Stopp dem Abo-Wahn!

Das Smart­home geht an der Gier der Her­stel­ler zugrunde. Beweis­stück A: Die My­strom-Adapter, die nun vor allem dazu da sind, Kunden für noch so selbst­ver­ständ­liche Features extra be­zah­len zu lassen.

Die Mystrom-Adapter erlauben es, beliebige am Stromnetz angeschlossene Geräte per App via Smartphone ein- und auszuschalten. Das ist praktisch für Lampen, Lüfter, Luftbefeuchter oder Elektroöfen. Oder Computer: Denn einmal eingeschaltet, können wir aus der Ferne auf sie zugreifen und mit ihnen arbeiten.

Die Mystrom-Adapter gibt es seit mehr als zehn Jahren; 2011 kamen sie erstmals auf den Markt. Einen Aufschwung erlebte sie vor acht Jahren, als das Smarthome der Hype der Stunde war. Ich verrate kein grosses Geheimnis, wenn ich hier schreibe, dass die Begeisterung inzwischen abgeflaut ist: Die meisten Familien in meinem Dunstkreis nutzen das eine oder andere smarte Gerät. Aber niemand verspürt mehr grosse Lust auf die Komplettdigitalisierung aller Haushaltsgeräte, Lampen, Türschlösser – und was man sonst ans Netz hängen könnte.

Das sind die Gründe für die verschwundene Euphorie:

  • Zu kompliziert und zu wenig verlässlich. Bei vielen Geräten überwiegen die Probleme, die man sich mit der Digitalisierung einhandelt, deren Vorteile bei weitem.
  • Zu wenig sichtbare Fortschritte. Apple hat Homekit 2014 eingeführt. Seitdem schleppt sich dieses Projekt vor sich hin. Matter, der offene Standard kommt nicht vom Fleck.
  • Datenschutzbedenken. Der angebliche Angriff mittels smarter Zahnbürsten war zwar eine Ente. Trotzdem wird das Internet der Dinge als Sicherheitsrisiko wahrgenommen. Zu Recht.

Der Hauptgrund scheint mir aber ein anderer zu sein: die Gier der Unternehmen. Oder sollte ich von Dummheit sprechen?

Kommen wir auf die Mystrom-Adapter zurück. Hier im Haushalt gibt es inzwischen fünf Stück. Sie erfüllen ihre Aufgabe zuverlässig. Wir nutzen vor allem die Zeitsteuerung, und gelegentlich schalten wir sie nach Bedarf ein oder aus. Manchmal sogar per Siri (😯).

Erschüttertes Vertrauen

«Einzigartige Funktionen».

Vor einiger Zeit ist der Hersteller auf die Idee verfallen, die Geräte mit Abos zu koppeln. Gewisse Funktionen gibt es seitdem nur noch gegen Geld.

Die Grundfunktionen werden zum Glück nicht tangiert. Mit einer Ausnahme: Die Daten-Auswertung, wann ein Gerät lief und wie viel Strom es gezogen hat, ist ohne Abo nur noch für eine Woche ersichtlich. Wenn es darum geht, die Adapter zur Optimierung des Stromverbrauchs einzusetzen, ist das viel zu wenig.

Also, um obige Frage zu beantworten: Dummheit passt ganz gut für das, was Mystrom hier tut. Aus heiterem Himmel ein solches Abo einzuführen, erschüttert das Vertrauen in dieses Produkt nachhaltig: Er führt eindrücklich vor Augen, dass Nutzerinnen und Nutzer sich beim smarten Home nie sicher sein dürfen, ob sie es in ein paar Tagen, Wochen oder Monaten noch so nutzen können, wie sie wollen. Schliesslich hindert nichts den Hersteller daran, weitere Funktionen vom kostenlosen Grundangebot ins Abo zu verschieben oder zu streichen.

Übrigens ist Mystroms Überraschungs-Abo kein Einzelfall. Für Empörung sorgte neulich V-Zug. Dort gibt es die Spezialprogramme bei Geschirrspülern, Waschmaschinen und Tumblern ebenfalls nur mit Abo. Auch da kommen wir zum Schluss, dass Dummheit eine ausreichende Erklärung dafür darstellt, dass man beim Schweizer Haushaltsgerätehersteller nicht vorausgesehen hat, wie schlecht diese «Neuerung» bei Kundinnen und Kunden ankommen würde.

Kunde = zu schröpfende Person

Zwei Abos, drei Beschreibungen.

Fazit: Dieser grassierende Abo-Wahn ist eine unmissverständliche Warnung davor, weiterhin Geld in smarte Geräte zu investieren. Ich werde Mystrom-Adapter – wenn überhaupt – nur für unkritische Dinge benutzen: für Zeitpläne und die direkte Steuerung per App.

Aber den Aufwand von ausgeklügelten Automatisierungen würde ich mir nur machen, wenn sie auf einer offenen Architektur basieren. Die Steuerzentrale muss unbedingt ein Gerät sein, das unter meiner Kontrolle steht, z.B. ein Raspberry Pi. Aber sicher keines, das auf die Cloud eines Anbieters angewiesen ist, der jederzeit auf die Idee kommen könnte, noch mehr Profit mit mir zu machen. Nebenbei ist auch eine Pleite immer eine Möglichkeit.

Ich bin leider nicht am Ende mit meiner Kritik: Nicht nur das Abo halte ich für eine Frechheit. Hinzu kommt die Schludrigkeit, mit der ich in der App zur Kasse gebeten werden soll. Wenn ich in der App auf den Knopf «Abos ansehen» (Plural) klicke, erscheint eine Übersicht mit der Gratisvariante und einem Abo (Singular). Dieses Abo heisst «Mystrom Pro» und kostet 11.90 Franken pro Jahr. Bei der Funktionsbeschreibung heisst es, dass es die gleichen Funktionen wie das «Mystrom Plus» bieten würde, mit zusätzlichen Funktionen wie unlimitierte Actions, Steuerung vom Sonos, via Ifttt und Dingz.

Das günstige Abo, das es nicht gibt

Mit anderen Worten: Irgendwie ist das günstigere «Plus»-Abo unter den Tisch gefallen. Vielleicht versehentlich. Vielleicht aber auch deswegen, weil man bei Mystrom fand, man könne die Kundschaft gleich ordentlich melken und die mittlere Preisstufe weglassen.

Daten-Auswertungen kosten nochmals extra.

Ich habe die Daten-Auswertung erwähnt: Ich habe mir natürlich die Frage gestellt, ob mit dem Pro-Abo denn längere Auswertungen als bloss über die letzten sieben Tage möglich sind. Das ist mir nicht eindeutig klar geworden: In der Beschreibung ist davon nirgends die Rede.

Ich vermute, dass das nicht der Fall ist. Grund für die Annahme ist der Umstand, dass es nebst den «Abos» auch die «Optionen» gibt. Ohne mich allzu sehr in semantische Details verstricken zu wollen, scheint es sich trotz der abweichenden Bezeichnung wiederum um Abonnements zu handeln, zumal die Kosten für ebenfalls jährlich zu begleichen sind. Jedenfalls gibt es die «Option» «Mystrom Data Pro» für 9.90 Franken pro Jahr, die eine Analyse über 48 Monate erlaubt. Unter diesen «Optionen» existiert ausserdem «Mystrome Home» für geschlagene 29 Franken pro Jahr. Die benötigten wir, wenn wir Philips Hue-Lampen, Geräte von Shelly oder Ikea Trådfri steuern wollen – hier wären die Funktionen von Mystrom Pro dann inbegriffen.

Wir lernen, dass Mystrom sogar Geld damit machen will, Geräte anderer Hersteller zu steuern. Der Gipfel der Dreistigkeit.

Beitragsbild: So nicht. Oder: Wer hat sich hier die Hände dreckig gemacht? (Lil artsy, Pexels-Lizenz).

8 Kommentare zu «Stopp dem Abo-Wahn!»

  1. @Matthias Jup sowas wird immer mehr werden erst schön die Kunden Bindung generieren und dann ein ABO machen oft haben die Kunden ja keine alternative, oder sie müssen alles neu kaufen.

    Die zweite Möglichkeit die es auch noch gibt, der Hersteller merkt das die Cloud Geld kostet und stellt sie ein, lauft auch aufs gleiche raus, die Geräte sind Elektroschrott.

    Hab von Anfang an auf freie Firmware gesetzt und es gibt immer mehr Geräte die unterstützt werden, und mittlerweile auch für nicht ESP chips z.b. Berken, RTL …

  2. In der Tat ein grosses Ärgernis. Ursache ist nicht nur die Profitgier der Hersteller, sondern die leider vorherrschende Meinung, dass alles über die Cloud funktionieren muss. Und zu einem WLAN-Schalter für CHF 20 kann man nicht kostenlos lebenslang eine Cloud mit Datenaufzeichnung bereitstellen.

    Ich weiss nicht, ob zuerst die Kunden unfähig wurden, eine Portweiterleitung einzurichten oder die Hersteller das Geld und die Kundenbindung einer Cloud geahnt haben.

    Es ist mittlerweile richtig schwierig geworden, ein Gerät ohne Cloud-Zwang zu kaufen. Früher gab es günstige Netzwerkkameras, deren MPEG-Stream man aufzeichnen konnte (zum Beispiel mit der Synology Surveillance Station) und die bei Bewegung kurze Videos auf einen FTP-Server laden und eine E-Mail verschicken konnten. Heutzutage ist alles Cloud. Allenfalls noch lokale Speicherkarte, aber dann auch nur zugreifbar per App. Eine Ausnahme sind nur noch Geräte aus dem Profi-Segment.

    Viele Geräte sind aus Kostengründen so „dumm“, dass sie nicht einmal einen Zeitplan ohne Verbindung zur Cloud ausführen können.

    Wie schon in einem Kommentar erwähnt wurde, gibt es zum Glück für viele Geräte freie Firmware. Die lässt sich dann komplett lokal steuern, zum Beispiel mit Home Assistant. Auch Datenaufzeichnung ist dank Grafana & Co. kein Problem.

    Man muss dafür keinen teuren Server betreiben. Ein Synology-NAS einer Variante mit „+“ kann Container ausführen und somit Home Assistant etc. betreiben. Inkl. eines Reverse Proxy oder VPN-Servers für den Zugriff von unterwegs.

    Auch zum Thema „Enshittification“ passend und immer wieder ein Aufreger: Die Software von neueren Multifunktionsgeräten von HP will einen HP-Account zum Scannen. Dafür gibt es keinen legitimen Grund, ausser, dass man über „interessante Neuigkeiten“ informiert werden kann.

    Kaufe ich nicht mehr. Und wenn jemand in der Bekanntschaft schon solch ein Gerät gekauft hat und mich um Einrichtung bittet, installiere ich NAPS2, ein freies Scanprogramm.

    Und zu guter Letzt ist das Abomodell bei Autos eine Quelle für unbegrenzte Wut. Beim Kauf eines Gebrauchtwagens reicht es nicht mehr, die Ausstattungsliste durchzugehen. Man muss auch noch prüfen, welche Ausstattung dauerhaft genutzt werden kann und für welche nach einiger Zeit ein Abo erneuert werden muss.

  3. @Matthias

    Als Informatiker sag ich für mich: Möglichst wenig "digital". Möglichst nichts am Internet.
    An die Lampensteuerungsfraktion: Seid ihr zu dämlich, einen Lichtschalter zu bedienen?
    Und so zieht sich das durch die Geräte. Ich käme im Leben nicht auf die Idee, Haushaltsgeräte oder Heizung in ein anderes als das Energie Liefernetz "Strom" zu packen.

    #SmartHome

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