Es dürfte mit dem Druck der EU zu tun haben, dass Apple ein Schrittchen der Öffnung vollzogen hat. Der Konzern lässt im App-Store jetzt auch Emulatoren zu: Das sind Programme, mit denen sich andere Betriebssysteme auf dem Tablet ausführen lassen.
Einer dieser Emulatoren ist UTM SE: Er ist kostenlos und Open-Source und kann gemäss Projekt-Website mehr als dreissig Prozessoren virtuell nachbilden. Ein grosses Feld eröffnet sich mit der Emulation der x64-Architektur, auf der Windows läuft. Die App, die auf dem Qemu-Projekt basiert, versteht sich auch auf ARM64, Risc und eröffnet damit ein riesiges Tummelfeld.
Ich bin auf die Idee gekommen, Windows 7 auf dem iPad Pro zu installieren. Wie das herausgekommen ist, erzähle ich gleich: Vorher noch der kleine Hinweis, dass mit Apples Öffnung auch ein alter Bekannter aufgetaucht ist. Seit ein paar Tagen ist iDOS wieder da. Ich habe diesen Emulator vor gut neun Jahren vorgestellt. Damals fand ich es schwierig, Software in den Emulator hineinzubekommen. Das ist heute einfacher – wer die alten DOS-Games an den Apple-Mobilgeräten aufleben lassen will, hat somit freie Bahn.
Gleich in die Vollen
Zurück zu UTM SE: Die App kommt nach der Installation gleich zur Sache. Sie stellt die beiden Befehle Neue virtuelle Maschine erstellen und UTM-Galerie besuchen zur Verfügung. Der zweite Befehl führt zur Website getutm.app, wo es Informationen zu den einzelnen Betriebssystemen und deren Betrieb unter Qemu gibt.
Ich versuche mein Glück über den ersten Befehl – ich habe nämlich noch eine Installationsdatei von Windows 7 herumliegen. Um die aufs Tablet zu bringen, stelle ich über die Dateien-App von iPad OS eine Verbindung zum Windows-PC her.
Nun lässt sich die virtuelle Maschine einrichten:
- Wir legen in den Einstellungen die Systemarchitektur fest (x86_64), wählen unter System einen passenden «PC» aus und legen die Grösse des Arbeitsspeichers und des virtuellen Systemlaufwerks fest. Ich wähle drei GB (das Maximum beim iPad) für den Arbeitsspeicher und zwölf GB für den Datenträger.
- Unter Boot Device in den Einstellungen geben wir an, dass wir ein CD/DVD-Image benutzen möchten und wählen bei Boot-ISO-Abbild die ISO-Datei mit dem Inhalt des Installationsmediums fürs Betriebssystem aus.
Jetzt lässt sich die virtuelle Maschine auch bereits aufstarten. Nach einiger Zeit meldet sich das Windows-Installationsmedium mit dem Hinweis: Press any key to boot from CD or DVD. Um das zu tun, müssen wir eine beliebige Taste drücken. Dazu verwenden wir die virtuelle Tastatur, die sich über die am oberen Rand rechts sichtbaren Knöpfe aktiveren lässt.
Der Windows-Installationsvorgang am iPad
Nun werden wir tatsächlich durch den bekannten Installationsvorgang geschleust. Einige Feststellungen dazu:
- Den Mauszeiger mit dem Finger zu steuern, ist gewöhnungsbedürftig. Da der Zeiger nicht direkt unter dem Finger angezeigt wird – so würden wir ihn nämlich nicht sehen – müssen wir ihn mit einem gewissen «Versatz» herumschieben.
- Windows in der virtuellen Maschine am iPad ist eine träge Angelegenheit. Ich werde einen zweiten Versuch mit einer schlanken, aktuellen Linux-Version wagen – das scheint mir vielversprechender.
- Das Setup fragt nach der Installationsart und stellt Upgrade, sowie Benutzerdefiniert (Erweitert) zur Auswahl. Wir benötigen die zweite Option, da wir eine Neuinstallation durchführen müssen – in der virtuellen Maschine ist logischerweise keine Vorgänger-Installation vorhanden.
- Im Dialog Wo möchten Sie Windows installieren? müssen wir das Laufwerk partitionieren und initialisieren.
An diesem Punkt sah es so aus, als ob das Projekt scheitern würde. Das Setup-Programm verschmähte anfänglich dieses neu partitionierte Laufwerk. Es beklagte sich über den fehlenden Laufwerks-Controller im virtuellen Bios. Ich überlegte schon, wie man bei der virtuellen Maschine ins Bios vordringen würde, habe aber erst einfach einen Neustart durchgeführt.
Und siehe da: Beim zweiten Durchlauf wurde diese Partition akzeptiert und das Setup-Programm lief schliesslich komplett durch – bis am Ende, wie im Beitragsbild zu sehen, der bekannte Desktop von Windows 7 sich im Fenster der virtuellen Maschine breit machte.
Nach etwas Herumspielen gibt es folgende Feststellungen zu berichten:
- Das iPad und der Emulator sind von Windows 7 überfordert: In dieser Kombination ist das Betriebssystem so sterbenslangsam, dass wir nicht ernsthaft damit arbeiten möchten. Dieses Experiment ist als Proof of Concept zu betrachten, nicht als ernsthafte Arbeitsumgebung.
- Die Steuerung per Finger ist kein Vergnügen: Wir müssen den Mauszeiger an die gewünschte Stelle schieben und für einen Klick tippen. Wie eine Operation mit gedrücktem Mauszeiger vonstatten gehen würde, habe ich bisher nicht herausgefunden.
- Verbinden wir eine externe Tastatur und Maus (die MX Keys Plus und die MX Master 3), klappt die Steuerung ordentlich. Ob die Umlaute und Sondertasten richtig gemappt werden, habe ich bislang nicht im Detail abgeklärt.
Fazit: ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein grosser Sprung für die freiheitsliebende Nerd-Gemeinschaft. Damit meine ich die Leute, die der Ansicht sind, sie sollten mit ihrer Hardware tun und lassen können, was sie wollen. Das ist mit einer solchen virtuellen Maschine auf dem iPad möglich: iPad OS bleibt zwar weiterhin abgeschottet wie eh und je. Aber innerhalb der virtuellen Maschine können wir tun und lassen, was wir wollen.