Nun haben hoffentlich alle Macker den Schuss gehört

«Machos alfa» ist eine spa­nische Netflix-Serie über die letz­ten vier Chauvis, die sich der Eman­zi­pa­tion stellen müs­sen. Sie pflegt die Gleich­stel­lung, indem sie Männ­lein und Weib­lein glei­cher­mas­sen ins Messer laufen lässt.

Natürlich bietet diese Serie eine riesige Angriffsfläche. Sie beschäftigt sich mit der –Obacht! – Geschlechterfrage. Und sie tut das obendrein aus der Sicht von vier Männern, denen es lieber wäre, die Dinge würden so bleiben, wie sie vor vierzig Jahren einmal waren. Die fühlen sich von der Emanzipation der Frauen nicht direkt angegriffen, aber in eine Ecke gedrängt:

  • Pedro (Fernando Gil) verliert seinen Job als Programmverantwortlicher bei einem Fernsehsender, weil der den Zeitgeist nicht mehr trifft. Seine Frau ist als Influenzerin erfolgreich, was obendrein am Selbstwert kratzt.
  • Luis (Fele Martínez) stellt fest, wie schwierig es ist, über die Jahre das Feuer in einer Ehe aufrechtzuerhalten, während seine Frau sich im Theater ausprobiert und sich auf eine Affäre mit dem Fitnesstrainer einlässt.
  • Der (nicht wirklich monogam lebende) Raúl (Raúl Tejón) fühlt sich von seiner Freundin überfordert, die auf einer offenen Beziehung besteht, weil sie sich davon mehr Prickeln für sich selbst verspricht. Er will eine klassische Zweierkiste, weil er sich selbst lieber nicht mit allen seinen Neigungen – zu denen auch eine homoerotische Ader zählt – konfrontieren will.
  • Und Santi (Gorka Otxoa) kommt in die Bredouille, weil er die Hohheit seines Liebeslebens an seine Tochter Álex delegiert hat. Die managt auch sein Tinder-Profil, weil sie die Theorie vertritt, es brauche zehn sexuelle Begegnungen mit zehn «neuen Körpern», um von seiner ehemaligen Partnerin, Álex’ Mutter hinwegzukommen.

Diese vier Alfamännchen landen in einem Kurs, der ihnen ihre emanzipatorischen Defizite austreiben soll. Ein Coach führt ihnen vor, wie sie ihre toxische Männlichkeit dekonstruieren und überwinden sollen.

Sie verhalten sich in dieser Rolle, wie es viele Männer tun würden: Sie lästern beim Squash-Spielen nach Kräften, sie nehmen die Sache nur so ernst, dass sie nicht komplett rückständig wirken. Und doch fallen sie in alte Rollenmuster zurück.

Was riecht hier so streng nach Geschlechterklischees?

Allein diese Ausgangslage dürfte manchen zuwiderlaufen: Natürlich riecht sie zehn Kilometer gegen den Wind nach Geschlechter-Stereotypen und einer unweigerlichen Kollision mit der Political Correctness. Und natürlich traut man so einer Serie auch nicht unbedingt zu, den Geschlechterkampf nur abzubilden, ohne ihn selbst auch zu betreiben. Darum bleibt höchstens die Frage, offen, wer am Ende schlechter dasteht: die Männer oder die Frauen?

Die faire Lösung wäre natürlich, wenn alle ihren Anteil an Häme abbekommen. Das schafft diese Serie meines Erachtens ganz gut. Man kann ihr durchaus vorwerfen, dass sie nicht immer mit sämtlichen Beteiligten pfleglich umgeht: Dass sich Pedro überlegt zu behaupten, er fühle sich als Frau, um sich aus einem Konflikt mit seiner Vorgesetzten herauszulavieren, könnte man als Trans-feindlich interpretieren.

Die Machos, fein säuberlich aufgereiht.

Wenn dann aber der Modernste, Aufgeklärteste und Wokste der vier – Santi – genau das tut, um einer noch viel grösseren Misere zu entrinnen, dann ist das unbestrittenermassen lustig. Diese Misere hat, nebenbei bemerkt, damit zu tun, dass er in Sachen einvernehmlichem Geschlechtsverkehr mit der Tochter seines Chefs alles richtig machen wollte, dann aber dummerweise in den technischen Belangen unfit ist.

Rückständig und klischiert – aber ist das wirklich so schlimm?

Exemplarisch für die Kritik, die man an dieser Serie üben kann, scheint mir der Text von Patrick Buergler zu sein, den ich von Twitter her kenne, bisher (zu meiner Schande) aber nicht als fleissiger Serienrezensent auf dem Schirm hatte. Er schreibt:

Doch nicht nur das Männerbild ist zu rückständig, als dass es wirklich zum Lachen reizen würde. Auch die Frauen kommen ziemlich klischiert daher.

Das stimmt natürlich. Aber die Rückständigkeit ist die Prämisse der Serie, sodass wir eigentlich die Frage beantworten müssten, ob es notwendig oder legitim ist, rückständige Männer eine solche Plattform zu gewähren. Und da finde ich: unbedingt! Was mich angeht, versuche ich, nach Kräften ein moderner und emanzipierter Mann zu sein. Aber mein innerer Macho meldet sich durchaus zu Wort, indem er findet, dass Männer derzeit ausbaden müssen, was ihnen die Vorgängergenerationen eingebrockt haben.

Die Frauen lassen sich nicht unterbuttern

Also: Müssen die Männer eine Wandlung zum Guten vollziehen, damit die Serie ihre Berechtigung hat? Sprich: Muss sie ein klares Plädoyer für Emanzipation und Diversität abgeben? Oder ist es okay, dass die Botschaft am Ende lautet, dass es zur völligen Harmonie zwischen zwei, drei oder mehr Geschlechtern noch dauert?

Was tun, wenn die Frau als Influencerin auf der Höhe der Zeit ist, während der Mann aufs Abstellgleis fährt?

Mir hat gefallen, dass die Serie ohne allzu hohe moralische Ansprüche endet. Ich lasse die Botschaft gelten, dass Selbstkritik als der erste Schritt zur Besserung in Erscheinung tritt. Und was den Vorwurf des Klischees angeht, finde ich ihn zutreffend, aber weder ausschlaggebend noch so richtig originell: Es handelt sich um eine Serie, die im weitesten Sinn als Sitcom durchgeht – und Klischees gehören nun einmal zur Sitcom wie das Amen zur Kirche.

Viel entscheidender finde ich, dass Frauen taff auftreten und ihren Männern gewachsen sind. Wie Paula Gallego als Álex ihren Vater Santi erzieht, ist grossartig – auch wenn ihre Rolle das grösste Klischee bedient, indem sie x-mal durch die Autofahrprüfung fällt. Immerhin: Die Fahrlehrerin ist Luis’ Frau Esther (Raquel Guerrero), die bei ihrem Theaterspiel grossartige Szenen hat. Gleichstellung herrscht – Männlein und Weiblein tapst gleichermassen ungeschickt durchs Leben und ist so sympathisch wie ein etwas doofer Welpe.

Fazit: Eine der Serien, für die sich Netflix noch lohnt. Zwei Staffeln gibt es von der spanischen Serie Machos alfa, die zwischen 2022 und 2024 von Netflix produziert wurde.

Ein Nachtrag

Eliane schreibt auf Facebook Folgendes zum Stand der Dinge in Spanien:

Na ja, in Spanien prallt der gesellschaftliche Rückstand aufgrund der ehemaligen Diktatur aktuell heftig auf die Gegenwart. Und mir scheint, das überfordert die spanische Gesellschaft, irgendwie verständlich, wenn 1970 auf 2024 (mit Internet etc) prallt. Dazu kommen dann noch ökonomische Probleme einer sehr breiten Schicht. Das alles trägt nicht zu einer gesunden gesellschaftlichen Entwicklung bei. Kritik zu äussern über ganz offensichtliche Probleme nahezu unmöglich. Fragen nach dem schönsten Land oder der Besten Küche der Welt sollten besser nicht ehrlich beantwortet werden, nicht mal mit einer diplomatischen Antwort wie «jede Küche dieser Welt hat Speisen, die mir schmecken und andere nicht, vergleiche auch nicht Äpfel und Birnen, sind einfach anders». Nicht Spanien zu sagen ist quasi Majestätsbeleidigung.

Die Hoffnung bleibt, dass die Generation, die nun von klein an bereits mit Internet aufwächst, dass es da dann irgendwann besser wird. Aber so schnell dürfte sich das trotzdem nicht ändern, weil die familiären Strukturen halt sehr eng sind.

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