Das Jahr, als Mark Zuckerberg seine Verkleidung ablegte

2024 hat der Meta-Chef äus­serlich eine be­mer­kens­wer­te Wand­lung voll­zo­gen: Er kleidet sich nicht mehr wie ein Nerd, son­dern nach der Mode der Mafiosi. Ist das ein Zei­chen für Ehr­lich­keit – oder dafür, dass auch in der Tech-Branche neue, un­gemüt­liche Zei­ten an­brechen?

Es will etwas heissen, dass einem zu Meta und Facebook als Erstes die Sperenzchen des Chefs einfallen. Mark Zuckerberg gab sich 2024 ein neues Image: Die grauen T-Shirts und Hoodies waren bisher das Markenzeichen des Meta-Chefs. Die dicken Pullis hat er auch bei Interviews nicht abgelegt, selbst wenn ihm der Schweiss nur so übers Gesicht lief – nachzulesen in Kara Swishers Autobiografie «Burn Book».

Doch er hat seinen Kleiderschrank radikal ausgemistet. Heute trägt er Designerklamotten, Goldketten und eine Lockenfrisur. Der neue Stil, den auch Jeff Bezos trägt, heisst bei «Business Insider» «Mob Chic» («Mafiachic»). «The Times» bezeichnete diese bemerkenswerte Veränderung als «Zuckaissance»: Zuckerberg scheint nicht mehr der steife Nerd sein zu wollen. Das treibt er so weit, dass er einen Song mit Rapper T-Pain veröffentlichte. Keine Frage: Zuck will endlich cool sein. Er will auch auf eine jüngere Generation attraktiv wirken. Schliesslich wurde er dieses Jahr vierzig.

Die Midlife-Crisis des Mark Zuckerberg

Böse Zungen sprechen von einer Midlife-Crisis. Und sie spekulieren darüber, wie sich der neue Stil aufs Unternehmen auswirkt. Eine Folge des zuckerbergschen Lebenswandels lässt sich dem Geschäftsbericht entnehmen: Er warnt vor den riskanten Hobbys des Chefs: Kampf- und Extremsport sowie die Fliegerei könnten zu dessen vorzeitigem Ableben führen. Die Gelegenheit, in einem Käfigkampf dahingestreckt zu werden oder einen anderen Milliardär ins Jenseits zu befördern, hat sich jedenfalls auch 2024 nicht ergeben. Wir erinnern uns: Mark Zuckerberg hatte 2023 ein kindisches Geplänkel mit Elon Musk am Laufen, man könne geschäftliche Differenzen doch «wie Männer» bereinigen. Trump-Handlanger Musk fing Ende Juli noch einmal damit an, doch den grossen Worten folgten keine Taten. Vermutlich war der Twitter-Chef dann doch zu sehr mit seinen politischen Ambitionen im Windschatten des President-elect beschäftigt.

Apropos Musk: Angesichts der offenen Frage, ob sich der Twitter-Chef mit diesen windigen Polit-Manövern zu einer globalen Machtfigur aufschwingen konnte, müssen wir dankbar sein, dass Zuckerberg keine politischen Ambitionen hegt. Seine Gesinnung wirkte dieses Jahr «flexibel». Man könnte auch opportunistisch sagen: Zuckerberg schrieb Ende August einen Brief, den man als vorsorgliche Massnahme für einen möglichen Trump-Sieg deuten kann:

Meta-Chef Mark Zuckerberg bedauert, dass er dem Druck der Regierung Biden nachgegeben hat, Inhalte auf Facebook und Instagram während der Koronavirus-Pandemie zu «zensieren», wie er es nennt. In einem Brief an den Vorsitzenden eines Ausschusses des US-Repräsentantenhauses erklärte er, dass einige Inhalte – darunter auch Humor und Satire – im Jahr 2021 auf Druck von hochrangigen Beamten entfernt wurden.

Und Meta spendete eben eine Million Dollar für Trumps Amtseinführung.

Bussen, Rekordgewinn und KI-Empörung

Was war sonst 2024 bei Facebook los? Mitte November verhängte die EU eine Strafe von 798 Millionen Euro, weil der Facebook-Marketplace sosehr mit dem sozialen Netzwerk verbandelt sei, dass das gegen die Kartellvorschriften verstosse. Facebook scheffelte ordentlich Geld: Es gab im dritten Quartal 2024 einen Gewinn von 15,7 Milliarden US-Dollar bei einem Umsatz von 40,6 Milliarden – was einer enormen Rendite entspricht. Die Gewinnmarge ist 38,7 Prozent, falls ich richtig gerechnet habe.

Und das bei einem Geschäft, das lief, wie gewohnt. Nur im Juni gab es einen kurzen Moment der Empörung, weil die Öffentlichkeit davon Wind bekam, dass Meta ungefragt mit den Daten von Nutzerinnen und Nutzern KI-Training betreibt.

Auch in der Tech-Branche wird es hart und kalt

Zurück zur «Zuckaissance»: Ist die zu begrüssen, weil es lächerlich ist, wenn ein Milliardär sich wie ein Teenager kleidet? Ist es ein Zeichen für einen Kulturwandel im Silicon Valley? Es ist längst überfällig, dass mächtige und kalt auf ihre Interessen bedachte Manager nicht mehr vorgeben, unser aller Kumpel zu sein. Es handelte sich um eine Art Verkleidung und um geschicktes persönliches Marketing – ebenso wie die Erzählung, dass all die Tech-Moguln als begeisterte Bastler in ihren Garagen angefangen haben. Die allzu verfängliche Botschaft: Wir sind freundlich, harmlos und wir wollen nur das Beste für alle.

Das war zwar schon immer gelogen, aber es war enorm effektiv. Darum müssen wir uns fragen, warum Mark Zuckerberg im Jahr 2024 die Zeit für reif hält, die Verkleidung abzulegen. Wenn wir diese Wandlung politisch-gesellschaftlich deuten, dann kommen wir zum Schluss, dass die egalitären Bestrebungen nicht mehr so angesagt sind wie früher. Vielleicht hat Zuckerberg das Buch Das Ende des Wokeismus von Andreas Brenner oder After Woke von Jens Balzer gelesen. Nein, vermutlich nicht.

Aber es steht ausser Frage, dass das kältere, härtere gesellschaftliche Klima in der Tech-Branche angekommen ist. Denn wie erwähnt nennt sich dieser neue Stil «Mob Chic»; die Mode der Mafiosi. Wenn wir nicht unterstellen, dass Zuckerberg von diesem Zusammenhang keine Ahnung hat, dann sollten wir uns darauf gefasst machen, dass dieser Wandel nicht bloss äusserlicher Natur ist. Er wird sich bald auch bei den Tech-Produkten bemerkbar machen – und in der Art und Weise, wie mit uns Konsumentinnen und Konsumenten umgesprungen wird.

Beitragsbild: Mark Zuckerbergs Hoodie hat ausgedient (Stable Diffusion).

2 Kommentare zu «Das Jahr, als Mark Zuckerberg seine Verkleidung ablegte»

  1. Zuckerberg war wohl nie woke, sondern er hat ein sehr flexibles Rückgrat und passt sich der jeweils geschäftlich für ihn vorteilhaftesten Bewegung an.

    Da Trump und Musk jetzt Freunde sind und grosse Pläne bezüglich „Big Tech“ haben, hat er gemerkt, dass er sich besser unterordnet. Er hat im Mar-a-Lago die Nationalhymne angehört, gesungen von Leuten, die wegen der Krawalle vom 6. Januar 2021 verhaftet wurden. Als Biden an der Macht war, hat er Trump wegen genau dieser Krawalle das Facebook-Konto gesperrt.

    Quelle: https://bsky.app/profile/bgrueskin.bsky.social/post/3ldaazmf2vs2j

    Passender Kommentar von fefe dazu: „Da haben ja südamerikanische Diktatoren subtilere Unterwerfungsrituale.“

    Ich denke, man sollte die Hoffnung auf ein „gutes“ Facebook vergessen. Entstanden ist es, um das Aussehen von Studentinnen zu bewerten und jetzt ist es ein gewinnorientiertes Unternehmen ohne Moral. „Leute zusammenbringen“ war nur mal ein Werbespruch.

    Es wäre jetzt die Gelegenheit, sich von den Produkten von Meta zu lösen. Einen Tesla kauft man ja auch nicht mehr.

    1. Da hast du recht. Ich wollte auch nicht andeuten, dass Zuckerberg selbst woke gewesen sei. Ich meinte es so, dass er auf die gesellschaftliche Stimmung reagiert, die sich nun gegen egalitäre Bewegungen gewandt zu haben scheint.

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