Wenn euch einer als Spion anwerben will, sagt nein

Der Pod­cast «Die Anschlags» zeigt, wie zwei echte rus­sische Spione in Deutsch­land operieren – und wie wenig diese Arbeit mit dem Gla­mour eines 007 gemein hat.

Spione: Das sind jene Gestalten, von denen wir Normalbürgerinnen und Normalbürger eine völlig falsche Vorstellung haben. Schuld sind natürlich jene Filme und Romane, die sie hochstilisiert oder verteufelt haben – typischerweise entlang der Bruchlinien zwischen den globalen Machtzentren, bei denen die Verteilung von Gut und Bös klar und eindeutig schien.

Apropos: Gibt es eigentlich einen Spion, der jenseits des eisernen Vorhangs ein Held war? Klar: nämlich Max Otto von Stierlitz, der vom Autor Julian Semjonow zum Leben erweckt wurde. Dem wird eine Nähe zum KGB nachgesagt, was eine interessante Parallele zu James Bonds Vater Ian Fleming ergibt, der seinerseits im Dienst des britischen Naval Intelligence Division einschlägige Erfahrungen sammelte. Ach, und ein echter russischer Spion, der auch in fiktiven Werken geehrt wurde, war Richard Sorge.

Bloss nicht auffallen

In Tat und Wahrheit ist der Job des Spions nicht so glamourös. Es gilt, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen an Informationen zu gelangen und die weiterzugeben. Auch Verführungskünste werden als Mittel zum Zweck eingesetzt, aber der Alltag ist im Schnitt nicht sehr spektakulär. Für die illegalen Spione – das sind diejenigen, die nicht mit diplomatischem Schutz aus einer Botschaft heraus operieren – lautet die Aufgabe, sich möglichst unauffällig in ihrem Zielland zu integrieren, dort ein Doppelleben zu führen, als normaler Angestellter zu arbeiten und über die Arbeit oder Bekanntschaften nützliche Informationen zu sammeln und zu übermitteln.

Fragt mal eure Nachbarn, ob sie Russisch können.

Die Serie The Americans scheint diese Lebensweise akkurat abzubilden. Sie wird auch im Podcast Die Anschlags – Russlands Spione unter uns des WDR erwähnt, und es gibt dort sogar ein Gespräch mit Joe Weisberg zu hören, der selbst Offizier beim CIA war – was die These stützt, dass es häufig Spione sind, die Geschichten übers Spionsein schreiben.

Einige Dinge aus den Spionage-Thrillern sind real

Der Podcast über den realen Spionagefall in Deutschland zeichnet die Arbeit von Heidrun und Andreas Anschlag in Deutschland minutiös nach. Wir erfahren etwas über ihre Aquirierung und darüber, wie sie zu ihrer Tarnidentität kamen und in Deutschland operierten. Die Nerds dürften sich für die Kommunikationsmethoden interessieren: Die toten Briefkästen, aber auch über die Zahlensender, über die die russische Zentrale ihre Instruktionen an die Spione absetzte – und auch heute noch absetzt.

Der eindrücklichste Moment im Podcast ist die Parallele, die Manuel Bewarder, Palina Milling und Florian Flade zwischen Elizabeth und Philip Jennings aus «The Americans» und Heidrun und Andreas aus «Die Anschlags» herausarbeiten: Beide Pärchen sind verheiratet und haben eine Tochter. Und zur Geheimhaltung gehört, dass diese Tochter lange Zeit nichts über das Doppelleben der Eltern weiss – weil sie es als Kindergärtnerin auf dem Pausenhof ausplaudern könnte. Also, wann auspacken? Proaktiv oder doch erst kurz bevor die Tochter selbst draufkommt?

Schlecht für die Nerven

Auch bei «Die Anschlags» müssen wir auf die Zwischentöne achten, um herauszuhören, wie sich das Leben als echter Spion anfühlt. Palina Milling hat zwar herausfinden können, wo die Anschlags nach ihrer Enttarnung leben, doch bei ihrem Anruf hat niemand den Hörer abgenommen. So bleibt es dabei, dass wir uns fragen, ob der ständige Stress einer möglichen Enttarnung irgendwann nachlässt – vermutlich, weil die Anschlags auch auf dringliche Warnungen der Zentrale mit wenig Nachdruck reagierten. Aber die Isolation und Einsamkeit – und die Lügen sogar der Tochter gegenüber – das muss alles andere als glamourös sein.

«Die Anschlags» ist eine sechsteilige Reihe (RSS, iTunes, Spotify oder in der ARD-Audiothek; die Apps gibt es fürs iPhone und für Android).

Beitrag: So unauffällig, dass man nicht wegsehen kann (Lenzatic, Pixabay-Lizenz).

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