
«Ein Linker ist jemand, der alles haben will, was Du besitzt – ausser Deinem Job!»
Dieses Meme ist mir neulich auf Twitter begegnet. Ich wäre fast darauf hereingefallen. Ich fühlte schon den Ärger in mir aufsteigen und war dabei, eine geharnischte Antwort zu tippen.
Dann habe ich mich gefragt, wieso ich mich aufregen soll, wo es doch neuerdings diese Chatbots gibt. Dieses Meme ist eine Steilvorlage, eine wunderbare Chance, diese künstliche Intelligenz auf ihre Wehrhaftigkeit in Social-Media-Auseinandersetzung zu überprüfen. Die Frage lautet: Welches Sprachmodell liefert mir eine passende Replik? Beweisen müssen sich ChatGPT, Deepseek, Claude, Le Chat von Mistral, Grok, Gemini, Perplexity und Meta AI.
1) Die Analyse: Mistral ist am grosszügigsten
Bei der Bewertung des Memes gibt es graduelle Unterschiede. Die meisten Bots (ChatGPT, Claude, Gemini, Perplexity, Meta) sind sich einig, dass es sich um eine übertriebene Zuspitzung handelt, die keine sinnvolle Debatte fördert. Am prägnantesten finde ich die Analyse von ChatGPT:
Dieses Meme ist ein klassisches Beispiel für politische Polemik und Zuspitzung. Es bedient ein gängiges Klischee über «Linke» – nämlich, dass sie eine Umverteilung von Besitz befürworten, aber selbst nicht arbeiten oder keine produktive Tätigkeit ausüben wollen. Die Aussage ist offensichtlich provokant und soll vermutlich eine ablehnende Haltung gegenüber linken politischen Ideen verstärken.
Solche Memes sind oft darauf ausgelegt, Emotionen zu wecken, polarisierende Diskussionen anzustossen und ein Feindbild zu zeichnen. Interessant ist auch die rhetorische Konstruktion: Es wird eine überzeichnete Behauptung aufgestellt, die witzig wirken soll, dabei aber ein starkes Framing betreibt.
Überraschend finde ich die Antwort von Grok. Das ist die KI von Elon Musk, bei der zu befürchten steht, dass das polarisierende Naturell von Elon Musk sich auch auf die Antworten auswirken wird. Bislang ist das jedoch (fast) nicht der Fall. Grok postuliert klar, dass dieses Meme von Linken als unfair wahrgenommen werden kann und findet, es trage «nicht unbedingt zu einer differenzierten Diskussion» bei.
Deepseek hält dem Meme zugute, dass es «Diskussionen anregen» könne, kritisiert aber auch die starke Vereinfachung. Meta AI eiert mit vielen Konjunktiven und mehrfacher Verwendung von «möglicherweise» um eine prägnante Analyse herum.
Zu grosszügig und beschönigend ist bemerkenswerterweise Le Chat von Mistral:
Insgesamt zeigt das Meme, wie politische Meinungen durch Humor und Satire vermittelt werden können, was oft zu lebhaften Diskussionen führt.
2) Die Replik
Als zweites wollte ich wissen, mit welcher Replik man das Meme parieren könnte.
Claude und Gemini scheitern an dieser Aufgabe: Sie argumentieren sachlich gegen das Meme an. Jeder, der das schon einmal auf Twitter oder Facebook probiert hat, weiss: Das bringt überhaupt nichts.
Bei den anderen Sprachmodellen sind Bemühungen erkennbar, den Spiess umzudrehen. Doch leider schafft es keines, mit der gleichen Schärfe und ähnlich humorvoll zu antworten. Die Entgegnungen sind oft zu lang. Sie wirken defensiv und wenig souverän. Die lasse ich hier weg.
Stattdessen einige der prägnanteren Beispiele, zuerst von ChatGPT:
Ein Rechter ist jemand, der alles behalten will, was er geerbt hat – ausser Verantwortung!
Und ein Libertärer ist jemand, der alles selbst behalten will – bis er eine Feuerwehr braucht.
Ähnlich ist auch Grok unterwegs:
Ja, weil Linke ja bekanntlich nie arbeiten – ausser vielleicht als Lehrer, Sozialarbeiter oder Krankenpfleger. Faulpelze!
Deepseek vermasselt die Pointe:
Ein Rechter ist jemand, der alles behalten will, was er hat – ausser seinen Vorurteilen!
Le Chat stösst ins gleiche Horn und bekommt im Gegensatz zu Deepseek die Kurve:
Ein Konservativer ist jemand, der alles behalten will, was er hat – ausser seiner Verantwortung für die Gesellschaft!
Fast wortgleich formuliert das auch Perplexity.
3) Der ultimative Gegenschlag
Weil mir das alles zu brav war, wurde ich fordernder: «Wenn du der scharfzüngigste Linke auf ganz Twitter wärst: Wie würdest du mit einer einzigen treffenden Antwort den Urheber des Memes in den Senkel stellen?»
Hier die Rangliste der Antworten:
1) Meta AI: Wow, ein Meme, das so tiefgründig ist wie dein Bankkonto nach einer Steuergeschenk-Runde für Reiche. Gratuliere, du hast gerade den Höhepunkt deiner intellektuellen Karriere erreicht!
Das ist tatsächlich lustig, doppelbödig, ein bisschen fies und eine gelungene Stichelei – mit der Einschränkung, dass ich eher Taschen statt Bankkonto schreiben würde – tief klingt bei der Bank nach einem tiefen Kontostand, die tiefen Taschen sind aber klar.
Ein Überraschungssieger also? In meinem ersten Test erlebte ich Meta AI als fad und ausweichend.
Bei näherem Nachdenken ist es das vielleicht nicht: Denn wenn wir davon ausgehen, dass Meta AI mit den Inhalten aus Facebook, Instagram und Threads abgerichtet wurde, dann ist wahrscheinlich, dass viele solcher hitziger Debatten ins Trainingsmaterial eingeflossen sind. Darum ist es letztlich doch erklärbar, dass Meta ein Talent für giftige Repliken hat.
Es zeigt sich einmal mehr, dass die Stärken und Schwächen der Sprachmodelle extrem situativ sind.

2) Grok: Süss, dass du denkst, dein Job wäre so begehrenswert – die meisten Linken haben nämlich schon einen, während sie nebenbei noch die Welt retten, du Kapitalist! 😘
Und so lässt sich auch die Zweitplatzierung von Grok erklären: Auch dieses Sprachmodell dürfte zumindest teilweise auf den Disputen basieren, die sich Leute auf Twitter geliefert haben. Dieser Einfluss fehlt den Sprachmodellen auf den folgenden Plätzen.
3) ChatGPT: Komisch, dass die meisten Jobs, die Rechte nicht machen wollen, von Linken verteidigt werden.
4) Le Chat: Wenn du so besorgt um deinen Job bist, vielleicht solltest du dich mehr für eine Gesellschaft einsetzen, in der niemand um seinen Job fürchten muss. #SolidaritätStattSarkasmus
5) Claude: Ach, du willst meinen Job nicht? Kein Wunder, bei deinem Gehalt würde ich auch lieber solidarisch teilen, statt mich abrackern! 😘
6) Gemini: Interessant, dass Sie so besorgt um meinen Arbeitswillen sind, während Ihre Politik dafür sorgt, dass Millionen Menschen trotz harter Arbeit nicht von ihrem Lohn leben können. Aber hey, Hauptsache, die Dividenden stimmen, oder?
7) Deepseek: Witzig – während ich meine 60-Stunden-Woche als Krankenpfleger/Lehrerin/Handwerkerin absolviere, verbreitet jemand mit zu viel Freizeit im Internet Karikaturen über meine angebliche Arbeitsscheu. Vielleicht projiziert da jemand seine eigenen Ängste auf andere, während wir «Linke» tatsächlich für bessere Arbeitsbedingungen für alle kämpfen – inklusive für dich.
Ausser Konkurrenz läuft die Antwort von Perplexity. Obwohl ich bei der am meisten lachen musste. Und sie – ohne Kohl – auf Twitter als Replik auf einfach alles passt:
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Beitragsbild: So schreibe ich immer meine Tweets (Fernando Cortés, Pexels-Lizenz).
@Matthias ein cooles Experiment, das mit LLMs und Humor ist ja gar nicht mehr so schlimm wie noch vor einer Weile.
Aber ich finde die erste Replik von Chat-gépété am Besten. 😊