Hohe Kunst ist das nicht

Microsofts Co­creator-Funk­tion in Paint für Win­dows im Test: Es würde deut­lich mehr Spass ma­chen, wenn diese KI-Soft­ware nicht so dumm wäre.

Bei meinem eigenen Windows-Computer ist von Microsofts KI noch immer weit und breit nichts zu sehen. Anders sieht es aus beim Yoga Slim 7x von Lenovo, das mir als Testgerät zur Verfügung steht. Dort gibt es nicht nur die Copilot-Taste, sondern auch einige weitere KI-Funktionen. Zu der zählt die Cocreator-Funktion in Microsoft Paint. Sie setzt einen Copilot+-PC voraus.

Cocreator ist ein direkt in die Bildbearbeitung eingebautes Werkzeug zur generativen Bilderzeugung. Der Name impliziert, dass wir nicht einfach nur per Prompt Bilder erzeugen, sondern kollaborativ mit der KI arbeiten. Gemeinsam entsteht ein Werk, zu dem sowohl der menschliche User als auch die künstliche Intelligenz etwas beisteuern. Thematisch, zumindest.

In Hinblick auf Cocreator hat Microsoft vor Jahresfrist die (hier getestete) Ebenen-Funktion eingebaut. Diese Ebenen bringen mich auf die Idee für meinen Test: Es soll darum gehen, bei einem Foto den echten Hintergrund durch eine KI-Kreation zu ersetzen. Simpel und einleuchtend, weil mein Foto vor einer nicht gerade repräsentativen Badezimmerwand entstanden ist.

1. Versuch: Was soll dieser lächerliche Bart?

Ich öffne also das Foto, lasse es freistellen und sage der KI, sie solle aus dem Bild eine Szene machen, in der der Mann als Tourist in Mordor zu sehen sei. Da auf meinem T-Shirt «One does not simply walk into Mordor» steht, liegt es auf der Hand, die Szene ins schwarze Land zu versetzen.

Das tut Cocreator allerdings nicht. Er beschwert sich erst einmal darüber, die Bildgrösse würde die Grenzwerte überschreiten. Die maximale Abmessung sei 2000 Pixel pro Kante. Daher kommen wir schon vor der ersten Kreation leider zum Schluss, dass Paint unsere professionellen Ansprüche nicht zu erfüllen vermag: Für die bräuchten wir schon etwas mehr Auflösung.

Ich rechne das Foto herunter und wiederhole die Instruktionen. Die KI verpasst mir ein lächerliches Bärtchen, einen roten Kopf und ein etwas orkhaftes Aussehen, aber von Mordor ist nichts zu sehen.

J. R. R. Tolkien is not amused. (Ich auch nicht.)

2. Versuch: Der Mann als Vulkan

Mir schwant, dass Cocreator nicht so funktioniert, wie ich gedacht habe. Es scheint nicht so zu sein, dass das Motiv durch die KI mit Elementen ergänzt und die Szene erweitert werden kann – dass man sie somit durch die Methode des Outpaintings ausweiten bzw. in einzelnen Bereichen mit per Inpainting verändern könnte.

Cocreator ist eine Skzizze-zu-Bild-KI: Sie nimmt ein Ausgangsmotiv und generiert daraus anhand des Prompts eine ausgearbeitete Variante. Was bei meinem Foto keinen Sinn ergibt. Um die These zu testen, lasse ich mich in einen Vulkan bzw. den Schicksalsberg verwandeln. Und siehe da, das klappt gut – es ist halt einfach nicht das Ziel, das ich angepeilt habe.

Ich als Schicksalsberg.

3. Versuch, erster Schritt: Mit dem Hintergrund anfangen

Ich habe die Idee, eine leere Ebene anzulegen und die von Cocreator als Hintergrund auffüllen zu lassen. Das funktioniert nicht; die KI scheint die einzelnen Ebenen nicht zu unterscheiden. Das ist nicht stringent und zumindest für Leute frustrierend, die von Photoshop und anderen Profi-Bildbearbeitungsprogrammen gewohnt sind, wie das funktionieren müsste.

Darum wähle ich einen anderen Ansatz: Ich lege ein neues Dokument an und zeichne die Landschaft, wie ich sie mir vorstelle. Das macht dank des Touchscreens am Yoga Slim 7x sogar Spass!

So wird ein (halbwegs brauchbarer) Schuh draus: Cocreator macht aus meiner Skizze ein Bild.

Nun wird tatsächlich ein Schuh draus: Cocreator erzeugt ein Bild, das eine gewisse Ähnlichkeit mit meiner Vorlage hat. Ich spiele mit dem Regler Kreativität herum: Er sollte eine Auswirkung darauf haben, wie streng sich die KI an der Vorlage orientiert. Eine niedrige Einstellung für die Kreativität führt aber dazu, dass Elemente der Skizze durchscheinen. Das bestätigt die Beobachtung, dass Cocreator meinen Sonnenuntergang nicht als solchen erkennt und darum ignoriert.

Es gibt ausserdem ein Dropdown-Menü Stil, das nebst Keine Auswahl die Vorgaben Wasserfarbe, Ölgemälde, Freihandskizze, Anime und Pixelkunst anbietet. Beim ersten Versuch ändert diese Einstellung nichts, aber beim zweiten Anlauf klappt es.

3. Versuch, zweiter Schritt: Das Bild einkopieren

Jetzt, nachdem ich den Hintergrund erfolgreich erstellt habe, lässt sich eine neue Ebene anlegen, die vor den Hintergrund kommt. Über den Befehl Datei > In Zeichenbereich importieren bekomme ich mein Foto in diese Ebene hinein und kann es freistellen und vor dem Berg platzieren.

Das erste Resultat: Das KI-Bild, ergänzt durch das Foto.

Das sieht annehmbar aus. Naja, solange wir nicht zu genau hinsehen: Dass mein Ellbogen links abgeschnitten ist, liegt an meinem Foto. Die weissen Kanten beim T-Shirt rühren jedoch daher, dass die Freistellung nicht perfekt ist. Professionellen Ansprüchen genügt dieses Werk nicht.

3. Versuch, dritter Schritt: Das Bild noch einmal durch Cocreator durchjagen

Aufgrund der Mängel komme ich auf die Idee, die fertige Komposition aus KI-Hintergrund und Foto noch einmal einer Cocreator-Behandlung zu unterziehen. Ich lade sie und verlange per Prompt, dass der Mann jung und die Szene düster aussehen soll. Ich setze ausserdem den Regler Kreativität auf ungefähr vierzig Prozent und den Stil auf Pixelkunst.

Und voilà, das Resultat seht ihr oben. Wie gesagt: Hohe Kunst ist das nicht. Während der Hintergrund als Pixel-Art durchgeht, finde ich mein pixeliges Alter-Ego nicht gelungen.

Das Verdikt ist eindeutig: Die Software hinkt Microsofts riesigen KI-Ambitionen meilenweit hinterher.

👉 Microsoft hält auch in der Windows-Fotoanzeige KI-Funktionen bereit. Diese habe ich separat getestet; das Verdikt gibt es im Beitrag Für diese Verunstaltungen sollte man Microsoft verklagen.

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