Crossover eröffnet auf dem Mac die einfachste Methode, um Windows-Programme auszuführen. Der Nachteil ist, dass nicht alle Windows-Anwendungen auf diese Weise betrieben werden können.
Bevor ich das im Detail erkläre, ist an dieser Stelle ein längerer Exkurs leider unvermeidlich:
Es ist bei den meisten Betriebssystemen möglich, Apps auszuführen, die von Haus aus inkompatibel sind. Der Trick ist, die passende Umgebung über eine Software bereitzustellen. Man spricht von einem Emulator, Hypervisor oder auch einer virtuellen Maschine¹. Auf diese Weise lässt sich auf einem iPad Windows betreiben. Mittels Virtualbox lassen sich unter Windows neue und uralte Systeme ausführen, ebenso auf dem Mac. Weitere bekannte Produkte aus dieser Kategorie sind Parallels für den Mac, Vmware und Qemu aus der Open-Source-Welt².
Sie erfüllen den Zweck, erfordern aber einen grossen Aufwand. Denn um ans Ziel zu kommen, müssen wir erst die virtuelle Maschine einrichten und dann auf der das gewünschte Betriebssystem installieren – das womöglich eine Lizenz benötigt. Wenn wir so weit sind, können wir unser Programm auf dieser virtuellen Maschine einrichten und ausführen.
Ohne den ganzen Betriebssystem-Heckmeck
Geht das nicht einfacher? Im Fall des Macintosh darf ich diese Frage wie eingangs angedeutet bejahen: Das Programm Crossover erlaubt es uns, Windows-Anwendungen unter Mac OS auszuführen, ohne dass wir dafür in Windows in einer virtuellen Maschine installieren müssten. Die Methode besteht darin, dass die Windows-Programmschnittstellen nachgebildet werden. Man nennt das auch Kompatibilitätsschicht, weil die Systemaufrufe des Programms für das vorhandene Betriebssystem übersetzt werden.
Hinter Crossover steht übrigens ein alter Bekannter: Wine stammt aus der Unix-Welt und wird schon seit mehr als dreissig Jahren (1993) entwickelt. Und da auch Mac OS auf Unix basiert, lässt sich dieses Projekt auch auf die Apple-Welt adaptieren. Wine und Crossover eröffnen auch unter Linux zugang zu den Windows-Programmen.
Und so funktioniert es: Wir installieren die Crossover-App, die mit knapp 400 MB Installationsdatei und gut einem GB nicht gerade ein Leichtgewicht ist – aber da sie alle wichtigen Windows-Systemaufrufe übersetzen können muss, ist diese Grösse leicht erklärlich.
Einfacher als unter Windows selbst
Nachdem die App läuft, werden über den Knopf Installieren die Windows-Programme eingerichtet. Ironischerweise funktioniert das für klassische Windows-Programme (WinAPI) komfortabler als unter Windows selbst: Crossover funktioniert nämlich wie ein App-Store. Das gewünschte Programm wird heruntergeladen, sodass wir uns nur noch kurz durchs Setup klicken müssen, um die Software anschliessend benutzen zu können. Ich habe das für einige meiner Lieblings-Windows-Programme (u.a. Notepad++, Filezilla) und bin zügig zum Ziel gekommen.
Im Katalog von Crossover wird nur ein Bruchteil aller Windows-Programme angeboten; es sind auf der Hauptseite vor allem Spiele (Counter-Strike, Cyberpunk 2077, Diablo, The Witcher 3 und – warum auch immer Quicken Classic). Doch fehlende Anwendungen lassen sich in vielen Fällen manuell installieren. Ich habe es (natürlich) mit Clickomania probiert – und zwar erfolgreich. Allerdings wird nach dem Auspacken des Installationsarchivs keine ausführbare Datei gefunden. Doch die lässt sich manuell starten, indem wir in der Seitenleiste bei Flaschen den Eintrag Clickomania auswählen und dann rechts bei Flaschenaktionen auf Laufwerk c: öffnen klicken. Nun können wir uns zur Exe-Datei durchkicken, die daraufhin auch ohne Weiteres ausgeführt wird.
Ein ganzes Flaschenregal
Ach ja, warum in Crossover von Flaschen und nicht von Programmen die Rede ist, erschliesst sich nicht automatisch. Meine Vermutung wäre, dass es sich um eine Anspielung auf das zugrundeliegende Wine-Projekt handelt. Demnach wäre jedes Windows-Programm ein eigenes Tröpfchen.
Fazit: Gut zu wissen! Bei meinem Test bin ich mit Crossover zügig ans Ziel gelangt. Wenn es darum geht, mit ein paar wenigen Windows-Anwendungen zu arbeiten, dann ist dieser Weg einfacher und schneller, als wenn wir Parallels oder Virtualbox bemühen würden. Wir müssen uns auch nicht mit Windows herumschlagen, benötigen keine Lizenz und sind nicht damit konfrontiert, dass die Windows-Anwendungen als Fenster im Fenster in der virtuellen Umgebung laufen³.
Die Nachteile sollen hier nicht verschwiegen werden: Es laufen längst nicht alle Anwendungen in Crossover. Programme, die besondere Schnittstellen oder Treiber benötigen, werden nicht ausgeführt. Das gilt meines Erachtens auch für UWP-Apps, auch wenn hier etwas anderes behauptet wird. Darum kann Crossover nicht als Universallösung betrachtet werden. Auch ein Nachteil: Crossover ist mit einem Preis von 74 US-Dollar für die gelegentliche Nutzung etwas teuer.
Fussnoten
1) Der Emulator bildet die Original-Hardware und das Betriebssystem nach, sodass Programme ausgeführt werden können, für die es eigentlich eigene Geräte bräuchte. Beispiel: Ein Gameboy-Emulator für den PC. Der Hypervisor ist die Software, die die virtuellen Maschinen verwaltet und ihnen Zugriff auf die zugrundeliegende Hardware gibt. Die virtuelle Maschine wiederum ist eine eigene Computerumgebung. Mit dieser Methode ist es möglich, virtuell mehrere Computer parallel zu betreiben. So könnten auf einem echten Windows-Rechner mehrere virtuelle Windows-Rechner betrieben werden, die z.B. unterschiedliche Versionen des Betriebssystems ausführen oder in denen potenziell gefährliche Experimente ausgeführt werden, die sich nicht aufs Hauptsystem durchschlagen dürfen. ↩
2) Der Vollständigkeit halber sei auch noch Bootcamp von Apple erwähnt: Diese Methode macht aus dem Mac ein Dualboot-System, das Windows nativ ausführen kann. Auf den Computern mit Apples eigenen Prozessoren der M-Linie ist sie nicht mehr anwendbar und daher heute kaum mehr relevant. ↩
3) Mit dem nahtlosen Modus lässt sich dieser Effekt vermeiden, aber als benutzerfreundlich habe ich den nie erlebt. ↩
Beitragsbild: Einen gewissen Anlauf braucht es, um über die Betriebssystemgrenzen hinwegzukommen (Laura S, Unsplash-Lizenz).