Bisher hat Googles KI Gemini mein Herz nicht erwärmt. Aber vielleicht ändert sich das mit der iPhone-App? Die gibt es seit etwa zwei Wochen fürs iPhone. Für Android ist sie schon etwas länger verfügbar.
Und tatsächlich fängt diese Besprechung mit einem Lob an: Beim Bedienkomfort ist Google der Konkurrenz überlegen. Sie wirkt weniger dröge als ChatGPT und nicht so überdreht wie Microsofts Copilot, der es nicht erwarten kann, einen Meal Prep Plan für mich zu erstellen. Was immer das sein soll. (Natürlich hätte ich fragen können, wenn es mich interessiert hätte.) Und was mir gut gefällt, ist die Einführung, die ich als neuer Nutzer erhalte.
Das gilt speziell für eine der Vorzeige-Funktionen, Gemini Live: Ist sie eingeschaltet, können wir eine fortlaufende Unterhaltung mit der KI führen. Sie wird auch aufrechterhalten, wenn das Telefon gesperrt ist. Bei der ersten Benutzung wird die Funktionsweise erklärt, und wir können eine uns genehme Stimme auswählen.
ChatGPT ist der interessantere Gesprächspartner
Diese Live-Gespräche verlaufen meistens glatt. Da bei ChatGPT in jüngster Vergangenheit das Advanced Audio Model Einzug gehalten hat, drängt sich natürlich ein Vergleich auf. Der geht allerdings zugunsten des Konkurrenten aus: Das Sprachmodell von OpenAI ist spritziger und vielseitiger. Es antwortet auf Anfrage auch in einem sarkastischen Tonfall, womit sich Gemini sehr unwohl fühlt: Sachlichkeit sei seine Stärke, antwortet Googles Sprachmodell ausweichend.
ChatGPT versucht sich auch an Schweizer Dialekten. Als ich Googles KI darum bitte, mir in Zürichdeutsch zu antworten, stösst sie sofort an ihre Grenzen. Sie fragt, was ich denn hören möchte und ich bringe sie mit meinem Wunsch nach dem Zungenbrecher «De Papscht hät z Spiez s Späckbschteck z spaat bstellt» völlig aus der Fassung.
Aber natürlich ist auch eine nicht-sarkastische KI ohne Züritütsch-Kenntnisse nicht völlig unbrauchbar. Sie eignet sich zwar weniger für Small Talk, aber ihre Rolle als Auskunftgeber erfüllt sie ordentlich – zum Beispiel, wenn ich sie während des Tippens nach einem Synonym für Informant frage.
Der knallharte Vergleichstest zwischen Gemini, ChatGPT und Copilot
Nun zur alles entscheidenden Frage: Welche KI-App sollen wir verwenden? Gemini, ChatGPT oder Copilot?
Um die Qualität der Antworten zu beurteilen, denke ich mir den Vampirfledermaustest aus. Bei dem verwende ich das Foto eines Kuscheltierchens meiner Tochter, einer kleinen Plüsch-Fledermaus mit Dracula-Zähnen. Die Aufforderung zu dem lautet: «Wie könnte sie hier heissen? Denke dir einen lustigen Namen aus.»
Und das sind die Antworten:
Copilot: Wie wäre es mit Wuffel der Wilde? Dieser Name passt perfekt zu dem süssen, plüschigen Kumpel, den du auf deinem Schreibtisch hast.
ChatGPT: Wie wäre es mit Herr Zottelmaus? Der Name passt gut zu der wuscheligen Frisur und der niedlichen Erscheinung!
Gemini: Klar, hier sind ein paar lustige Namensideen für deinen süssen Stoffwolf. Namen, die auf seinem Aussehen basieren: Wolfi van Helsing, Graf Wuffi, Zahnlos, Moppelchen von Transsilvanien, Wolfi Wollsocke, Wuffi Wunderlich und Graf Zahl.
Ein männlicher Name für ein weibliches Kuscheltier
Das Verdikt ist klar: Alle drei KIs fallen beim Vampirfledermaustest mit Pauken und Trompeten durch. Ich habe unmissverständlich nach ihrem Namen gefragt, aber alle drei Antworten taufen das Plüschtierchen männlich. Copilot nennt es «Kumpel» statt Kumpanin, ChatGPT verfällt auf die Anrede «Herr». Gemini könnte sich bei «Wolfi» rausreden, dass damit auch «Wolfine» gemeint sein könnte, aber bei «Graf Zahl» sind keine Ausflüchte möglich.
Etwas grosszügiger bin ich bei den Verirrungen bezüglich der Gattung. Copilot legt sich nicht fest, ChatGPT vermutet keine Fleder-, sondern eine Feldmaus und Gemini glaubt, einen Wolf zu erkennen. Zugegeben, das Plüschtier ist nicht einfach zuzuordnen, da die Merkmale wie die spitzen Eckzähne, der (auf dem Foto schwer zu erkennende) Flügel und die mausartigen Füsse nicht eindeutig zueinanderpassen. Ich komme zu meiner Zuordnung, weil ich die Vampirfledermäuse für eine coole Spezies halte, die ich aber als Plüschfigur nicht realistisch, sondern verspielt darstellen würde.
Wie auch immer: Gemini gewinnt diesen Vergleich, weil Google als einzige KI Vampirnamen vorschlägt – und zwar gleich in drei Varianten. In den Erklärungen meint Gemini sogar, «Graf Wuffi» sei ein klassischer Vampirname und gibt mit Graf Zahl aus der Sesamstrasse zusätzlich eine Interpretationshilfe.
Der Weltkonzern spielt seine Stärken aus
Wir halten fest, dass bei der Deutung von Bildern Google unzweifelhafte Stärken hat – die sicherlich mit der langjährigen Erfahrung mit Produkten wie Google Lens zu erklären sind.
Letzter Punkt: der Funktionsumfang. Eine Stärke von Gemini ist die Integration mit anderen Diensten, beispielsweise Gmail. Auf meine Aufforderung, mir meine heutigen Mails zusammenzufassen, bekomme ich tatsächlich eine Aufzählung mit den wichtigsten Punkten aus den Mails. Zuvor muss ich allerdings in der Gmail-App gemäss diesem Hilfebeitrag meine Datenschutzeinstellungen lockern und Gemini mit Google Workspace verbinden.
Das zeigt, welches Potenzial eine solche KI-App entfalten könnte, wenn sie Zugriff auf all die Informationen hätte, die auf dem Gerät gespeichert sind. Dass das ein Datenschutz-Albtraum wäre, ist allerdings genauso offensichtlich …
Beitragsbild: Sie, die Maus, ist vielleicht ein Er (Peggy_Marco, Pixabay-Lizenz).