Meta vermisst sich mit zweierlei Mass

Ein harm­loser Post, der gegen die Ge­mein­schafts­stan­dards ver­stösst auf der einen Seite, – und eine be­trü­ge­ri­sche Wer­bung, an der Face­book nichts Fal­sches fin­det auf der anderen Seite: Mark Zucker­bergs Algo­rith­men (und sein mo­ra­li­scher Kom­pass) sind dop­pelt kaputt.

Facebook moderiert Inhalte mittels Algorithmen. Dass die nicht perfekt sind, ist klar. Doch wie schlecht funktionieren sie insgesamt? Das ist von aussen kaum zu beurteilen. Einen Eindruck geben jedoch die Fehlurteile, die wir selbst beobachten können: Weil sie Inhalte betreffen, die wir entweder selbst gemeldet oder selbst veröffentlicht haben.

Einen bizarren Fall habe ich vor drei Jahren dokumentiert: Damals wurde ein Screenshot aus einem Video beanstandet, auf dem ein Facebook-Post zu sehen war, der seinerseits aber kein Verstoss gegen die Gemeinschaftsstandards darstellte. Das ist so absurd, dass man es kaum fassen mag.

Irreführend?

Das erste Beispiel heute ist im Vergleich harmloser. Ärgerlich ist es trotzdem – und im Verlauf der Geschichte wird es mit dem zweiten Beispiel noch richtig pikant, wie ihr weiter unten sehen werdet. Dieses Einstiegs-Exempel ist erst einmal ein Beleg dafür, dass Metas Algorithmen selbst in simpelsten Fällen ins Schlittern kommen:

Subtext: Es geht uns auf den Wecker, dass du Links ins freie Netz postest.

Neulich habe ich hier im Blog die wichtigsten neuen Funktionen aus iPad OS 18 vorgestellt. Den Link habe ich auf meiner Clickomania-Facebook-Seite gepostet. Daraufhin teilte mir Facebook mit:

Wir haben deinen Beitrag entfernt. Warum ist das passiert? Anscheinend hast du versucht, auf irreführende
Art und Weise «Gefällt mir»-Angaben, Follower, geteilte Inhalte oder Videoaufrufe zu generieren.

Im Facebook-Betrag erkläre ich, worum es in dem Blogpost geht. Natürlich in der Absicht, einen Leseanreiz zu vermitteln und die Leute auf Facebook dazu zu bringen, auf den Link zu klicken und den Blogpost zu lesen. Das ist aber offensichtlich nicht irreführend, sondern der ausgewiesene Sinn und Zweck einer Facebook-Seite. Meta schreibt selbst, dass es darum geht, den interessierten Leuten Updates zu vermitteln. Dass bei einem Blog solche Updates in Form von neuen Beiträgen erfolgen, sollte selbst Mark Zuckerberg nicht erstaunen.

Es dauert maximal vier Tage oder auch länger

Was ist das Problem? Die Hashtags zum iPad oder Apple Intelligence? Ich habe keinen Schimmer und Facebook macht keinerlei weitere Angaben. Immerhin gibt es die Möglichkeit, einen Irrtum geltend zu machen und eine Überprüfung zu verlangen. Ich habe dieses Verfahren durchexerziert. Im Prozess darf man Gründe angeben. Aus der Vorauswahl habe ich Dieser Beitrag wurde missverstanden und Es handelt sich um ein wichtiges Thema angegeben.

Subtext: Es kann aber auch sein, dass es ewig dauert.

Facebook schreibt, eine solche Überprüfung dauere «maximal vier Tage, es kann aber auch länger dauern» – woraus wir, nebenbei bemerkt, schliessen dürfen, dass man bei Facebook die Bedeutung des Worts «maximal» nicht verstanden hat. Die Pointe ist, dass die Überprüfung seit mehr als drei Wochen andauert, ohne dass sich etwas getan hätte.

Falls doch noch etwas herauskommen sollte, ist das – bezogen auf den Post – komplett egal. Denn selbst wenn er wieder freigegeben würde, ist er gemessen an der kurzen Halbwertszeit von Social-Media-Beiträgen komplett durch. Was bleibt, sind die Einsichten, die ich hier im Blog berichten kann.

Irreführend!

Nun kommen wir zum eigentlich pikanten Teil dieser Angelegenheit. Denn während Facebooks Algorithmus bei normalen Inhalten so sensibel ist, dass er auch mal überreagiert, scheint es bei bezahlten Inhalten fast unmöglich zu sein, ihn auszulösen. Ich hatte vor zwei Monaten Kontakt mit HansRuedi Keller. Er sei, wie er selbst öffentlich auf Facebook schrieb, auf eine gefälschte Werbung hereingefallen. Nur ein schneller Anruf bei der Hotline des Kreditkarten-Unternehmens konnte einen finanziellen Verlust verhindern.

Die Werbung war im Namen von Galaxus geschaltet, führte aber völlig anderswohin, nämlich zur Website my-sweatheart.com. Sie ist inzwischen offline, was auch Bände spricht. Die Irreführung war zusätzlich über die (inzwischen auch nicht mehr funktionierende) Kurz-Adresse: tinyurl.com/galaxus-marshall-sale getarnt. HansRuedi hat einen ähnlichen Betrugsversuch auch mit Musik Hug gesehen.

«Für alle gleichermassen fair»?

Subtext: Wir werden einen Teufel tun, und bezahlte Werbung entfernen.

Nun würde man denken, es sei ein Leichtes, anhand dieser Merkmale eine Überprüfung vorzunehmen und die Werbung zum Schutz der Nutzerinnen und Nutzer vollautomatisch per Algorithmus zu stoppen – zumal Galaxus auf Facebook sogar ein verifiziertes Konto hat. Aber nein, nicht einmal Meldung HansRuedis Meldung hat die Werbung zum Verschwinden gebracht. Facebook schrieb:

Wir haben die Anzeige nicht entfernt: Wir wenden bei der Überprüfung aller Meldungen dieselben Werbestandards an, um zu gewährleisten, dass der Prozess für alle gleichermassen fair ist. Wir haben die Anzeige geprüft und festgestellt, dass sie nicht gegen unsere Werbestandards verstösst.

Ich habe mich mehrfach an Facebook gewendet, um eine Stellungnahme gebeten und nachgefragt, wie denn die Werbestandards in dem Fall konkret ausgelegt werden, wenn eine Werbung, die anscheinend im Namen eines fremden Unternehmens geschaltet wird, zulässig ist. Auf meine Fragen habe ich keine Antwort bekommen, selbst, als ich sie direkt an Mark Zuckerberg gerichtet habe.

Damit liegt eine Vermutung auf der Hand: Wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Beitrag oder eine Werbung gegen die Richtlinien von Meta verstösst, hängt in direktem Mass damit zusammen, welchen Nutzen sich Meta aus einem solchen Beitrag verspricht. Bei einer Werbung erfolgt der Nutzen in Form direkter Einnahmen. Beiträgen mit längst widerlegten Fakenews oder hirnrissigen Videos dürfen ungehindert zirkulieren. Doch ein Link, der von Facebook weg ins freie Web zielt – der ist natürlich per se höchst verdächtig.

Beitrag: Nicht Mark Zuckerbergs Stärke (Ono Kosuki, Pexels-Lizenz).

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