Comicfigur bläst in ein Horn, während eine andere Figur die Ohren zuhaltend «PRRRR» laut ertönt. Hintergrund: Auto und Baum. Kunstwerk auf Leinwand.

Elonmus bekommt eins auf die Nus(s)

«Asterix in Lusi­ta­nien» ist eine gelun­ge­ne Folge in un­se­rer liebs­ten Comic­reihe. Mit einem Schlenker zur KI gibt sie uns die Gele­gen­heit dar­zu­legen, warum das Er­zäh­len einer Fort­setzungs­ge­schich­te eine un­ter­schätz­te Kunst ist.

Es geht nicht um Bluetooth und nicht um die künstliche Intelligenz. Das Internet liegt in weiter Ferne. Hier geht es um eine altmodische Intrige, die ganz ohne Identitätsdiebstahl, Kryptobetrug, Ransomware und Pig Butchering auskommt – wobei wir mit den Schweinen der Sache langsam näherkommen. Denn Schweine, in ihrer undomestizierten Form, sind bekanntlich die Leibspeise des Sidekicks in diesen Geschichten: Obelix hat Wildschweine zum Fressen gern.

Comic-Cover: Zwei Comic-Charaktere gehen durch ein Dorf mit mediterranen Häusern. Segelschiffe im Hintergrund. Oben stehen Titel und Autoreninformationen.
Das dahinten muss der Tejo sein.

Seit vor gut zehn Tagen Asterix in Lusitanien in einer Rekordauflage über die bekannte Welt hereinbrach, kann man in der Stadt keinen Schritt mehr tun, ohne das Cover in irgendeinem Schaufenster zu erblicken. Fast so gegenwärtig sind die Rezensionen (hier, hier oder hier), und sie sind sich mehrheitlich einig: Das neue Abenteuer der beiden Gallier ist gelungen. Watson lehnt sich am weitesten aus dem Fenster, indem der neue Band zum besten seit 50 Jahren gekürt wird – also seit dem Tod von René Goscinny.

Die Mischung der Zutaten machts

Gelobt werden, wie SRF meint, dass «wie beim Zaubertrank die richtigen Zutaten drin sind». Denn wenn es hier im Blog sonst meist um Innovationen geht, besteht das Geheimnis der Asterix-Geschichten darin, dass die gleichen Muster auf andere Art reproduziert werden – und je näher sie dabei den Ursprungswerken kommen, desto mehr schätzen wir Leserinnen und Leser das.

In diesem neuen Abenteuer gelingt das, weil das Spiel mit den Stereotypen rund um das Zielland Portugal charmant, abwechslungsreich und auch in der deutschen Übersetzung ideenreich ist: die überall eingestreuten Tilden und das Pseudo-Portugiesisch («Kabeljão»), die neuen Figuren mit den lustigen Namen (Fetter Bonus, Schãoprozes) die charmanten Anachronismen («Essão», Marcus Zuckergus, Elonmus), und natürlich der Knatsch mit dem Passwort, den Asterix und Obelix für den Zugang zur lusitanischen Zweigstelle von Garum Lupus benötigen). Die beiden Autoren Fabcaro und Didier Conrad brillieren, wenn Obelix die Portugiesen mit den Spaniern und den Fado mit dem Flamenco verwechselt, und wenn sie nicht auf Action und Spektakel, sondern auf erzählerische Wendungen setzen – auch wenn die finale Keilerei mit den Römern am Ende natürlich nicht fehlen darf.

Die Erfolgsformel ist bekannt – lässt sie sich da nicht per KI reproduzieren?

Damit ich hier nicht bloss das wiederhole, was all die anderen Artikel über «Asterix in Lusitanien» bereits breitgetreten haben, und mit dem ich völlig einverstanden bin, ein (womöglich) origineller Gedanke – mit dem wir obendrein wieder in der Gegenwart und bei einem Dauerthema hier im Blog landen: Warum, so könnte man sich fragen, produziert die künstliche Intelligenz nicht mindestens einen neuen Asterix-Band pro Woche, pro Tag oder – genug Rechenleistung vorausgesetzt – pro Stunde? Denn wie konstatiert, begeistern diese gallischen Geschichten umso mehr, je genauer sie unsere Erwartung erfüllen. Und die lässt sich anhand der vorhandenen Bände so klar umreissen, als wäre sie in einem Felsblock eingemeisselt.

Um die Probe aufs Exempel zu machen, fordere ich die gängigen Chatbots auf, mir eine passende Idee zu unterbreiten¹:

  1. Gemini: «Astérix und Obélix reisen zu den germanischen Stämmen für ein Bierbrauer-Duell!»
  2. Mistral: «Asterix und der verzauberte Menhirwald – Druidenwettstreit um Galliens Seele.»
  3. ChatGPT: «Asterix in Helvetia: Käse, Kräuter und ein kaiserlicher Komplott.»
  4. Claude: «Asterix und Obelix helfen Helvetiern gegen römische Steuereintreiber im Alpenpass.»
  5. Grok: «Asterix und Obelix entdecken vergessene gallische Artefakte gegen Römer.»
  6. Apertus: «Asterix und die Klimakrise – Asterix und Obelix reisen ins Jahr 2024, um die Klimakonferenz zu retten!»
  7. Meta AI: «Die gestohlene Göttlichkeit: Asterix rettet den Olymp»
  8. Perplexity: «Asterix und der Algorithmix: Gallier trotzen künstlicher Intelligenz im römischen Reich.»
  9. Gist: «Asterix rettet Pikten, besiegt Römer, rettet Kilt, feiert.»

Uns fällt auf, dass ChatGPT und Claude beide auf die Idee verfallen, Asterix bei den Schweizern zu plagiieren. Gist schlägt uns eine Geschichte vor, die 2013 unter dem Titel Asterix bei den Pikten erschienen ist. Apertus und Perplexity versetzen die Handlung in die Gegenwart bzw. machen zu starke Anleihen am 21. Jahrhundert. Was Grok meint, erschliesst sich mir nicht und Meta müsste uns erklären, wie sich die griechischen Götter mit Jupiter, Neptun und Mars vertragen – abgesehen von der Tatsache, dass in den Comics die Gestalten der Mythologie zwar ständig angerufen werden, aber nie in Erscheinung treten, weil real existierende religiöse Erscheinungen den Handlungsrahmen auf geradezu extreme Weise verschieben würden.

Asterix am Oktoberfest?

Nicht völlig deplatziert wirken lediglich die Vorschläge von Mistral und Gemini. Beide Chatbots knüpfen bei Asterix und die Goten an. Mistral stellt einen Bezug zum Druidenwettstreit her und Gemini bringt die Goten als ostgermanisches Volk ins Spiel. Der verzauberte Hinkelsteinwald ist mir zu mystisch, aber der Bierbrauer-Wettkampf hat Potenzial. Aber es bleibt unwahrscheinlich, dass er nicht weit hinter Der Kampf der Häuptlinge zurückfallen würde.

Also: Keine Idee ist überzeugend. Dabei besteht die grösste Stärke der künstlichen Intelligenz darin, das Prinzip der Wahrscheinlichkeit auf alles und jedes zu übertragen.

Eine unterschätzte Kunst

Das lehrt uns, dass die künstliche Intelligenz eben keinen künstlerischen Verstand besitzt. Und der wäre notwendig, selbst wenn es nicht so scheinen mag. Gerade die Aufgabe, eine altbekannte Geschichte anhand einer frischen Idee anders zu erzählen, erfordert viel Fingerspitzengefühl und die Fähigkeit, das Bekannte und das Neue exakt in die Balance zu bringen. Oder anders gesagt: Nicht nur etwas nie Dagewesenes zu erschaffen, ist ein kreativer Akt. Das Weiterführen einer Idee, die einmal gezündet hat, ist ebenso kreativ. Ein Sequel, das es schafft, aus dem Schatten des Vorgängers herauszutreten, ist eine besondere schöpferische Leistung – und obendrein eine, die von den Kritikern unterschätzt und kaum gewürdigt wird.

Fussnoten

1) Prompt:

Was wäre eine originelle Idee für einen neuen Asterix-Band? Beschreibe mir in maximal zehn Wörtern eine Geschichte, die sich harmonisch in die bisherige Reihe eingliedern und die Erwartungen von Leserinnen und Lesern optimal erfüllen würde.

Beitragsbild: Die rausgestreckte Zunge gilt dem besagten Elonmus (Danor Shtruzman/Flickr.com, CC BY 2.0).

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