Die Podcast-Reihe «NDA» des «Spiegel» fand ich missglückt. Doch heute geht es um eine Audio-Produktion des Hamburger Nachrichtenmagazins, die ich gern empfehle. Sie heisst Firewall (RSS, iTunes, Spotify) und passt allein des Namens wegen schon in den Podcatcher von digital interessierten Zeitgenossen.
Es handelt sich um einen Episoden-Podcast, der sich in einer oder mehreren Folgen einem Thema aus dem Bereich der Spionage, von digitalen oder analogen Missetaten bzw. von Hacking im weitesten Sinn widmet: «Jedes System hat eine Schwachstelle, manche finden sie», heisst es im Trailer. Und ich habe mich schon gewundert, ob der «Spiegel» meinen Podcatcher übernommen hat, um diesen Podcast einzuschleusen: Er ist nämlich ohne mein Zutun aufgetaucht – ohne dass ich ihn abonniert hätte.
Nachforschungen haben eine harmlose Erklärung ergeben: Der «Spiegel» widmete für den neuen Podcast nämlich einen alten Feed um. Über den wurden vor Jahren Podcasts zu bestimmten Recherchen verbreitet: Putins Krieg im Netz, Operation Nord Stream und Krypto-Guru über Sam Bankman-Fried. Mit Ausgecheckt – das Luca-System erschien auch eine vierteilige Reihe zur Luca-App. Die begleitete uns bei Besuchen in Deutschland während der Corona-Zeit, wie manche von euch vielleicht noch erinnern mögen. Falls ich mich richtig erinnere, war sie der Grund, weswegen ich den Podcast seinerzeit abonnierte und den Feed nach dem Ende nicht löschte, aber ignorierte.
Nicht nur Pleitier, sondern auch russischer Spion
Unter dem Namen «Firewall» berichtet die «Spiegel»-Redaktorin Sandra Sperber mit wechselnden Kollegen über diverse Fälle; angefangen bei der Geschichte um das Vorstandsmitglied Jan Marsalek beim konkursiten ehemaligen Börsenwunder Wirecard. Die entwickelt sich auf eine Weise, wie man es kaum für möglich gehalten hätte: 2021, als ich Podcast «1,9 Milliarden Lügen» der «Süddeutschen Zeitung» besprochen habe, ging es noch um die Frage, wie es zu einem so epochalen Betrug hatte kommen können. Heute recherchierte der Journalist Jörg Diehl die Frage, wie sich Marsalek seinen Jugendtraum als Spion erfüllte und ein Doppelleben führte, das man sich im BND nicht im Traum hat ausmalen wollen.
Eindrücklich auch die Folge über die andauernden Sicherheitsprobleme bei Boeing und die Abstürze der Boeing 737 Max. Hier zeigt sich ebenfalls, dass die Schwachstelle des Systems der Mensch ist. Oder, je nach Weltanschauung, vielleicht auch die kapitalistische Grundhaltung, die dazu führt, dass verantwortungsvolle Ingenieure wie Martin Bickeböller nicht bloss nicht gehört, sondern regelrecht mundtot gemacht werden.
Die Deutsche Bahn als Symbol für ultimatives Systemversagen
Die weiteren Folgen sind nicht ganz so spektakulär, aber nichtsdestoweniger hörenswert: die Reichsbürger, die Online-Betrugsmethoden nach dem Pig Butchering-Prinzip, ein Leck beim Bundesnachrichtendienst und eine Abhandlung der Methoden im Infokrieg, wie er hauptsächlich von Russland gegen den Westen geführt wird. Und falls ihr Lust habt, im Feed noch etwas weiter zurückzugehen: Ich habe mir den Podcast 344 Minuten von 2023 angehört, der nichts an Aktualität eingebüsste: In einer akribischen Rekonstruktion zeigt er auf, wie eine unglaubliche Kaskade an Pannen bei der Deutschen Bahn aus einem kleinen Versehen des Lokführers eine stundenlange Odyssee Hunderter Passagiere wird.
Fazit: Spannend gemacht, abwechslungsreich und informativ. Was auf die Dauer etwas nervt, ist die Hintergrundmusik: Das eine Stück wirkt bei der x-ten Einspielung zu repetitiv.
Beitragsbild: Nicht verkehrt, den in Griffnähe zu haben (Tak Kei Wong, Unsplash-Lizenz).