Der heutige Spieltipp ist als ein Zeichen der Hochachtung zu verstehen; weniger als knallharte Game-Rezension. Es geht um das Spiel Really Bad Chess, das Zach Gage für Android und iPhone entwickelt hat. Es handelt sich um eine «wirklich schlechte Variante von Schach». Man könnte es auch «das Spiel von Johann Ohneland, König Ludwig XVI. von Frankreich, König (?) Nero von Rom, König Leopold II. von Belgien und Iwan IV. von Russland» nennen: Das sind nämlich jene Könige, die laut ChatGPT echte Versager waren.
Ich bin kein guter Schachspieler, weil ich zu leicht abzulenken bin und lieber impulsiv als strategisch vorgehe – was bei Schach das ideale Rezept ist, in vier Zügen matt gesetzt zu werden. Daher kann ich nicht beurteilen, ob «Really Bad Chess» eine echte Herausforderung zum Beispiel für Leute wie Elizabeth «Beth» Harmon darstellen würde. Vielleicht hatte Zach Gage auch bloss eine Furzidee. Die Rezensionen in den App-Stores lassen aber darauf schliessen, dass es einige Leute gibt, die der Sache etwas abgewinnen können.
Frei nach Forrest Gump: Man weiss nie, was man bekommt
Der Clou bei «Really Bad Chess» besteht darin, dass wir nicht das übliche Aufgebot an Figuren ausgeteilt bekommen, sondern eine Zufallsauswahl. Beispielsweise acht Springer, vier Läufer und drei Bauern. Alle anderen Regeln bleiben gleich – insbesondere die Art und Weise, wie die Figuren ziehen dürfen und sich Strategien entwickeln.
Für ungeübte Spielerinnen und Spieler ändert sich – so zumindest mein Eindruck – nicht sehr viel: Sie müssen schauen, wie sie über die Runden kommen und versuchen, zumindest ein, zwei Züge im Voraus zu planen. Die Schachprofis hingegen dürften feststellen, dass ihre verinnerlichten Angriffsmethoden ins Leere laufen: Sie haben eine halbe Million Eröffnungen im Gedächtnis, die ihnen normalerweise einen beträchtlichen Vorteil verschaffen, bei «Really Bad Chess» jedoch nicht anwendbar sind. Ich würde daher eine gewisse ausgleichende Wirkung vermuten. Trotzdem bleiben erfahrene Spielerinnen und Spieler im Vorteil, zumindest, wenn sie genügend abstrahieren können und nicht die konkreten Muster auf dem Feld anwenden, sondern die zugrunde liegenden Universalstrategien.
Die wahre Mentalität eines Hackers
Wir können festhalten, dass Zach Gage Schach gehackt hat. Dieses Spiel versinnbildlicht für mich auf tolle Weise die wahre Mentalität eines Hackers: Er hat ein intuitives Gespür für offene und versteckte Mechanismen und eine tief verwurzelte Abneigung gegen starre Regeln. Wie er selbst zum Spiel schreibt:
Schach ist eines der Spiele, die ich schon immer gerne gespielt hätte, aber die Verpflichtung zu Schönheit, Eleganz und perfektem Gleichgewicht hat mich immer abgeschreckt. Really Bad Chess hebt diese langweiligen Beschränkungen auf und stellt das Schachspiel auf den Kopf.
Man erkennt hier deutlich die anarchistische Neigung. Gage hat auch einige andere Spiele entwickelt, die ich mir bei Gelegenheit näher ansehen werde. Ridiculous Fishing sieht sehr vielversprechend aus, ebenso Spelltower. Und falls ihr noch weitere Tipps von Spielen habt, bei denen ein bewährtes, weltbekanntes Konzept gegen den Strich gebürstet wurde, dann lasst mich das bitte wissen: Das wäre ein tolles Thema für die Zeitung.
Beitrag: Er ist selbst traurig, dass er so ein Versager ist (Dall-e 3).