Das Album Sticky Fingers der Rolling Stones wurde am 23. April 1971 veröffentlicht. Es rangiert auf Platz 64 der 500 tollsten Alben aller Zeiten der Musikzeitschrift «Rolling Stone». Und klar: Manche werden diese Platzierung für zu hoch oder zu niedrig halten und andere den Sinn solcher Bestenlisten generell infrage stellen. Trotzdem ist unbestritten, dass viele Songs grossartig sind: Was mich angeht, zählen Brown Sugar, Wild Horses, Sister Morphine und «Dead Flowers» dazu. Jedenfalls wird es weitherum als eines der besten Alben einer der massgeblichen Rockbands des zwanzigsten Jahrhunderts angeschaut.
Kultcharakter hat auch das Albumcover. Fotografiert von Andy Warhol, zeigt den Schritt eines Mannes, der in engen Jeans steckt. Die erste Pressung hatte einen echten (fürs Vinyl schädlichen) Reissverschluss, den man aufziehen konnte, und falls ich mich richtig erinnere, kam darunter eine bunte Unterhose zum Vorschein: Also alles ein bisschen anzüglich – zumal der Mann auf dem Bild einen offensichtlichen Ständer hat. Aber es passte perfekt zum provokativen Image der Rolling Stones. Es war ausserdem ein progressives Statement: Denn während Frauen in der Werbung jener Zeit und auch auf Plattenalben noch so gern in sexualisierter Form abgebildet wurden, kann ich mich an kein anderes Beispiel erinnern, bei dem ein Mann eine derart aufs Erotische zugespitzte Rolle innehatte. Und warum auch nicht? Hat es uns geschadet, dass es sich auch die heterosexuellen jungen Männer damals nicht verkneifen konnten, mal den Reissverschluss runterzuziehen?
Keiner ist nackt!

Womit wir beim Thema wären: Neulich postete ich das Albumcover auf Facebook, woraufhin es sogleich wieder verschwand: Das Bild zeige «möglicherweise Nacktdarstellungen oder sexuelle Handlungen», behauptete Mark Zuckerbergs Algorithmus in völliger Verkennung der Situation. Denn niemand ist nackt und es finden keine Handlungen statt.
Nicht nur das: Mark Zuckerberg (bzw. sein Algorithmus) sprach obendrein eine Verwarnung aus. Sollten sich derlei Vorgänge wiederholen, würden Einschränkungen die Folge sein, beschied man mir. Man räumte mir jedoch die Möglichkeit ein, die Verwarnung zu beseitigen. Dazu musste ich einen kleinen Kurs absolvieren, bei dem mir die Community-Regeln eingebläut wurden. In denen heisst es u.a. Folgendes:
Wir erlauben Bilder von Frauen beim Stillen oder Darstellungen einer Brust mit Narben infolge einer Mastektomie. Ausserdem sind Fotos von Gemälden, Skulpturen und anderen Kunstformen erlaubt, die nackte Figuren zeigen.
Da das Bild von einem bedeutenden Künstler des 20. Jahrhunderts stammt, ist es ohne Zweifel Kunst – und damit nach dieser Regel ohne jeglichen Interpretationsspielraum zulässig. Warum wird es trotzdem blockiert? Ein Fehler beim Algorithmus? Oder verstösst Facebook absichtlich gegen die eigenen Regeln?
Mark kriegt auch keine Satisfaktion
Ich bin überzeugt, dass der zweite Grund vorliegt: Garantiert war ich nicht der erste Mensch, der das «Sticky Fingers»-Cover posten wollte. Wenn ein auf Ausbeulungen in Männerjeans trainierter Algorithmus hier fälschlicherweise anschlägt, hätte man diesen Irrtum längst erkennen und beheben können. Da das nicht passiert ist, bleibt nur der Schluss, dass Mark Zuckerberg persönlich etwas gegen dieses Bild hat.
Das ist umso bizarrer, weil Zuckerberg neulich mehr männliche Energie gefordert hat. Denn wo steckt mehr männliche Energie als in dieser Bluejeans?
… und bevor sich jemand aufregt: Das war eine Pointe.
Jedenfalls drängt sich mir die Vermutung auf, dass Zuckerberg die Rolling Stones einfach nicht mag. Vielleicht, weil «I can’t get no satisfaction» so klingt, als sei es schon 1965 für den 1984 geborenen selbst ernannten Disruptor geschrieben worden? Weil Zuckerberg allein wegen seines Namens findet, er habe die klebrigsten Finger von allen? Oder weil Sex, Drugs & Rock’n’Roll einfach cooler klingt als Meta, Tracking und Cambridge’n’Analytica?
Beitragsbild: Was Mark wohl dazu sagen würde? (Brittney Witherby, Pexels-Lizenz)
@Matthias Dümmliche KI halt 🙄
@Matthias Natürliche Dummheit programmiert künstliche Intelligenz …
Ach herrje! Facebook? Das gibt es immer noch? Als einer der jüngsten Boomer bin ich da schon Jahre raus. Und ich schwör, ich habe seither keinen einzigen Berührungspunkt mehr damit gehabt. Nicht mal in Instagram. Wenn man selber nicht mehr dabei ist, könnte die gefühlte Bedeutungslosigkeit nicht grösser sein. Das letzte Mal ging mir das bei Xing so.
Mir ginge es genauso wie dir, wenn ich Metas Tun nicht aus beruflichen Gründen weiterhin verfolgen müsste. Bei Xing ist das inzwischen nicht mehr der Fall, und ich freue mich auf den Tag, wo das auch für Zuckerbergs Klitsche gilt. 😉
Hoffe ja, du wirst vom Algo nicht wieder zu Sträfzgi verdonnert. 😂