Nach seiner Eloge auf das Schweizer Trend-Getränk überhaupt kam beim Teeologen einiges in Gang. Von einer Lebenskrise zu sprechen, wäre übertrieben. Aber der Mann, der seine gesamte professionelle Laufbahn der nüchternen, unabhängigen und unbestechlichen Beurteilung von aromatischen Aufgussgetränken gewidmet hatte, begann sich zu fragen, ob der richtige Moment für einen beruflichen Spurwechsel gekommen sei.
Es drängte sich die Idee in seinen Kopf, den Kritikerhut an den Nagel zu hängen und sich stattdessen der Förderung der hiesigen Matekultur zu widmen. Er sah sich bereits als Matebotschafter Markenbotschafter für jenes Getränk, das diesen Sinneswandel verursacht hatte.
Ja, der Teeologe wollte – wiedergeboren als Mateeologe – zum Fürsprecher dieses prestigeträchtigen Cold-Brew-Getränks werden und fortan durch die Lande tingeln, um die wenigen verbleibenden Unbekehrten vom bemerkenswerten Geschmack und der belebenden Wirkung seines neuen Lieblingsgebräus zu überzeugen. Als Erstes wäre er nach Berlin-Mitte gereist, um dort einem selbst ernannten «Mate-Connaisseur» die Meinung zu geigen: Der hatte von einem «abgefüllten Brausetabletten-Erzeugnis» geschnödet und sich erdreistet, zusammen mit zwei Freunden dem gehuldigten Getränk bloss drei von zehn Punkten zu geben.
Dem Wahnsinn ganz umsonst vertraut
Nun, aus dem Plan wurde nichts. Unser Teeologe ist kein Markenbotschafter für El Tony Mate, obwohl er bereit war, sein Leben auf dessen Firmenmotto «Trust your madness» auszurichten. Womöglich war sein Vertrauen in den Wahnsinn nicht gross genug. Jedenfalls liebt er zwar die Originalvariante von El Tony. Doch mit den beiden Produktdifferenzierungen Mate & Ginger und Mate & Mint wurde er nicht so warm, dass er sie gegen Anfeindungen von Berliner Mate-Ignoranten hätte verteidigen wollen.
Die Sache hat ihr Gutes: Der Teeologe bleibt uns erhalten und verhilft uns weiterhin zu unvergleichlichen Einblicken in die wunderbare Welt der gebrauten Tanksale. Heute tut er das, indem er völlig unvoreingenommen einen Nachahmer auf seine El-Tony-Qualitäten hin untersucht. Es gibt einen Schweizer Detailhändler mit notorischem Drang zur Imitation: die Migros. Sie hat beim Kaffee den Hag in einen Zaun verwandelt und die Freitagstasche um einen Tag vordatiert. Und sie hat sich das Produkt Lamate ausgedacht, das für einen Franken oder gar 95 Rappen erhältlich ist, während das Original mindestens neunzig Rappen mehr kostet.
Lamate von der Migros: Gut, aber nicht gut genug
Im ersten Augenblick ist die Zunge des Teeologen irritiert: Ist dieser Nachbau nicht hervorragend gelungen? Eröffnet sich sogar die Chance einer Markenbotschaftertätigkeit in Duttis Gnaden? Doch unser Experte ist nicht dafür bekannt, sich vom ersten Eindruck täuschen zu lassen. Darum merkt er schnell: Das Original ist ein Quäntchen harmonischer und runder im Geschmack. Das spürt er in der Nase, wo sich El Tony mit mehr Selbstbewusstsein breitmacht als die Brause im Zeichen des Kameltiers, die fahl wie eine ausgewaschene Alge wirkt. Noch deutlicher wird der Unterschied bei der Süsse. Sie ist bei El Tony unaufdringlich und bei Lamate nicht. Sie fühlt sich an den Zähnen etwas pelzig an und der Abgang schmeckt zu sehr nach Kamel … äh Karamell.
Zwei Erkenntnisse bleiben: Erstens zeigt sich, dass es feinen, kaum fassbaren Nuancen sind, die wahre Grösse ausmachen. Und zweitens: Eines haben die Kontrahenten gemeinsam. Man kann von beiden aus tiefster Seele rülpsen.