Es gibt eine Unzahl an News-Apps. Upday, Google-News und Microsoft Start haben einen gemeinsamen Nenner: Sie kuratieren das Angebot für uns. Wir geben unsere grundsätzlichen Vorlieben bekannt. Die Apps liefert und eine Auswahlsendung und versucht, anhand unserer Klicks diese automatisch zu verbessern.
Diesem personalisierten Ansatz steht die klassische Methode des Newskonsums per RSS gegenüber. Bei dieser Methode verwenden wir einen RSS-Reader und abonnieren unsere bevorzugten Quellen. Die Vor- und Nachteile liegen auf der Hand:
- Bei den News-Apps erhalten wir dank der Personalisierung ohne viel Aufwand einen Strass an Nachrichten. Ob das Angebot unseren Interessen entspricht, hängt von der Qualität der Personalisierung ab.
- Beim RSS-Ansatz bestimmen wir selbst die Quellen und sind nicht von einem Algorithmus abhängig. Allerdings wird die Zahl der Beiträge schon ab wenigen Quellen so riesig, dass es kaum mehr zu bewältigen ist.
Seit Längerem beschäftigt mich die Frage, auf welche Weise sich die Vorteile beider Welten verbinden liesse. Ich will weiterhin Herr über meine Quellen sein und bleibe beim RSS-Ansatz. Ich wäre aber sehr froh um Hilfe bei der Eindämmung der Newsflut: Eine Sortierung der ungelesenen Beiträge nach Relevanz wäre hochwillkommen.
Die News-Nadeln im Feed-Heuhaufen finden
Nun, klar, liegt die Krux der Sache bei der Relevanz. Die zu bestimmen, ist eine schwierige Sache: Am liebsten hätte ich einen «magischen Algorithmus», der meine Vorlieben so gut kennt wie ich und mir genau das liefert, was ich haben möchte. Das ist Wunschdenken; eine Personalisierung kann im besten Fall auf Interessen reagieren, die ich bereits kundgetan habe. Trotzdem gibt es Potenzial; die (hier getestete und inzwischen leider schon wieder eingestellte) Artifact-App hatte eine gute «Nase» für meine Neigungen.
Es gibt weitere Methoden, die relevanten Themen herauszusieben: Die Zahl der Artikel, die erschienen sind und wie oft sie angeklickt wurden. Eine Gewichtung, die zwar nicht personalisiert, aber mit Schwarmintelligenz erfolgt, verspricht das Bezahl-Abo von Feedly.
Feedly ist ein bewährter News-Aggregator, den ich seit dem unrühmlichen Ende von Google Reader 2013 einsetze. Zu Testzwecken habe ich mir das Abo Pro+ für 13 US-Dollar pro Monat gegönnt. Es gibt bei den Preisplänen auch eine günstigere Variante (Pro für sieben US-Dollar), doch bei der fehlen alle für mich entscheidenden Features. Sie entfernt hauptsächlich die Werbung, erleichtert das Teilen und Speichern von Artikeln und ermöglicht es, Notizen zu Artikeln zu erfassen.
Die «Top Storys»: nicht zu Ende gedacht
Nach ein paar Tagen des Tests bin ich mit Feedly Pro+ nicht warm geworden. Mir ist nicht klar geworden, ob das an mir oder an Feedly liegt. Dennoch habe ich mich entschieden, jetzt einen Testbericht zu verfassen. Denn ein Dienst für diesen Preis muss sich Nutzerinnen und Nutzern innert nützlicher Frist erschliessen!
Mein Eindruck ist, dass diese Pro-Funktionen nicht zu Ende gedacht sind. Da ist die Ansicht der Top-Stories. Sie zeigt für alle Feeds oder einzelne Ordner die Artikel an, die von mindestens fünf Quellen in der entsprechenden Sammlung aufgegriffen wurden. Die entsprechenden Beiträge sind am Ende des Artikels aufgeführt.
Das funktioniert gut, liefert mir pro Kategorie meist nur zwei, drei Artikel. Statt eines harten Schwellenwerts hätte ich lieber eine Sortierung, die die Themen absteigend nach Anzahl Quellen sortiert. Idealerweise wären in der Top Stories-Ansicht alle Beiträge aufzufinden, die auch in der normalen Ansicht vorhanden sind, einfach nach Quellenlage gewichtet. Das gäbe mir die Möglichkeit, mich bei ausreichender Zeit und Musse durch das vollständige Angebot zu scrollen.
Zweites Manko: Es ist nicht klar, über welchen Zeitraum die Top-Stories erhoben werden. Typischerweise sind dort Artikel zu finden, die wenige Stunden alt sind. Das ist sinnvoll, wenn ich kontinuierlich die aktuellste Aktualität im Blick haben will. Doch am Montagmorgen würde ich einen Rückblick übers ganze Wochenende vorziehen. Und nach einer News-abstinenten Ferienwoche wäre es grossartig, die Top-Stories der letzten sieben Tage zu sehen.
Mit anderen Worten: Ohne eine Steuerungsmöglichkeit ist diese Auswahl nahezu wertlos.
Die Newsflut im globalen Massstab
In der Einzelansicht eines Artikels gibt es mit dem Pro+-Abo ebenfalls einige KI-Spezialitäten. Im Text markiert der Algorithmus die Passagen, die sie für Schlüsselsätze hält. Diese geben eine schnelle Zusammenfassung von langen Texten.
- Der Trend: Das sind übergeordnete Themenfelder wie Artificial Intelligence, Deep Learning oder Digital Transformation.
- Unternehmen: Die im Artikel erwähnten Unternehmen werden aufgelistet.
Klicken wir einen dieser Einträge an, gelangen wir auf eine Insight-Karte, die die Top-Stories der letzten Zeit und den Article Count, also die Zahl der Artikel zum Thema angibt. Das ist aufschlussreich: Ich erfahre, dass alleine in der letzten Woche 46’000 zu Google erschienen sind (nur 29’000 zu Apple). Die KI ihrerseits ist stabil bei fast 90’000 Artikeln pro Woche. Die Zahl bezieht sich auf alle Feeds, die bei Feedly durchgeschleust werden, nicht nur auf die, die der Nutzer oder die Nutzerin abonniert hat.
Diese globale Sicht ist hilfreich, um sich einen Überblick zu den Nachrichten zu einem Unternehmen oder Thema zu verschaffen. Sie hilft aber explizit nicht bei der Frage, ob ich als Journalist alle relevanten Entwicklungen auf dem Schirm habe.
«Market Intelligence» statt «Journalism Intelligence»
An dieser Stelle drängt sich die Erkenntnis auf, dass sich diese Pro+-Funktionen von Feedly nicht wirklich an Medienmenschen wie mich richtet. Im Fokus stehen Marketing-Personen, die das Bild ihres Unternehmens in der Öffentlichkeit beobachten und die Konkurrenz im Auge behalten wollen.
Dieser Eindruck wird bestärkt durch das Banner, das am Ende der Insight-Karte erscheint und für die sogenannten Market Intelligence Features wirbt: Die müssten nochmals extra gebucht und bezahlt werden. Ohne Zweifel sind die Unternehmenskunden eine lukrativere Klientel für Feedly als die Journalistinnen und Journalisten.
Das zeigt sich auch bei den Funktionen in der Kategorie Feedly AI: Hier lassen sich virtuelle Feeds zu Marketing-Schlagworten wie Product Launches, Innovation, Sustainability, Consumer Trends, Hiring, Layouffs, Strategic Moves etc. anlegen. Es gibt die Möglichkeit, Unternehmen zu überwachen und Bedrohungen nachzuverfolgen, inklusive Option, bestimmte Stichworte stummzuschalten.
Der News-Überfluss wird noch vergrössert
Ohne Zweifel ist das für manche Zwecke sinnvoll; vielleicht sogar für journalistische: Ein Redaktor im Wirtschafts-Ressort, der für diese Bank oder jenes Pharma-Unternehmen zuständig ist, bleibt mit derlei Feeds auf dem Laufenden.
Mir mit meinem breiten Interesse bringt das wenig. Ein Feed zu den grossen Tech-Unternehmen liefert wiederum so viele Artikel, dass ich meinen News-Überfluss nicht eindämmen, sondern vergrössern würde. Wenn ich versuche, das wiederum durch einen Filter wie Strategic Moves einzugrenzen, kommt der Hinweis, dass ich für das Market Intelligence Feature extra zahlen müsste.
Fazit: Das Bezahl Abo war leider eine Geldverschwendung. Und dummerweise habe ich es auch gleich für ein ganzes Jahr gelöst.
Die Top-Story-Ansicht ist in Ansätzen nützlich, doch sie hilft mir zu wenig, auf die interessanten, aber übersehenen Artikel zu stossen. Und bei meinem frommen Wunsch, die unterbewerteten Beiträge aufzustöbern, ist sie ist keine Stütze.
Unter dem Strich finde ich Feedly Pro+ zu teuer für das, was mir die KI-Features bieten. Es kommt hinzu, dass die KI-Funktionen nur bei englischsprachigen Quellen greifen. Alle meine deutschsprachigen Feeds bleiben aussen vor.
Beitragsbild: Und wo ist hier das alles entscheidende Bröckchen? (TaWiPoP, Pixabay-Lizenz)
Findest du dann z.B. Readwise Reader besser? Ich war bis jetzt mit Feedly Pro ziemlich zufrieden, überlege mir aber, eventuell zu wechseln.
Den kenne ich nicht. Ich werde ihn mir aber gern ansehen; Danke für den Tipp!