Ein Laptop steht auf einem Tisch. Der Bildschirm zeigt ein geöffnetes Browserfenster mit einer Webseite. Rechts im Vordergrund ist eine Zimmerpflanze mit gelben Blüten zu sehen. Die Umgebung ist leicht unscharf, was auf eine geringe Tiefenschärfe hinweist.

Opera stellt Microsoft und Google in den Schatten

Der al­ter­na­tive Brow­ser trumpft durch eine weit­rei­chen­de KI-Integration auf. Man könne ihn so­gar mit­tels künst­li­cher In­tel­li­genz steuern, ver­spricht der nor­we­gi­sche Her­stel­ler. Ist das die Zu­kunft? Die Ant­wort lautet: Ja, aber!

Die künstliche Intelligenz macht sich in den Browsern breit. In Firefox gibt es eine praktische Linkvorschau, und in Google Chrome und Edge sind erste Anzeichen von Gemini bzw. Copilot zu sehen.

KI-Vorreiter ist indes Opera. Wenig überraschend, denn natürlich ist das die Gelegenheit für die Browser-Alternative, sich von den Schwergewichten abzusetzen. Mit Dia gibt es sogar ein Surfprogramm, das ganz auf die KI-Ära ausgelegt ist. Dia ist der Nachfolger des Arc-Browsers, der die hohen Erwartungen nicht erfüllt, wie der Chef, Josh Miller, Ende Mai darlegte.

An dieser Stelle soll es um Opera gehen, speziell um die KI-Features. Dieser Internet-Veteran – das dazu gehörende Unternehmen wurde vor dreissig Jahren gegründet – verfügt seit einigen Versionen über den eingebauten Chatbot Aria. Über die Seitenleiste existiert ferner eine unkomplizierte Möglichkeit für den ChatGPT-Einsatz. Nebenbei bemerkt, deponieren wir dort weitere häufig benutzte Dienste wie Slack, Discord, aber auch Whatsapp, Telegram, Facebook Messenger, Bluesky oder Twitter. Selbst Spotify findet dort Platz, und über die sogenannten Seitenleisten-Erweiterungen sind auch Features möglich, die es von Haus aus nicht gibt. Ein Konzept, das mir gut gefällt.

Nicht auf ein Sprachmodell beschränkt

Aria erblickte 2023 das Licht des Internets. Zu den technischen Gründen schreibt Opera:

Aria basiert der Composer-Infrastruktur von Opera. Das LLM ist mit der GPT-Technologie von OpenAI verbunden und wird durch Fähigkeiten wie die Integration von Live-Daten aus dem Internet erweitert.

Composer bildet die technische Grundlage und wird wie folgt beschrieben:

Die Composer-Infrastruktur von Opera ist leicht erweiterbar. Sie ermöglicht Aria Verbindungen zu mehreren KI-Modellen. Sie soll mit Features Funktionen wie Suchdienste von wichtigsten Partnern angereichert werden.

Das klingt nach einem Vorteil gegenüber den grossen Konkurrenten wie Google und Microsoft. Für die ist der Browser auch ein Vehikel, um die hauseigenen Produkte in Umlauf zu bringen. Opera ist in der Lage, die Sprachmodelle anzubieten, die die Anwenderschaft nachfragen und eine möglichst breite Palette an Aufgaben bewältigen.

Der passende Moment, um festzuhalten, welch grosser Vorteil Offenheit und Unabhängigkeit für uns Anwenderinnen und Anwender bedeutet. Wir sind nicht in einer Gemini- oder Copilot-Monokultur gefangen, sondern haben die Freiheit, nach unseren Bedürfnissen und nach Lust und Laune zu entscheiden.

Gratis und ohne Account nutzbar

Zurück zu Aria:

Bei der Google-Suche hilft Aria ohne weitere Umstände mit passenden Instruktionen weiter.

Diese KI ist nicht nur über die Seitenleiste zugänglich, sondern auch über die Kommandozeile. Und zwar, notabene, ohne dass wir ein Benutzerkonto anlegen oder etwas bezahlen müssten. Ich bin gespannt, ob das so bleiben wird. Denn bekanntlich ist der Betrieb grosser Sprachmodelle rechenintensiv und teuer.

Aria wird über die Tastenkombination Shift Command 7 beim Mac und Shift Ctrl 7 bei Windows aktiviert. Sie stellt mehrere Modi zur Verfügung, die per Tabulator durchgeblättert werden:

  • Schreiben: In diesem Modus korrigiert Aria den eingegebenen Text, formuliert ihn um oder erstellt einen Text anhand der Vorgaben.
  • Seitenkontext: So aktiviert, hat Aria Zugriff auf den Inhalt der geöffneten Webpage. Die KI liefert Zusammenfassungen oder weitergehende Informationen.

Spannend sind vor allem die Browser-spezifischen Funktionen der künstlichen Intelligenz: Die sorgen dafür, dass die Integration auch tatsächlich einen Unterschied macht. Alles andere – beispielsweise Text-Operationen – bewerkstelligen wir genauso gut auf herkömmliche Weise, d.h. über chatgpt.com, claude.ai oder perplexity.ai oder über die nativen Apps. Zugegeben, wir sparen uns Copy-Paste-Aktionen via Zwischenablage. Doch auch für diese Arbeitserleichterung muss die KI nicht direkt im Browser eingebaut sein. Sie lässt sich z.B. auch über die hier beschriebene Chatbot-Verknüpfung in Firefox realisieren.

Besonderes Augenmerk verdient der Seitenkontext-Modus, der auf der Integration basiert. In dem lassen wir uns direkt Tipps zu bestimmten Web-Anwendungen geben: Zum Beispiel, wie wir auf nur Treffer von Schweizer Websites erhalten oder welche Tricks es auf Youtube zur Steuerung der Wiedergabe gibt.

Mit der Medienkompetenz ist es nicht weit her

Die Auskunft zu Breitbart ist nicht das, was ich mir erhofft habe.

Eine Anwendungsmöglichkeit finde ich besonders vielversprechend: die angewandte Medienkritik. Sollten wir auf einer Website landen, die uns unbekannt ist und bei der wir uns nicht sicher sind, ob wir den dargebotenen Informationen auch vertrauen sollten, dann wäre eine entsprechende Auskunft hilfreich. Das bedeutet zwingend, dass die KI auch tatsächlich Medienkompetenz aufweist. Aria hat in der Disziplin leider gar nichts zu bieten:

  • Zu Clickomania.ch stellte ich die Frage: «Was weisst du über diese Website?»
    Die Antwort lautete «Grok ist eine KI, die auf Twitter aktiv ist und überraschenderweise als nützlich empfunden wird.» Aria nimmt offensichtlich auf den ersten Blogpost auf der Startseite Bezug. Während meines Tests ist das meine Sammlung von einigen Tricks Grok.
  • Bei Breitbart wollte ich wissen: «Wie verlässlich ist diese Website hier?»
    Auch hier erfolgte die Beurteilung anhand des ersten Beitrags. Aria ignoriert die Positionierung dieses News-Netzwerks als rechtspopulistisch bis rechtsextrem.

Dieser Meta-Aspekt wäre eine riesige Chance, sich als KI-Browser zu profilieren und den Nutzerinnen und Nutzern eine Möglichkeit an die Hand zu geben, sich extra-souverän durchs Netz zu bewegen. Darum: Eine tolle Gelegenheit, komplett verschenkt.

Aber vielleicht wetzt die letzte Funktion die Scharte aus?

Die wird von Opera «Agenten-KI» oder «agentische KI» genannt. Das bedeutet, dass Aria nicht nur Informationen ausspucken, sondern selbst Aktionen durchführen kann. Das sind Beispiele des Herstellers für mögliche Aktionen:

  • Bitte Aria, deine Amazon-Tabs beim Einkaufen zu gruppieren, damit du dich besser konzentrieren kannst.
  • Zu viele Tabs? Fordere Aria auf, alle Tabs ausser dem, den du gerade verwendest, sofort zu schliessen.
  • Einer nach dem anderen? Wie wäre es mit allen mit KI? Bitte Aria, einige oder alle deiner offenen Tabs mit Lesezeichen zu versehen.
  • Aria kann Tabs anheften, deine Sitzung speichern oder dir einen Neustart mit nur deinem aktuellen Tab ermöglichen.
Die Sortierung der Reiter klappt!

Die meisten dieser Aktionen liessen sich einfacher und schneller auf manuellem (herkömmlichem) Weg bewerkstelligen. Allerdings sind auch Aufgaben denkbar, bei denen das nicht möglich wäre, weil inhaltliches Wissen nötig ist. Diese Dinge habe ich ausprobiert:

  • «Gruppiere meine News-Reiter»:
    Das funktioniert tadellos.
  • «Lege mir Lesezeichen zu allen Reitern mit KI-Bezug an»:
    Das klappt nicht. Aria liefert stattdessen eine Liste mit Websites rund um die künstliche Intelligenz.
  • «Schliesse alle Reiter, die älter als eine halbe Stunde sind»:
    Totaler Fehlschlag: Aria gibt eine Anleitung, wie das manuell zu machen wäre. Und zwar für Chrome, Firefox, Edge und Safari, nicht aber für Opera.

Fazit: Der Weg ist noch weit

Ein erfolgreicher Versuch von dreien ist nicht berauschend. Primär der letzte Ausrutscher beweist, wie wenig ausgereift auch dieses Feature derzeit ist. Es birgt ein riesiges Frustpotenzial, weil wir im Voraus nicht wissen, was funktionieren wird und was nicht – und die Wahrscheinlichkeit einer Enttäuschung deutlich grösser ist als die eines Glücksmoments. Eine Methode, die den Frust zumindest etwas lindert, besteht darin, die Anfragen nicht auf Deutsch, sondern in Englisch zu stellen.

Ein Wechsel zu Opera drängt sich trotz Aria derzeit nicht auf. Aber ein zu harsches Urteil ist nicht angebracht: Ich schätze die Pionierarbeit, die die Norweger hier leisten. Und eines ist völlig klar: Über die Zeit werden die Kinderkrankheiten verschwinden und uns eine neue Form der Mensch-Maschinen-Interaktion eröffnen. Malen wir uns aus, wie wir arbeiten werden, wenn wir nicht mehr wissen müssen, wie Befehle heissen und wo sie stecken, sondern kurz unsere Absicht beschreiben!

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