Soundcloud lässt die Nutzer schmählich im Stich

Eine fette Rech­nung für eine mi­ni­ma­le Ge­gen­leis­tung: Die Musik-Com­muni­ty hat die letzten Sym­pa­thien ver­spielt.

Dieser Blogpost verfolgt drei Ziele:

  1. In meiner Rolle als Podcaster verschaffe ich meiner Empörung über Soundcloud Luft.
  2. Der Blogpost adressiert ein grundsätzliches Problem mit digitalen Abonnementen: Bei denen zahlen wir oft für Dinge, die wir gar nicht benötigen.
  3. Und wir sehen einmal mehr, wie problematisch es ist, auf unseren Websites Inhalte von fremden Plattformen einzubinden.
Eine Preiserhöhung nur für mich? Im Mail kündigt Soundcloud eine Belastung von 99 Euro an, das auf der Aboseite 79 Euro kostet.

Aber erst einmal zu den Grundlagen: Soundcloud ist eine Online-Community für Musik und Audio-Inhalte. Es gibt sie seit 2007, aber in der breiten Öffentlichkeit ist sie zwei Jahre später angekommen. Sie war 2011 eine unserer Lieblings-Apps auf Radio Stadtfilter, und kurz danach habe ich mich entschieden, meinen Verschwörungstheorie-Podcast via Soundcloud zu veröffentlichen.

Zu diesem Zweck habe ich 2012 den Lite-Plan für 29 Euro pro Jahr abgeschlossen. Da ich den aber bald gesprengt habe, bin ich im Dezember beim Solo-Plan gelandet, der (mit Rabattcode) bereits mit 50 Euro zu Buche schlug. Schon ein Jahr später war er nicht mehr verfügbar. Ich musste zum Next Pro-Abo wechseln, das satte 79 Euro kostet.

Diese 79 Euro bezahle ich brav Jahr für Jahr, obwohl mein Podcast im Juli 2016 ausgelaufen ist. Seitdem habe ich keine neuen Inhalte mehr produziert, aber das Abo weiterlaufen lassen, damit der Backkatalog online bleibt. Nun sollte ich Ende 2023 plötzlich zwanzig Euro mehr bezahlen. Dieser happige Preisaufschlag auf 99 Euro ist einer der Gründe für meine Empörung.

Die grosse Abhängigkeit

Auf ihn komme ich gleich zurück, aber erst noch ein kleiner Exkurs, warum ich mein Abo nicht schon 2016 gekündigt habe, als es mit meinem Podcast vorbei war.

Das liegt daran, dass die alten Folgen zu meinem grenzenlosen Erstaunen noch immer gehört werden. Acht Jahre später gibt es drei, vier Wiedergaben pro Tag – mit einzelnen unerklärlichen Ausreissern nach oben. Am 26. November 2023 verzeichnete ich sagenhafte 256 Plays. Im letzten Jahr wurden knapp 4000 Folgen gespielt. Die Statistik reicht bis ins Jahr 2016 zurück, und in den letzten acht Jahren hat Soundcloud 134’000 Plays für mich gezählt.

Weniger Einschaltquote, gleicher Abopreis.

Dieses Ergebnis lässt sich mit der Redewendung «zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig» zusammenfassen. Es freut mich natürlich, dass mein kleines Projekt nicht sang- und klanglos unterging. Aber 79 Euro für insgesamt 4000 Plays ist ein finanzielles Missverhältnis: Ich subventioniere jede Wiedergabe mit fast zwei Eurocent.

Die falschen Versprechen

Damit sind wir beim Problem: Soundcloud ist und war nie die richtige Plattform für mein Projekt. Die Zielgruppe sind Musiker, die sich von ihren Fans bezahlen lassen können.

Doch leider war das 2012 nicht absehbar. Ganz im Gegenteil: Soundcloud hat sich damals explizit für diesen Zweck angeboten:

Soundcloud schien 2011 daher eine wirklich gute Wahl: Die Veröffentlichung der Inhalte war einfach, es gab einen schicken Webplayer, der sich supereinfach in den Blogposts hat einbinden lassen. Alternativen wie Spotify Anchor existierten längst noch nicht. Und da mein damaliger Hoster VTX sehr knauserig mit dem Serverspeicherplatz war, hätte ich meine «Verschwörungstheorie der Woche» niemals selbst hosten können.

Es ist aber unübersehbar, dass Eric Wahlforss schnell das Interesse an den Podcasts verlor: Es gab nach 2012 keinerlei Weiterentwicklung mehr, die in irgendeiner Form den gesprochenen Inhalten zugutegekommen wäre.

Die unfaire Preisgestaltung

Es gibt einen zweiten Grund für Empörung: die Preisgestaltung. Ich finde es grundsätzlich völlig okay, dass Soundcloud nicht kostenlos für Inhaltsanbieter ist. Denn aus einer Gratiskultur ergibt sich eine einseitige Abhängigkeit, wie bei Youtube exemplarisch zu beobachten ist.

Es ist jedoch nicht zweckdienlich, alle Inhaltsanbieter über einen Kamm zu scheren. Das geht nicht für Musikerinnen und Musiker auf, denn es macht einen Unterschied, ob jemand eine Handvoll Leute an seinem Hobby teilhaben lässt oder ob die grosse Karriere anstrebt.

Noch fragwürdig wird es bei den Podcast-Produzenten. Wenn wir uns die Beschreibung des Next Pro-Abos ansehen, dann stellen wir fest, dass sie die allermeisten Funktionen, die sie sich einkaufen, überhaupt nicht benötigen. Ich zähle bloss einige auf:

  • Unbegrenzte globale Distribution von Releases über mehr als 60 soziale Netzwerke und Streaming-Plattformen, einschliesslich Spotify, Apple Music und Tiktok: Ein Podcast braucht bloss einen RSS-Feed, um Verbreitung zu finden.
  • Durchgängige Distribution von Releases mit regelmässigen und ununterbrochenen Tantiemenzahlungen und fanbasierte Tantiemen
  • Eine Content ID von Youtube für die Monetarisierung von Musikwiedergaben in Videos
  • Zugriff auf das Promotional Toolkit
  • Auszahlung von Tantiemen an andere Mitwirkende
  • Rabatte bei Partnern wie Splice, Serato und Tracklib
  • Gratis-Track-Mastering mit Dolby

Das typische Problem von Bündelangeboten: Sie wirken auf den ersten Blick attraktiv, weil wir ganz viele Dinge zu einem Einheitspreis bekommen. Doch in aller Regel wäre es günstiger, wenn wir die Möglichkeit hätten auszuwählen, was wir wirklich benötigen.

Warum gibt es bei Soundcloud diese Möglichkeit nicht? Für mich als Podcaster gibt es nur einen einzigen Grund, weswegen ich nicht mit dem kostenlosen Next-Abo über die Runden komme. Das ist die Beschränkung auf drei Stunden Material. Mein Podcast besteht aus 124 Folgen und 767 Minuten Wiedergabezeit; 587 Minuten zu viel. Warum also nicht einfach ein Abo für ein paar Euro, das diesem Umstand Rechnung trägt?

Das harte Fazit

Wo ist bloss das Lite-Abo hin?

Wir kommen an dieser Stelle nicht um ein hartes Fazit herum: Ich fühle mich für dumm verkauft. Es wäre das mindeste, eine Art «Legacy»-Abo für Podcaster anzubieten. Denn auch wenn es einem Dienst natürlich zusteht, seine Strategie zu ändern und Geschäftszweige wie das Podcasting aufzugeben, wäre es doch anständig, das offen zu kommunizieren und die treuen Kunden – für die es ein unverhältnismässiger Aufwand wäre, ihre Inhalte zu einem anderen Anbieter zu transferieren – nicht im Regen stehenzulassen.

Doch was tut Soundcloud stattdessen? Man nutzt die Abhängigkeit weiter aus. Ich habe eingangs meine Zahlungshistorie erwähnt. Dort sieht man, dass die Preise über die Jahre kräftig angehoben wurden: von 29, auf 50 Euro und dann auf 79 Euro.

Die ungeklärte Preiserhöhung

Und jetzt eben anscheinend 99 Euro: Am 18. November 2024 erhielt ich ein Mail, in dem es hiess, meine Kreditkarte würde einen Monat später mit diesem Betrag belastet. Auf der Abo-Seite ist von diesem Preis nichts zu sehen. Handelt es sich um einen Irrtum¹? Ich habe mich beim Support nach der Ursache erkundigt, habe aber nach fast zwei Monaten und mehreren Nachfragen keine Antwort erhalten: Keine akzeptable Art, mit einem langjährigen Kunden umzuspringen.

Das hat zwei Konsequenzen:

  1. Ich habe die langjährige Beziehung beendet und das Abo gekündigt.
  2. Ich schreibe im Titel, dass Soundcloud seine Nutzerinnen und Nutzer im Stich lässt. Meine Kritik äussere ich aus Sicht des Podcasters. Doch wenn man auf eine simple Abrechnungsfrage während Wochen keine Antwort erhält, dann ist das unzumutbar, egal, zu welcher Kundengruppe man zählt.

Die grosse Abhängigkeit, Fortsetzung

An dieser Stelle landen wir unweigerlich bei der Enshittification-These von Cory Doctorow: So sympathisch ein Internet-Start-up anfänglich auch sein mag, irgendwann fängt es damit an, uns Nutzerinnen und Nutzer über den Tisch zu ziehen. In dem Fall kommt ein ärgerlicher Aspekt dazu: Ich habe die Podcast-Folgen auch hier im Blog verlinkt. Da ich meine Rechnung nun nicht mehr bezahlt habe, sind die nun teilweise verschwunden. Soll ich mir die Mühe machen, sie ins Blog hochzuladen und neu zu verlinken? Ich habe keine Lust auf diese Arbeit.

Dieser Blogpost schliesst mit einer bitteren Lektion: Es ist ein unkalkulierbares Risiko, sich für Inhalte auf Drittdienste zu verlassen – und erst recht sollten wir überlegen, was wir auf unseren Websites einbetten und was wir selbst hosten.

Und zugegeben, diese Lektion ist nicht neu. Drei exemplarische Belege:

Fussnoten

1) Inzwischen ist zumindest dieses Rätsel gelöst: Auf der Aboseite ist das Next-Pro-Abonnement verschwunden. Es wurde durch die Abos Artist für 35 Franken pro Jahr und Artist Pro für 95.40 Franken pro Jahr ersetzt. Soundcloud wollte mir noch im alten Jahr den neuen Tarif verrechnen, obwohl dieses neue Abo offensichtlich erst Anfang 2025 freigeschaltet wurde.

Das steht in einem eindeutigen Widerspruch zur Behauptung auf der Hilfeseite:

Next Plus- und Next Pro-Abonnenten zahlen weiterhin den gleichen Preis, d. h. sie erhalten alle Vorteile eines Next Plus- und Pro-Tarifs und noch mehr, ohne zusätzliche Kosten.

Das dürfte daher ein Fehler sein. Dass Soundcloud trotz mehrerer Anfragen an den Support nicht in der Lage ist, diesen Irrtum innerhalb nützlicher Frist aufzuklären, ist ein Armutszeugnis sondergleichen.

Ist wenigstens das neue günstigere Artist-Abo eine Option für Podcaster wie mich? Leider nein. Es beinhaltet genau die gleiche Upload-Limite auf drei Stunden, die auch bei der kostenlosen Nutzung greift. Man bezahlt hier für Funktionen wie das Austauschen von Tracks und den «stummen Modus», bei dem Kommentare und Playcounts zum Verschwinden gebracht werden können.

Beitragsbild: Falls er gerade meinen Podcast hört, sollte er sich beeilen (Rachit Tank, Unsplash-Lizenz).

2 Kommentare zu «Soundcloud lässt die Nutzer schmählich im Stich»

  1. Verstehe das Problem nicht. 2011/12 war doch keine Internet Vorzeit mehr. Unzählige Hoster (1und1, hosteurope etc) boten Pakate mit ausreichend Speicherplatz an (M/L Pakete für 30-40 euro im Jahr), sogar WordPress war bereits weit verbreitet. Ich habe seit 2006 diverse Podcasts selbst auf eigenem webspace gehostet. MP3/M4A auf den webspace geladen, die RSS Datei Anfangs noch manuell im Texteditor erstellt (später konnte man das automatisieren) Fertig war der Schuh.

    Wenn man Herr über die RSS Feed Datei ist, wäre es zudem jederzeit ein leichtes gewesen (und ist es noch) mit den Audiodateien umzuziehen. Audiodaten woanders hinladen, in der XML/RSS Datei neuen Link der Audiodaten eintragen. Ready. Wenn man jedoch von vornherein alles (also vom audiohosting bis zur quelle/speicherplatz der XML/RSS Feed Datei) ausgelagert hat, dann hat man schlicht und einfach von Anfang an einen elementaren Fehler gemacht. Nicht nur das, sondern es offenbar auch 15 Jahre lang versäumt hier nachzukorrigieren.

    Nicht Soundcloud hat dich im Stich gelassen. Du hast einfach 15 Jahre nicht auf Veränderungen und Entwicklungen eines Anbieters reagiert. Dabei ist ein erstellen und auch ein Umzug via RSS/Audiohosting keine Hexerei.

    1. Klar war es schon vor 14 Jahren möglich, einen Podcast selbst zu hosten. Aber genau zu diesem Ansatz, der für unerfahrene User Tücken bereithält, hat sich Soundcloud damals als Alternative anerboten – darum ist es natürlich legitim zu überprüfen, was aus dem Versprechen von damals geworden ist.

      Abgesehen davon erwähne ich auch den grossen Vorteil, den das Hosten von Podcasts bei Soundcloud bis heute hat: Das sind die Abrufzahlen. Die kommen dank des Netzwerkeffekts zustande. Mein Beispiel wäre selbstgehostet wohl nur auf einen Bruchteil der Abrufzahlen gekommen und würde heute überhaupt nicht mehr gehört. Deswegen hat Soundcloud absolut eine Berechtigung – und ich begrüsse es auch sehr, wenn sich z.B. nicht Spotify das Podcat-Geschäft in Gänze einverleibt. Darum ist es schade, dass die erwähnten Nachteile heute leider dagegen sprechen, Soundcloud für Podcasts zu empfehlen.

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