Fremde Inhalte lassen sich mittels künstlicher Intelligenz wunderbar für eigene Zwecke abkupfern. Ein anschauliches Beispiel aus der Schweiz habe ich letzte Woche dargelegt. Es geht um die Website «C-Level-News», auf der diverse Beiträge zu finden sind, die offensichtlich von grossen Medien «ausgeliehen» wurden. Damit sie nicht als offensichtliche Plagiate erkennbar sind, wurden sie mutmasslich per KI etwas gekürzt und umgeschrieben.
Ich komme auf diesem Fall zurück, weil mein Blogpost interessante Diskussionen ausgelöst hat, die zu neuen Erkenntnissen geführt haben – insbesondere, was den von «C-Level-News» angeht. Ich bin nämlich zum Schluss gekommen, dass die «News» nur eine Tarnung sind und etwas anderes dahintersteckt.
Bevor ich darauf eingehe, sei die Rückmeldung von Martin Steiger erwähnt. Er ist Anwalt im digitalen Raum und hält fest: «Mit rechtlichen Mitteln kommt man dagegen kaum an. Und Google hat ja aufgegeben, das ganze Web zu erschliessen, scheint aber viel Gefallen an Spam, mit und ohne KI, zu finden …»
Die KI als Content-Vervielfältigungsmaschine
Steiger kritisiert des Weiteren, dass die Medien selbst gerne Informationen aus anderen Quellen verwerten. Tatsächlich sind solche Zusammenschriebe üblich und die Versuchung ist vorhanden, sich mit fremden Federn zu schmücken. In den hier gern zitierten Pflichten der Journalistinnen und Journalisten steht unter Ziffer 4.7. klar, dass «eine Zeitung, die einen kurz zuvor von einem anderen Medium veröffentlichten Primeur übernimmt und ohne Quellenangabe veröffentlicht, berufsethisch unlauter» handelt.
Hier im Blog verwies Manuel auf den «Blick», der solche Zusammenschriebe mithilfe einer KI namens BliKI verfasst und gemäss WOZ des Öfteren Fehler produziert. Soweit ich sehe, ist BliKI nebst einem Journalisten oder einer Journalistin immer nur Co-Autor: Die Verantwortung verbleibt beim Menschen, wie es auch sein müsste.
Dennoch habe ich Vorbehalte, weil solche Methoden tatsächlich für Leute wie die Betreiber von «C-Level-News» als Rechtfertigung herhalten könnte. Ich bin mir auch nicht sicher, wie weit sie aus Sicht des Publikums zu einer weiteren Entwertung von Nachrichten und Textinhalten beiträgt. Ich halte es für besser, wenn sich Medien deutlich von den KI-Inhalten im Netz abgrenzen und auf Handarbeit setzen. Auch Artikel, die auf Drittquellen beruhen, haben einen Wert, wenn sie sorgfältig produziert sind und eigene Ergänzungen und Einschätzungen enthalten.
Warum riecht es hier plötzlich so streng nach SEO?
Nun aber zu den neuen Einsichten, was den Sinn und Zweck von «C-Level-News» angeht. Die haben sich während eines Austauschs mit Bloggingtom ergeben. Sie bestehen darin, dass diese Website zwar «Aktuelle Nachrichten und Updates» verspricht, diese aber nicht liefert. Es ist in der Tat so, dass nur an zwei, drei Tagen Ende Juni überhaupt Beiträge publiziert wurden. Seitdem fand keine Aktualisierung mehr statt.
Eine weitere Auffälligkeit ist der prominente Artikel auf der Front. Unter dem Titel «Vom Bildschirm auf den Platz» geht es um eine «App des ehemaligen CEOs von Julius Bär und Francesco Ciringione», die offenbar dazu da ist, Fussballtalente aufzuspüren. Wenn man nach dem Titel und diesen Stichworten sucht, finden sich gut zwanzig Websites¹, auf denen dieser Artikel erschienen ist.
Die Zielgruppe sind nicht die menschlichen Leserinnen und Leser, sondern einzig die Suchmaschinen. Francesco Ciringione will diese neue Fussball-App in den Suchresultaten nach oben pushen und nebenbei auch seinem Namen etwas Internetruhm angedeihen lassen. Wir haben es mit einem Fall dieser Internet-Plage namens Suchmaschinen-Optimierung (SEO) zu tun.
Beim Schummeln erwischt
Bleibt die Frage: Ist die Sache wenigstens zielführend?
Wir dürfen mit einem klaren Nein antworten. Die Aktion von Francesco Ciringione und dem besagten Ex-Chef von Julius Bär, Boris Collardi, trägt zwar zur weiteren Vermüllung des Web bei. Den gewünschten Effekt hat sie nicht im Ansatz.
Das lässt sich einfach überprüfen, indem wir bei Google z.B. einen Suchlauf nach den Stichworten App, Fussball und Talentsuche starten. Wie wir sehen, erscheint der Name der App weder auf der ersten, noch auf der zweiten oder auf der dritten Seite. Kein Wunder, denn das sind hochkarätige Begriffe. Nur namhafte Websites, d.h. solche mit einem hohen Pagerank, tauchen am Anfang der Liste der Resultate auf².
Websites, die erst vor Kurzem aufgeschaltet wurden, haben einen tiefen Pagerank³. Und der Trick, den gleichen Inhalt auf x Websites zu veröffentlichen, hat auch nicht den gewünschten Erfolg: Das lässt sich ganz einfach bei Wikipedia zum Stichwort Duplicate Content nachlesen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Google ein Manipulationsmuster erkennt, scheint mir hoch zu sein. Es könnte daher passieren, dass sämtliche Sites aus Francesco Ciringiones Portfolio unter Spamverdacht geraten.
Der letzte Grund ist das Reputationsrisiko, das hinter einer derart einfach zu durchschauenden SEO-Massnahme lauert. Denn auch wenn diese Websites nur für Suchmaschinen und gedacht sind, passiert es dennoch, dass sich ein Mensch darauf verirrt – so, wie mir das passiert ist. Und dann fliegt auf, dass sich jemand an die Spitze mogeln will.
Dabei ist die Sache klar: Wer eine gute Platzierung bei Google will, soll sich die redlich verdienen: Durch ein hervorragendes Produkt, das die Leute gerne benutzen, freiwillig erwähnen und durch Mundpropaganda bekannt machen. Es ist wie beim Fussball: Wer keine Lust hat, sich auf dem Bolzplatz abzurackern, der wird auch nicht als Talent erkannt. Schon gar nicht von der App von Francesco Ciringione und Boris Collardi, die sich auch nicht von allein durchgesetzt hat.
Fussnoten
1) bernbulletin.ch, ceonews.ch, clevelnews.ch, energynews.ch, exportnews.ch, helvetichighlights.ch, komunennews.ch, mobilitynews.ch, munichmirror.de, newsexport.ch, publicnews.ch, regionnews.ch, swissspectrum.ch, unternehmernews.ch, wirtschaftnews.ch, baselrundschau.ch, baurundschau.ch, bundesrundschau.ch, energierundschau.ch, prestige-business.ch, schweizer-wirtschaft.com und zuerichrundschau.ch. ↩
2) Anders sieht es aus, wenn wir nach dem Namen der App suchen. Aber so lange der Name der App nicht breit bekannt ist, ist das irrelevant, da ihn niemand als Suchbegriff nutzt. Würde der Name über eine Website mit grosser Reichweite bekannt gemacht, dann wäre davon auszugehen, dass diese wegen des höheren Pageranks als Treffer am Anfang der Liste landet. Entsprechend werden auch in diesem Fall keine Klicks generiert. ↩.
3) Deswegen bekomme ich so häufig Mails von Leuten, die hier in diesem Blog Inhalte oder Links unterbringen würden. Meine Website gibt es seit bald 25 Jahren, was den Wert für SEO-Massnahmen steigern würde – wenn ich mich derlei Praktiken nicht grundsätzlich verweigern würde. ↩