Wie Microsoft ist Google dabei, die KI direkt in die Office-Anwendungen zu integrieren. Bei MS Office heisst die KI-Komponente Copilot. Ich habe sie vor einem Jahr ausführlich getestet. Inzwischen steht sie mit dem normalen Microsoft-365-Abo zur Verfügung (Personal und Family), allerdings zu einem generell höheren Abopreis.
Google vollzieht bei den Geschäfts-Abos für die Office-Anwendungen den gleichen Schritt und integriert die Gemini-KI; auch hier zu teureren monatlichen Kosten. Interessant zu wissen: Auch Notebook LM ist in diesem Bündel-Angebot integriert: Das ist eine Anwendung für Informations- und Datensammlungen, die sich per KI erschliessen lassen, von der ich bei meinem Test beeindruckt war.
Da mein Arbeitgeber Google Workspace nutzt, habe ich dort seit ein paar Tagen Zugriff auf Gemini, sodass ich Eindrücke sammeln konnte. Die gibt es jetzt in geballter Form hier zu lesen. Für die Ausführlichkeit entschuldige mich – aber ihr könnt gern eine KI eurer Wahl für eine Zusammenfassung benutzen.😬
Die Einleitung
Also, der Reihe nach: Gemini ist in Docs, Sheets und Präsentationen eingebaut und wir finden die KI auch in Gmail, nicht jedoch in Google Forms.
Um Gemini aufzurufen, klicken wir auf das Stern-Symbol (Gemini fragen) in der rechten oberen Ecke. Fast genauso wie in Microsoft Office erscheint eine Leiste am rechten Rand, in der wir unsere Prompts absetzen und die Antworten erhalten. Falls wir den Output der KI übernehmen möchten, klicken wir auf das Pfeil-Symbol (Kopieren): So wird der Inhalt bei der Cursor-Position ins Dokument transferiert. (Ich bleibe dabei, dass es in den seltensten Fällen angebracht ist, solche KI-Erzeugnisse eins zu eins weiterzuverwenden.)
Google Docs (Textverarbeitung)
Naheliegende Aufgaben für Gemini sind das Brainstormen und das Zusammentragen von Informationen. Das Resultat dazu ist durchzogen:
- Die simple Aufgabe löst Gemini akzeptabel: Die KI fügt eine Liste mit einigen Punkten zu meiner Frage («Was kann ich mit Gemini tun?») schon formatiert in mein Textdokument ein.
- Doch schon bei der zweiten Aufgabe verweigert er sich. Ich möchte die Kritik, die ich hier im Blog an Gemini geäussert habe, kurz zusammengefasst ins Dokument übernehmen. Doch die KI behauptet zuerst, es gäbe kein Clickomania-Blog. Dann sagt sie, sie habe darauf keinen Zugriff.
- Aufgabe: «Mache mir eine chronologische Liste der Artikel, die auf Tagesanzeiger.ch zum Rücktritt von Viola Amherd erschienen sind.» Antwort: «Das kann ich noch nicht. Kann ich mit etwas anderem behilflich sein?»

Zugegeben: Gemini ist noch im Alpha-Stadium. Aber wäre eine solche Webrecherche nicht das erste, was die KI eines Suchmaschinenkonzerns beherrschen müsste? Es liegt auf der Hand, dass es für die Rohfassung bzw. das Gerüst einer Dokumentation oder Evaluation, wenn sich Informationen schneller aus dem Web zusammentragen und sauber organisiert ins Dokument übernommen werden könnten.
Doch schon bei meinen ersten Tests von Microsoft Office (auch für den Tagi) bin ich zum Schluss gekommen, dass die eigentliche Geheimwaffe der KI in Office nicht bei der Texterzeugung liegt, sondern bei der Formatierung und Strukturierung der Dokumente. Wie klappt das? Gemini soll die Rohfassung dieses Blogposts hier aufmöbeln: «Verbessere beim markierten Text die Formatierung, indem du Zwischentitel einfügst und, wo passend, Text als Aufzählung formatierst.»
Gemini fügt tatsächlich einige Zwischentitel ein. Doch leider ist das Resultat unbrauchbar:
- Googles KI verhunzt meine Typografie und macht aus den Guillemets («») gerade Anführungszeichen („“).
- Gemini formatiert die Zwischentitel auch nicht über hierarchische Formate (z.B. Überschrift 3 oder Überschrift 4), sondern als Direktformatierung mit Fettschrift. Darauf reagiere ich allergisch.

Letzter Versuch mit folgender Anfrage: «Kannst du mir zwei Screenshots, Illustrationen oder Fotos ins Dokument einfügen, um es optisch ansprechender zu machen?»
Gemini liefert daraufhin prompt vier Screenshots, bei denen es sich aber um reine Halluzinationen handelt: Es sind drei Fenster von fiktiven Programmen und eine Texttafel, in der der Satz «Was kann ich mit Gemini tun?» lesbar ist. Alles andere sind verwurstelte Buchstaben, die keinerlei Sinn ergeben. Das wirkt so, als hätte sich eine ausserirdische Lebensform ins Dokument gehackt: Das ist lustig und befremdlich gleichzeitig, hat aber keinerlei praktischen Wert.
Ein letzter Kritikpunkt: Wenn das Dokument geschlossen wird, verschwindet auch die Historie in der Gemini-Seitenleiste: So lässt sich nicht nachvollziehen, welche Anfragen wir gestellt haben, und es ist nicht möglich, auf bereits abgefragte Informationen zurückzukommen.
Google Sheets (Tabellenkalkulation)
In Google Sheets kopiere ich eine Liste mit allen meinen 2024 veröffentlichten Artikeln und probiere mit dieser Tabelle folgende Dinge:
«Markiere mir in Spalte D [mit den Titeln der Artikel] alle Dubletten» | «Sorry, I can’t help with applying conditional formatting in tables yet, but I’m still learning.» |
«Gliedere die Einträge nach dem Datum [der Veröffentlichung] in Spalte C nach Wochen und füge eine Spalte hinzu, in der jeweils die Anzahl Beiträge pro Woche aufgeführt sind.» | «Ich kann noch keine Inhalte in Google Sheets ändern. Ich kann Ihnen beim Erstellen von Tabellen und Formeln helfen. Möchten Sie das ausprobieren?» |
«Analysiere die Spalte L [mit Angabe der Rubrik bzw. der Textsorte] und mache mir ein Ranking nach Häufigkeit der Einträge.» | Das funktioniert tatsächlich! |
Wie lautet die Formel, um für jeden Eintrag in der Spalte D die Textlänge auszurechnen und für Einträge, die länger sind als 40 Zeichen das Emoji eines roten Warndreiecks anzuzeigen? | =WENN(LÄNGE(D1) > 40, LÄNGE(D1) & " ⚠️", LÄNGE(D1)) |
Das Resultat ist durchwachsen: Antworten mal in Englisch, mal in Deutsch, obwohl ich den Prompt immer in Deutsch gestellt habe. Einige auch teils banale Aufgaben beherrscht Gemini nicht, aber bei simplen Analysen hilft die KI, und sie fabriziert auch die gewünschte Formel schneller als viele von uns, die die Tabellenkalkulation nicht täglich nutzen.

Und ja: Ein Warndreieck-Emoji in Rot gibt es bislang anscheinend nicht: Gemini hat einen guten Ersatz gewählt.
Google Präsentationen
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir unsere Präsentationen selbst erstellen sollten: Denn schliesslich sind wir auch für den Inhalt des dazugehörenden Referats zuständig. Darum konzipieren wir beides am besten gleichzeitig. Das hilft, uns über die Gliederung klar zu werden und den Text auf den Folien optimal zu portionieren. Darum liegt der optimale Einsatzzweck der KI im formalen Bereich: Folien attraktiver oder übersichtlicher zu gestalten.
Darum mein erster Versuch mit einer überfrachteten Slide mit über 500 Zeichen Text: «Teile diese Folie auf zwei Folien auf oder kürze den Text.»
In der Präsentationen-App beklagt sich Gemini, Deutsch werde nicht unterstützt. Wenn der Prompt auf Englisch übersetzt wird, dann versteht ihn die KI. Das Resultat ist jedoch leider trotzdem unbrauchbar:
- Gemini denkt nicht dran, die Aufgabe gleich selbst auszuführen, sondern liefert in der Seitenleiste lediglich einen Vorschlag, wie der Text pro Folie lauten könnte.
- Dummerweise hat die KI nicht die ausgewählte Folie berücksichtigt, sondern die letzte Folie der Präsentation.
- Und die Aufteilung erfolgt willkürlich ungefähr in der Hälfte, ohne Berücksichtigung der Gliederung.
Trotz der eingangs geäusserten Vorbehalte versuche ich, mir eine Präsentation anhand eines Textdokuments zu erstellen. Das enthält wiederum den Text dieses Blogposts hier: «Verwende das Dokument ‹250124 Gemini-Testdokument› und mache daraus eine Präsentation. Gliedere die Inhalte passend in die optimale Anzahl von Folien, in denen die wichtigsten Erkenntnisse als Aufzählungszeichen aufgeführt sind. Illustriere jede Folie mit einem passenden Bild.»

Wiederum das Sprachproblem: Mit dem Prompt in Englisch teilt Gemini mit: «I am still learning how to create multiple slides at once. Can you describe 1 slide you want me to create?»
Ich wähle also die ersten beiden Absätze des Blogposts aus, verbunden mit der Forderung (in Englisch), sie auf visuell ansprechende Weise umzusetzen. Das Resultat ist hier zu sehen. Brauchbar, aber nicht sonderlich attraktiv – das 0815-Stockfoto des Mac versetzt mich nicht in Begeisterung.
Gmail
Auch im Mailprogramm steht die künstliche Intelligenz zur Verfügung. Wir können Sie verwenden, um uns den Inhalt eines E-Mails zusammenfassen oder daraus eine To-do-Liste erstellen zu lassen. Es ist auch möglich, die KI fürs Schreiben einzusetzen und eine Kürzestfassung unserer Botschaft nett ausformulieren und mit den üblichen Floskeln verzieren zu lassen.
Beispiel: Aus dem Rohtext («Leider keine Zeit für das Meeting, bitte erst in drei Wochen wieder fragen.») macht Gemini Folgendes:
Leider kann ich den Termin aufgrund meiner aktuellen Arbeitsbelastung nicht wahrnehmen. Ich bitte Sie, mich in drei Wochen erneut zu kontaktieren, um einen neuen Termin zu vereinbaren.
Da geht natürlich genauso mit ChatGPT und einem Prompt wie «Bitte formuliere die folgende Absage für ein Mail geschäftsmässig». Das Resultat lautet dann wie folgt:
Vielen Dank für Ihre Anfrage. Leider lässt es meine derzeitige Planung nicht zu, an dem Meeting teilzunehmen. Ich bitte Sie daher, in drei Wochen erneut auf mich zuzukommen, um einen passenden Termin zu finden.
Die Variante von OpenAI ist deutlich besser, weil sie noch eine Dankesfloskel einstreut und die «derzeitige Planung» deutlich neutraler ist als die «Arbeitsbelastung», die ein Burn-out erahnen lässt. Darum scheint mir ChatGPT für derlei Zwecke die bessere Wahl zu sein.
Was aber nur Gemini beherrscht, sind die Aktionen im Posteingang: Per KI können wir die ungelesenen Mails herausfiltern oder Nachrichten nach bestimmten Kriterien suchen. Die Suche funktioniert allerdings in meinem Test noch überhaupt nicht. Eine Suchanfrage («Welche neuen Mails stammen von Kollegen?») liefert allerdings eine völlig unbrauchbare Liste: Die aufgeführten Mails stammen von überall her, bloss nicht von meinen Kolleginnen und Kollegen – obwohl die anhand der Absenderadresse eindeutig zu identifizieren wären.

Fazit: Es gibt Luft nach oben
Es ist offensichtlich, dass die künstliche Intelligenz in den Büroanwendungen noch in den Kinderschuhen steckt: Vieles funktioniert nur rudimentär oder gar nicht. Doch auch das Potenzial zeichnet sich ab: Wenn Gemini (oder auch Microsoft Copilot) bei den formalen Dingen wie Recherche, Dokumentengliederung, Bebilderung, Formatierung und Strukturierung zulegen, dann würde die KI uns tatsächlich helfen, dass wir uns mehr aufs Denken und Konzipieren konzentrieren können und uns nicht mit der Programmlogik und der Komplexität der Benutzerschnittstellen herumschlagen müssen.
Das grösste Potenzial sehe ich bei der Tabellenkalkulation: Denn via Prompt komplexe Analysen und Formeln zu erarbeiten, bedeutet, dass der fortgeschrittene Einsatz dieser Werkzeuge für Nutzergruppen möglich wird, die von den Programmen bis jetzt überfordert waren.
Beitragsbild: Die Evolution bei den Office-Robotern ist im vollen Gang (beide Bilder erstellt mit Google Gemini 1.5 Flash).