hier zu bespielen, etwas zu erleichtern. Ist es nun mein professioneller Zynismus, dass ich gleich misstrauisch wurde – oder vielleicht der Umstand, dass im Mail nicht erwähnt wurde, was für eine Gegenleistung man von mir erwarten würde? Eine «Kooperation» ist bekanntlich etwas anderes als ein Geschenk.
Ich hatte unmittelbar keine Lust, das herauszufinden, und schrieb zurück, was ich in solchen Fällen immer schreibe: «Vielen Dank für Ihr Angebot, aber wie die Unterzeile in meinem Blog (‹Hier bloggt der Chef persönlich›) verrät, nehme ich keine Texte zur Veröffentlichung an, weder gratis noch gegen Bezahlung. Ich bin Journalist von Beruf und wende die geltenden Standesregeln auch in meinem Blog an.»
Testsoftware nehme ich gerne, aber…
Das hat den Herrn aber nicht abgeschreckt:
Sie könnten auch gerne selbst einen Artikel verfassen. Es gäbe von unserer Seite die Möglichkeit Ihnen interessante Software für einen Test bereitzustellen.
Interessant könnte für Sie sicherlich ein Sicherheitspaket oder Programme wie der Webdesigner 10 von Magix oder auch der Foto und Grafik Designer [sein]. Wäre jetzt nur ein Vorschlag meinerseits, sollte dennoch kein Interesse bestehen bedanke ich mich auf diesem Wege für die rasche Rückmeldung.
Gut, gegen Testsoftware ist nichts einzuwenden. Ich bin als Journalist auf Leihgaben der Hersteller angewiesen, weil es das Budget nicht zulässt, die Produkte jeweils zu kaufen. Und als Blogger kann man von einem Budget für Testprodukte überhaupt nur träumen. Ich bin zwar kein grosser Fan der Magix-Produkte, aber da die weitverbreitet sind, mache ich nicht grundsätzlich einen Bogen um sie. Ich teilte das in meiner Antwort mit.
Es gibt keine Vorab-Zusagen und keine Veröffentlichungs-Garantie
M.W. meinte dann:
Ich könnte Ihnen gerne den Music Maker 2015 zusenden. Sie müssten mir nur zusagen, dass Sie innerhalb der nächsten zwei Monate einen kleinen Artikel darüber verfassen und unsere Plattform Netzsieger punkt Däh Äh verlinken. Ich bräuchte zum Versenden der Software noch Ihre Adresse.
For future reference sei hier meine Antwort auf diesen Vorschlag festgehalten: «An Testsoftware geknüpfte Bedingungen kann ich nicht akzeptieren. Ich habe ja die journalistischen Richtlinien erwähnt, die ich auch beim Bloggen einhalte. Sie besagen, dass nur redaktionelle Weisungen zu befolgen sind (Punkt 10). Ich nehme konkret das Recht in Anspruch, über ein Produkt nicht zu berichten, wenn es sich beim Test als nicht relevant erweist.»
Dumme Masche
Ausserdem werde ich Netzsieger punkt Däh Äh hier in diesem Blog garantiert nicht verlinken, weil dort absolut tote Hose herrscht und faktisch keinerlei Zusammenhang zwischen meiner Besprechung zu dieser Plattform besteht. Das ist ein untauglicher Versuch, sich ins Gespräch zu bringen. Ich kann Anbieter mit solchen Maschen einfach nicht ernst nehmen: Macht doch eine tolle Plattform mit guten Inhalten, dann werden die Besucher schon kommen.
Und auch Blogger werden darüber schreiben, und zwar sogar, ohne dass sie mit Testsoftware bestochen worden sind. Denn Blogs wie dieses hier leben von guten Inhalten. Über gute Inhalte schreiben Blogger wie ich noch so gerne – gratis!
Man kann das Problem natürlich abtun: Bloggen ist nur ein Hobby. Was schadet es denn, wenn einer damit ein paar Rappen oder Pfennige, Pardon: Cents nebenbei verdient? Es gab bei früheren Diskussionen auch diejenigen, die mich ziemlich unverblümt als Trottel abgestempelt haben: «Was, du lehnst freiwillig Geld ab? Wie doof ist das denn?»
Es gibt auch geschickte Vereinnahmungsversuche
Aber so reagieren kann nur jemand, der das Wort Korruption noch nie gehört hat. Oder dem es egal ist, selbst ein wenig korrupt zu sein. Man kommt als Blogger nicht darum herum, sich Gedanke zu machen, für welche Formen der Unterstützung man offen ist und für welche nicht. Die Grenzziehung ist allerdings längst nicht immer so einfach wie beim Fall von M.W.. Schliesslich gibt es auch Unternehmen, die geschickter agieren – und um die man nicht einfach nonchalant einen Bogen machen kann, wenn sie einem dumm kommen.
Apple ist ein schönes Beispiel, was das angeht. Richard Gutjahr beschreibt im Beitrag Der Apfel fällt nicht weit vom Bann die Mechanismen treffend. Apple würde niemals eine Forderung wie «Machen Sie mal einen Link zu apple.com unter Ihren Text!». Aber es ist schon klar, dass ein Testgerät mit der unausgesprochenen Aufforderung verknüpft ist, auch in entsprechendem Mass über Apple zu berichten.
Das stellt in der Praxis keinerlei Problem dar, da Artikel über Apple gern gelesen werden, mit hervorragenden Klickzahlen glänzen und Apple nach wie vor relevant genug ist, um mit journalistischer oder bloggerischer Aufmerksamkeit bedacht zu werden. Dennoch ist es eine Abhängigkeit, die sich für mich oft wie eine unsichtbare Fessel anfühlt.
Wie damit umgehen?
Klar: Indem man das Dilemma transparent macht. Bei mir ist das so: Ich gehe nicht auf Vereinnahmungsversuche wie die von M.W. ein, und ich mache sie gelegentlich publik (Warum man besser selber bloggt, Guten Tag, dürfen wir Sie kaufen?). Ich verwende Testsoftware und -produkte – aber nicht, wenn Bedingungen daran geknüpft sind. Bezahlung oder Aufwandsentschädigungen nehme ich nicht an und Produkte werden nach der Testphase zurückgeschickt oder gekauft.
Journalistenrabatt? Dauerleihgaben?
Da existieren auch die berühmt-berüchtigten Journalistenrabatte und die ebenso berühmt-berüchtigten Dauerleihgaben. Beide Unterstützungsformen sind grundsätzlich heikel, aber meines Erachtens in einzelnen Fällen zulässig.
Sie können die journalistische Arbeit verbessern, man sie für die Arbeit selbst einsetzt. Andererseits muss man, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, manche Gadgets auch einfach intensiv und längerfristig nutzen – ohne dass man deswegen das private Budget überstrapazieren sollte. Ich habe einige Dauerleihgaben im Einsatz (im Moment ein iPhone 6 und zwei iPads, plus ein älteres Surface Pro von Microsoft und einen Tolino Shine) und ich habe auch schon nach Journi-Rabatten gefragt. (Zum letzten Mal bei der im Beitrag Kamera für Selbstdarsteller) besprochenen Legria Mini, die mir Digitec mit zehn Prozent Nachlass verkauft hat.)
Klar – schöner wäre, wenn es ohne diese Unterstützung ginge. Und ja: Die Einnahmen durch die Adsense-Werbung und Flattr hier im Blog schaffen mehr Unabhängigkeit!
Fazit: Ich finde gut, dass es das Blogger-Manifest gibt (siehe bzw. höre SRF-Medien-Talk). Das ist eine gute Diskussionsgrundlage. Aber letztlich muss sich jeder selbst Gedanken machen und einen Umgang mit der «Gegenseite» finden, den er vor sich und seinen Lesern rechtfertigen kann.