Ein Smartphone zeigt ein Kartenspiel im Stil von Solitaire auf einem Emulator. Eine Hand berührt den Bildschirm und scheint die Schaltfläche «Load» zu drücken. Oben auf dem Bildschirm ist die URL einer Webseite sichtbar.

Eine geballte Ladung PC-Nostalgie direkt im Browser

PCjs Machines emu­liert im Browser den Original-IBM-PC und erweckt alte Spiele, Be­triebs­syste­me und An­wen­dungs­pro­gram­me ohne jeden Auf­wand zum Leben. Die alte Soft­ware läuft, wenn es sein muss, sogar auf dem Smart­phone oder Tablet.

Eine meiner geheimen Leidenschaften sind Emulatoren. Ein paar haben es hier ins Blog geschafft (DOS Box, QEMU, Virtualbox und Hyper-V), aber das sind längst nicht alle. Ein weiteres Exemplar ist PCjs Machines – und das hat es in sich.

Es emuliert das historische IBM-Modell (den x86-PC), verwendet dafür aber nur gängige Webtechnologien: HTML, CSS und Javascript. Das heisst: Alte Programme und Betriebssysteme lassen sich im Browser ausführen. Das zeigt erstens, wie unendlich viel leistungsfähiger die Hardware heute ist. Zweitens finde ich es auch einfach beeindruckend, dass es Leute gibt, die auf diese Weise die Computervergangenheit am Leben erhalten. Ich wäre nicht im Traum auf die Idee gekommen, dass das ein gangbarer Weg sein könnte.

Langsame Prozessoren, kleine Bildschirme, primitive Soundeffekte

Doch Jeff Parsons ist auf die Idee gekommen. Nicht nur das; er hat sie auch umgesetzt, damit alle, die sich dafür interessieren, «die langsamen CPUs, die niedrig aufgelösten Bildschirme und die primitiven Soundeffekte erleben» können, die in den 1980er- und 1990er-Jahren das Nonplusultra waren – so schreibt er es auf pcjs.org, wo sich diverse Programme und Betriebssysteme direkt ausführen lassen. Das Projekt ist Open-Source und die Quellen gibt es auf Github. Wer mag, kann die Umgebung auf einem eigenen Server betreiben und virtuelle Maschinen auf einer Website einbinden.

Das ist – ich wiederhole mich – grossartig! Für einen Artikel über 35 Jahre Microsoft Solitär konnte ich Windows 3.0 ausführen und ein Bild der Originalversion des Spiels anfertigen und habe nebenbei festgestellt, dass die Emulation auch am iPhone hervorragend funktioniert. An Touchgeräten bleibt natürlich die Herausforderung, den winzigen Mauszeiger mit dem Finger zu lenken.

Auf pcjs.org finden sich diverse startbereite virtuelle Maschinen:

Windows 95 fühlt sich an wie damals – ziemlich zäh und langsam ladend.

Nebst dem erwähnten Windows 3.0 sind auch Windows 1.o und Windows 3.1 vertreten, und selbst Windows 95 hat es ins Aufgebot geschafft. Bei diesem System stösst der Emulator im Browser zumindest auf meinem Laptop an seine Leistungsgrenzen: Das System läuft reichlich zäh. Man kann aber auch sagen, dass das zur Authentizität beiträgt. Denn vor dreissig Jahren waren wir uns gewohnt, dass jede neue Windows-Version unsere Hardware an ihr Limit treibt.

Ein ganzer Zoo an alten Programmen

Nebst weiteren Systemen aus dem Hause Microsoft – etwa MS-DOS 3.30, mit dem ich es seinerzeit öfter zu tun hatte – finden wir auch diverse Unix-, CP/M- und OS/2-Varianten vor. Leider habe ich die grafische Oberfläche bislang nicht zum Laufen bekommen. Es gibt nicht nur Betriebssysteme, sondern auch viele Anwendungsprogramme, namentlich Multiplan 2, Microsoft Word 1 und Microsoft Excel 2. Wir stellen allerdings fest, dass nicht alle Programme lauffähig sind oder wir uns daran erinnern müssen, wie wir sie in Betrieb nehmen. Darum auch die ernste Warnung, dass diese Website sich als ziemliches Stundengrab entpuppen könnte. Zumal auch einige Arcade-Spielautomaten wie Space Invaders von 1978 und Game-Klassiker wie Microsoft Flight Simulator von 1984, Commander Keen und das unvermeidliche Wolfenstein 3D emuliert werden.

Einige der Programme, die via PCjs Machines zur Verfügung stehen.

Bleibt die Frage: Können wir mit einer solchen virtuellen Maschine auch arbeiten?

Es liesse sich sogar arbeiten damit

Einmal mit Windows 3.0 bloggen? Kein Problem! (Nur der Export des Textes wird etwas knifflig werden.)

Ja: Wir dürfen virtuelle Disketten benutzen: Über das Menü am unteren Rand lassen sich Disketten auswählen, lokal (d.h. auf dem eigenen Computer) speichern und auch wieder laden (mounten). Allerdings habe ich bei meinem ersten Versuch einen mühsam unter Windows 3.0 in Write getippten Text verloren: Falls ihr plant, euren grossen 1980er-Jahre-Schlüsselroman in einer authentischen Umgebung zu tippen, empfehle ich unbedingt einen Probelauf.

Wenn das klappt, stellt sich sogleich eine nächste Frage: Ist es möglich, auch eigene Disketten zu verwenden? Auch da ist die Antwort ein Ja, wobei es auf der Hand liegt, dass sie in virtueller Form, d.h. als Image vorliegen müssen. Denn selbst wenn euer Computer ein Diskettenlaufwerk aufweisen sollte, ist es bei PCjs nicht möglich, direkt darauf zuzugreifen. (Ausprobiert habe ich das allerdings nicht, weil mein Computer kein Diskettenlaufwerk besitzt.) Um solche virtuellen Images zu verwenden, müssen sie erst mit dem PCjs DiskImage Utility konvertiert werden. Das ist auch in der Lage, aus dem Inhalt eines Verzeichnisses ein virtuelles Laufwerk zu erzeugen.

Fazit: Ein echtes Nostalgie-Highlight und ein tolles Projekt, dessen vielfältige Möglichkeiten ich wohl erst nach meiner Pensionierung werde ausloten können.

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