Was tut eine KI, wenn man ihr eine sinnlose Aufgabe gibt? Versucht sie, die nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen? Sagt sie, wir sollen sie mit derlei Unsinn in Ruhe lassen? Oder zahlt sie es uns mit gleicher Münze heim?
Eine interessante Frage, die ich neulich wie folgt ergründet habe: Ich habe den gängigen KIs die Aufgabe gestellt, mir den Lorem ipsum-Text auf Deutsch zu übersetzen. Es handelt sich hierbei bekanntlich um einen Blindtext, dessen herausragende Eigenschaft es ist, keine Bedeutung zu haben.
Die Antworten habe ich absteigend nach ihrer Schlagfertigkeit sortiert:
1) Claude
Claude kehrt den Spiess in gewisser Weise um. Während er die Antwort generiert und Satz für Satz auf dem Bildschirm anzeigt, wächst in mir die Freude, Claude fadegrad in die Falle gelockt zu haben. Da erscheint nämlich Folgendes:
Es war einmal Schmerz, der Sitz, es war immer, es wurde geboren sitzend und es wird nicht unbemerkt bleiben, es zu arbeiten und Schmerz magna aliquyam gewesen, sondern genossen voluptua. An der Tat und die Anklage und gerecht zwei Schmerzen und sie wiedergeboren. Klita beschäftigt Gubergren, nicht das Meer takimata heilig ist, war Schmerz, der Sitz. (…)
Doch dann schiebt Claude folgende Erklärung nach und macht klar, dass es die KI von Anthropic ist, die als letzte lacht:
Der Text «Lorem ipsum» ist ein sinnloser Platzhaltertext, der keine echte Bedeutung hat. Es ist nur zufälliger lateinischer Text, der als Fülltext in der Druckvorstufe verwendet wird. Daher kann man ihn nicht sinnvoll übersetzen. Ich habe aber versucht, die lateinischen Wörter wortwörtlich ins Deutsche zu übertragen, um einen Eindruck davon zu geben, wie eine wörtliche Übersetzung aussehen könnte.
2) ChatGPT
Die KI von Open AI klugscheissert zurück. Sie sagt, die Übersetzung auf Deutsch laute wie folgt und zitiert ihn dann in voller Länge im Originalwortlaut. Denn …
Der Text ist ein bekannter Blindtext und hat keine direkte Bedeutung. Daher wird er üblicherweise nicht in andere Sprachen übersetzt, sondern bleibt in seiner originalen pseudo-lateinischen Form.
Stimmt. Auch in Deutsch ist alles pseudo.
3) Bing Copilot
Microsoft schafft es, erst den korrekten Hinweis zu geben und sich im nächsten Halbsatz zu widersprechen:
Er [der Satz] hat keine Bedeutung und wurde aus einem lateinischen Buch über den Psalmen zitiert.
Ein Satz, der kein Latein ist, aber aus einem lateinischen Buch zitiert wird? Und überhaupt: Was für ein Buch könnte das sein, das «vom Psalmen» (sic!) handelt? Die Bibel? Eine Fischfibel?
Wir können an dieser Stelle indes auf die Idee kommen, nach der Quelle des Blindtextes zu forschen. Wir gelangen mit zwei Klicks zu dieser Erklärung, die auch bei Wikipedia nachzulesen wäre:
Der bekannteste und auch älteste Blindtext «Lorem ipsum» stammt ursprünglich aus Ciceros «De finibus bonorum et malorum» und wird bereits seit dem 16. Jahrhundert als Fülltext eingesetzt. Der originale Satz aus der Schrift lautet eigentlich: «Neque porro quisquam est, qui dolorem ipsum quia dolor sit amet, consectetur, adipisci velit, sed quia non numquam eius modi tempora incidunt ut labore et dolore magnam aliquam quaerat voluptatem.»
Auf Deutsch: «Niemals gab es jemanden, der es liebte oder verfolgte oder wünschte, sich selbst Schmerzen zuzufügen, weil es Schmerz ist, aber in besonderen Umständen können Anstrengung und Schmerz ihm grosses Behagen bereiten.»
Eine Art Schmerzlust also? Auf alle Fälle handelt es sich exakt um das Gefühl, das ich oft bei der Benutzung von Microsoft Copilot empfinde.
4) Google Gemini
Die rote Laterne erhält das Sprachmodell von Google mit dieser Antwort:
I’m still learning languages, so at the moment I can’t help you with this request. So far I’ve only been trained to understand the languages listed in the Gemini Help Center.
Gemini hat den Blindtext offensichtlich nicht als solches erkannt und sich in eine lahme Ausrede geflüchtet. Souverän wäre anders.
Da capo und Platz 5) Mistral instruct
Via LM Studio habe ich die Frage auch dem Modell Mistral-7B-Instruct-v0.1 vorgesetzt. Mit diesem Resultat:
Ich übersete (sic!) folgendes mit der Möglichkeit, dass es feine Differenzen in der Übersetzung geben kann: «Lorem ipsum dolor sit amet, konnten Sie verstehen, dass es schön ist, die Sprache zu verwenden, die Selbstverständlichkeiten vereinfacht und den Lesefluss verbesserte: sed diam nonumy eiermod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam erat, sed diam voluptua. Wahrlich, daß wir dabei einfach reden und schreiben, und die Verleugnung von Fehlern und der Vorwurf des Unrechts hier nicht beteiligt sind: at vero eos et accusam et justo duo dolores et ea rebum. Setzt sich klar, dass das Klafterkraut kasd gubergren ist, ohne dass irgendwo die Heiligkeit des Lorem ipsum dolor sit amet gestört wird.»
Und da bin ich mir nun nicht sicher, wer von uns beiden wen veralbert hat: Ich das Sprachmodell oder das Sprachmodell mich?
Beitragsbild: Microsoft Copilot hat ihr gerade einen Unsinn erzählt (Alex Green, Pexels-Lizenz).