Mich nervt an Google – nebst vielen anderen Dingen –, dass es keine chronologische Suche gibt. Die Website, die ich neulich gefunden habe, gibt uns einen Hinweis, wie wir das ändern können. Aber das ist nicht alles, was ihren Charme ausmacht.
Die Website heisst oldestsearch.com: Sie «hackt» Google auf eine Weise, dass nicht die neuen und wichtigen Treffer am Anfang der Suchliste stehen, sondern die ganz alten – also diejenigen, über die eigentlich längst Gras gewachsen sein sollte.
Eine lustige Sache; nicht nur für den Zweck, um den Online-Jugendsünden der Mitmenschen auf die Spur zu kommen. Es ist auch eine Gelegenheit, etwas mehr über die versteckten Mechanismen bei Google zu erfahren. Und nebenbei erleben wir auch, wie Google vor ungefähr 15 Jahren ausgeschaut hat.
Zwei Dinge trüben leider den Spass:
Erstens zeigt Google leider nur das an, was vom «alten» Web noch übrig ist. Die Inhalte, die seitdem aus dem Netz verschwunden sind, fehlen auch in der Trefferliste naturgemäss. Was übrig bleibt, ist so lückenhaft, dass die Trefferliste willkürlich wirkt.
Den Irrtümern von damals auf der Spur
Eine Suche nach «Tagesanzeiger.ch» bringt als ältesten Treffer eine Seite beim Massachusetts Institute of Technology (MIT) zum Vorschein. Es handelt sich um die am 16.6.2002 veröffentlichte Abschrift eines Podiumsgesprächs, das der damalige Chefredaktor Philipp Löpfe nebst Ueli Maurer u.a. auch mit dem am MIT forschenden Psychologen Stefan Marti geführt hat. Beim «Tagesanzeiger» ist der Text längst verschwunden, da alte Inhalte bekanntlich dazu neigen, einen Wechsel des Servers oder auch des CMS nicht zu überstehen.
Kleiner Einschub: Dieses Podiumsgespräch ist so etwas wie ein historisches Zeitzeugnis. 2002 ging es um die Datensammelei im Netz. Zu Wort kam als erstes Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club. Er meinte auf die Frage, ob die «Idee der Privatsphäre absurd geworden» sei:
Für seine Privatsphäre ist jeder selber verantwortlich, und er muss sich um deren Schutz kümmern, indem er mit seinen Daten und ihrer Preisgabe mit Bedacht haushaltet.
Das war offensichtlich noch vor Facebook.
Der Datierung ist nicht zu trauen
Zweitens ist die Datierung der alten Einträge unzuverlässig. In den Resultaten zum Suchbegriff «Clickomania» erscheint nicht diese Website hier als erster Treffer, obwohl das die Originalquelle wäre. Der erste Treffer stammt vom 7.11.2005, obwohl ich die Website am 5.7.1999 registriert (und vor einem Monat das 25-Jahre-Jubiläum verpasst) habe. Wie Google die Einträge datiert, ist mir nicht klar. Mutmasslich handelt es sich nicht um das Erstell-, sondern um das Änderungsdatum. Es ist anzunehmen, dass sich via Google nicht zuverlässig rekonstruieren lässt, wann eine bestimmte Seite im Netz aufgetaucht ist.
Trotzdem: Eine spannende Möglichkeit, um in den Überbleibseln des Ur-Internets herumzustöbern. Und wenn wir so spannende Entdeckungen machen, lassen sich die via Archive.org und andere Sammlungen ausgraben.
Nebenbei entdeckt: der Trick zur chronologischen Google-Sortierung
Und jetzt zur technischen Abhandlung, wie oldestsearch.com eigentlich funktioniert. Dazu schauen wir uns die Adresse genauer an, die im Fall der «Tagesanzeiger»-Suche wie folgt lautet:
https://cse.google.com/cse?cx=ae9362ae18f003da9#gsc.tab=0&gsc.q=tagesanzeiger.ch&gsc.sort=date%3Aa
Das Kürzel CSE weist darauf hin, dass Oldestsearch mit dem Google Dienst Programmable Search Engine operiert, der früher auch Custom Search Engine oder CSE hiess. Der Parameter cx dürfte die ID der individuellen Suchmaschine übermitteln. gsc.tab=0
gibt den Reiter an; mit gsc.tab=1
landen wir bei der Bildersuche; und der letzte Parameter (sort=date%3Aa
) hat die chronologische Sortierung zur Folge. Und nein, es hilft leider nicht, diesen Parameter bei einer normalen Suche anzuhängen.
Aber es ist bubieinfach, eine eigene Suchmaschine zu bauen, die das kann:
Wir begeben uns zur Adresse programmablesearchengine.google.com. Hier geben wir an, ob wir eine einzelne Website oder das ganze Web durchsuchen wollen. Wenn damit fertig sind, erhalten wir den Link zu unserer Suchmaschine, zum Beispiel zu meiner hier. Und die Liste, die wir hier erhalten, versetzen wir über das Feld Sortieren nach auch in den chronologischen Modus. QED.
Beitragsbild: Mit dem Nokia 9300 Communicator wäre das Ur-Internet noch authentischer zu erforschen (Wahyu Setiawan, Unsplash-Lizenz).