Empfehlungen der künstlichen Intelligenz taugen nicht viel: Das war meine Erfahrung neulich mit Audibles Lesetipp-KI Maven.
Auch ein Experiment mit ChatGPT ist krachend gescheitert. Ich habe meine gesamte Hörbuch-Historie exportiert und dem Sprachmodell zum Frass vorgeworfen. Da die Liste sogar die Bewertungen enthält, müsste das doch eine hervorragende Grundlage für ausgezeichnete Lektüre-Vorschläge sein, dachte ich mir. Eine völlige Fehleinschätzung: ChatGPT hat nur die ersten fünf Einträge der Liste angeschaut und mir daraufhin Bücher empfohlen, von denen er hätte wissen müssen, dass ich sie schon kenne. Den einzigen Ratschlag, den ich gelten lasse, ist, ich solle American Gods von Neil Gaiman lesen – was ich demnächst tun werde.
Die literarischen Vorlieben kundtun
Ein deutlicher Fingerzeig, es auf die althergebrachte Weise zu probieren. Ich habe mich also bei The Story Graph angemeldet. Das ist eine Bücherplattform ähnlich wie Goodreads – bloss eben nicht von Amazon.
Nach der Anmeldung könnten wir unsere Goodreads-Daten importieren. Ich habe darauf verzichtet, weil mein letzter Eintrag dort von 2013 stammt. Schön wäre natürlich, wenn ich meine Audible-Liste übernehmen könnte, was leider nicht möglich ist.
Stattdessen geben wir bis zu fünf Lieblingsgenres ein, plus einige Bücher, die wir wirklich gut finden. Hier fällt uns ein Manko auf: Es gibt nur wenige Bücher in Deutsch. Von einem meiner Lieblingsautoren, Andreas Eschbach, werden nur wenige Titel angezeigt. Nebst den Büchern dürfen wir angeben, welche Merkmale wir an Büchern schätzen – zum Beispiel realistische Erzählweise, Plot-Twists, liebenswürdige Charaktere, menschliche Einsichten, moralisch fragwürdiges Personal – und so weiter. Wir können auch Genres und Eigenschaften angeben, bei denen es uns ablöscht. Zu letzterem werden Optionen wie Vorhersehbarkeit, schlechter Stil, Horror, Sex oder traurige bzw. verwirrende Enden angeboten.
Themen ein- und ausschliessen

Schliesslich können wir auch traurige, aufwühlende oder herausfordernde Bücher ausschliessen und im Betabereich auch gewisse Themen angeben, die wir nicht mögen. Unter Advanced configuration dürfen wir unsere Vorlieben mit ein paar Stichworten beschreiben. Klar, das sind bei mir die Zeitreisen, das Multiversum und Tech-Thriller.
Daraufhin hat mir die Website tatsächlich eine Reihe von Büchern vorgeschlagen. Leider kann ich nicht alle Vorschläge auch wirklich lesen, um zu beurteilen, wie gut die sind. Es gibt aber Anhaltspunkte – ich habe nämlich geschaut, wie viele Bücher mir vorgeschlagen werden, die ich schon kenne und gut finde.
Was das angeht, schneidet The Story Graph ordentlich ab. Aufgrund meiner expliziten Vorlieben erhalte ich den Tipp, ich solle doch 11/22/63 von Stephen King, Recursion und Dark Matter von Blake Crouch lesen. Das sind drei Volltreffer.
Es gibt auch einige Vorschläge in der Liste, an die ich mich nicht mit heller Begeisterung erinnere, die aber nicht verkehrt sind. Namentlich The man who folded himself von David Gerrold, And then she vanished von Nick Jones und The time traveler’s wife Audrey Niffenegger. Es gibt auch einen Rohrkrepierer, nämlich Lost in Time von A.G. Riddle. Diesen Titel habe ich mir zu Gemüte geführt, aber ich fand die Story so an den Haaren herbeigezerrt, dass ich mich nicht dazu durchringen konnte, ihn hier zu besprechen.
Tschernobyl verhindern
Aber klar: Die Erwartung, dass eine solche Website mit ihren Empfehlungen ausschliesslich Volltreffer landet, wäre verkehrt. Darum werde ich mich an den einen oder anderen Tipp heranwagen. Vielleicht Atomic Anna von Rachel Barenbaum? Die Geschichte könnte grossartig oder haarsträubend sein – denn Anna Berkova muss sich entscheiden, ob sie ihre Tochter rettet oder die Kernschmelze von Tschernobyl verhindert.
Fazit: Ein Blick ist The Story Graph auf alle Fälle wert. Ich kann bislang nicht beurteilen, wie individualisiert die Tipps tatsächlich sind. Denn wie könnte man Kings «11/22/63» nicht nennen, wenn es um Zeitreisen geht?
Für virtuelle Lesezirkel
Die Web-Anwendung erlaubt es uns auch, Listen zu führen, beispielsweise zu gelesenen Titeln und Büchern, die sich noch auf dem Nachttisch stapeln. Wir können unseren Lesefortschritt tracken, wenn uns danach ist, den statistisch auszuwerten. Und es gibt eine Community-Komponente; via Buddy Read können wir Bücher parallel mit anderen lesen und uns an virtuellen Buchclubs beteiligen. Diese Option spare ich mir allerdings für die Pensionierung auf. Wenn ihr trotzdem schon mal mein Buddy werden wollt, findet ihr mein Profil hier.
The Story Graph kann kostenlos genutzt werden. Es gibt ein Pro-Abo, das vor allem mehr Statistikfunktionen bietet – und mit dem man, Zitat, «eine Goodreads-Alternative unterstützt, die nicht Amazon gehört».
Beitragsbild: Damit hier immer genügend Nachschub greifbar ist (Annie Spratt, Unsplash-Lizenz).